Freude über Kita-Millionen fällt in Bayern verhalten aus
Der Freistaat erhält 861 Millionen Euro aus dem "Gute-Kita"-Paket der Bundesregierung. Doch über die Verwendung des Geldes ist längst nicht jeder glücklich.
„Heute herrscht hier Ausnahmezustand“, sagt Angelika Dinges und atmet tief durch. Zwei Erzieherinnen weilen im Urlaub, eine ist seit Wochen krank und eine Vertretung wird bislang vergeblich gesucht, eine Praktikantin ist in der Schule – und jetzt haben sich auch noch zwei weitere Betreuungskräfte kurzfristig krank gemeldet. Gleich zu Wochenbeginn muss der Personalplan in der Kindertagesstätte St. Paul über den Haufen geworfen werden.
Angelika Dinger ist gefordert. Sie ist die Leiterin der Kita im Augsburger Stadtteil Pfersee und muss nun zusehen, wie und vom wem die 130 Kinder in ihrer Einrichtung heute betreut werden können. „Am Ende kriegen wir das schon immer irgendwie hin“, sagt Dinges. So richtig glücklich klingt sie dabei aber nicht. Denn der Ausnahmezustand entwickele sich immer häufiger zum Normalzustand. „Irgendwas ist immer“, erzählt Dinges, „und für das Wichtigste, also die pädagogische Arbeit mit den Kindern, bleibt immer weniger Zeit.“
Genau das soll sich ändern, wenn es nach der Bundes- und der bayerischen Staatsregierung geht. Am Montag unterzeichneten die beiden Familienministerinnen Franziska Giffey (SPD, Bund) und Kerstin Schreyer (CSU, Bayern) einen sogenannten Gute-Kita-Vertrag, wonach der Bund dem Freistaat bis zum Jahr 2022 mit insgesamt 861 Millionen Euro bei der Kinderbetreuung unter die Arme greift. Die Zuschüsse sind Teil eines großen Kita-Pakets, im Rahmen dessen der Bund bis 2022 insgesamt rund 5,5 Milliarden Euro an die Länder zahlt.
Bayern „schenkt“ Eltern 100 Euro für den Kindergarten
Wofür das Geld genau ausgegeben wird, kann jedes Land selbst entscheiden. Die bayerische Staatsregierung will das Geld unter anderem verwenden, um damit Kita-Leitungen zu entlasten und die Kindertagespflege zu stärken. Konkret sollen nach Angaben der Staatsregierung beispielsweise rund 2000 zusätzliche Tagespflegepersonen eingestellt werden. Einen Großteil des Geldes will die Staatsregierung aber verwenden, um damit die Senkung der Elternbeiträge in den Kindergärten zu finanzieren.
Hier gibt es seit April einen Beitragszuschuss von 100 Euro pro Monat nicht nur für das dritte, sondern auch fürs erste und zweite Kindergartenjahr. Für Eltern klingt das gut – Anka Leiner findet das „bedauerlich“. Sie ist Geschäftsführerin von ekita.net, dem Träger von insgesamt 16 evangelischen Kindertageseinrichtungen im Großraum Augsburg. Ihrer Meinung nach sollten die Millionen des Bundes besser dafür verwendet werden, die Einrichtungen mit mehr Personal auszustatten und die Ausbildung von Erziehern und Kinderpflegern auszubauen, die überall händeringend gesucht würden.
„Es wäre schön gewesen, wenn uns jemand gefragt hätte, was wir wirklich benötigen“, sagt Leiner – und dürfte damit den Grünen aus der Seele sprechen, die am Montag ebenfalls beklagten, dass „die Söder-Regierung komplett am Bedarf vorbei plane.“ Über tausend Familien würden noch heute auf einen Betreuungsplatz für ihre Kinder warten, erklärte Grünen-Sprecher Johannes Becher. Das liege vor allem am „massiven Personalnotstand“. Bis 2023 fehlen nach Angaben Grünen-Fraktion im Landtag in Bayern rund 30.000 Fachkräfte in der frühkindlichen Bildung.
Ministerpräsident Söder kontert Kritiker
Angesichts derartiger Kritik, erklärte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Montag, es gehöre beides zusammen: die Eltern zu entlasten und die Qualität der Kitas zu stärken. „Finanzielle Entlastung und Qualität – wir machen beides“, betonte auch Schreyer. Und auch Giffey sagte, man dürfe beides nicht gegeneinander ausspielen. Insgesamt habe man festgestellt, dass bundesweit rund zwei Drittel der Bundeszuschüsse gezielt in die Kita-Qualität gesteckt würden, ein Drittel in Beitragssenkungen.
Auf Nachfrage, wie das Geld in Bayern verteilt werden soll, teilte das bayerische Familienministerium am Montag mit, dass zumindest in den beiden kommenden Jahren etwa rund 60 Prozent der Bundes-Millionen dafür verwendet werden, die Eltern bei den Kindergartenbeiträge zu entlasten. Für die Jahre 2021 und 2022 sei noch keine Entscheidung getroffen worden. (mit dpa)
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