Hier ist noch alles Gold, was glänzt
In einer der letzten deutschen Blattgoldschlägereien wird klar, dass dieses Edelmetall weit mehr kann, als nur die Steaks von Fußballprofis schmücken
Natürlich lässt der Chef der altehrwürdigen Eytzinger Blattgoldschlägerei im fränkischen Schwabach nicht einfach nur irgendeinen Kaffee im kleinen Konferenzzimmer der Firma servieren. Nein, auf der haselnussbraunen Schaumschicht glänzen winzige Quadrate aus Blattgold. „Sehen Sie“, sagt Christian Scheuring andächtig, „Sie schauen ganz anders hin.“ Gold, das sei eben kein protziges Edelmetall. Auch wenn es zu Beginn des Jahres von FC-Bayern-Fußballer Franck Ribéry zum Aufpolieren des eigenen Egos missbraucht wurde (Stichwort: Gold-Steak). Gold ist vielmehr eine zauberhafte Materie, die etwas zum Klingen bringe in den Menschen. „Ein Stoff für die Seele“, sagt Scheuring feierlich und rührt so sachte seinen Kaffee um, dass die Goldflitter in der Tasse in einem kleinen Strudel zu tanzen beginnen.
Aber so mythisch das Edelmetall auch sein möge, Scheuring freut sich, nach der ganzen Ribéry-Steak-Affäre ein wenig seriöses Licht in die Debatte um das Gold bringen zu können. „Zuallererst kann ich dem Restaurantbesitzer in Dubai nur gratulieren“, sagt der 57-Jährige und zieht eine Augenbraue in die Höhe. „Ich tippe mal darauf, dass das Steak 28 Euro kostet, die maximal drei Bögen Blattgold ungefähr fünf.“ Die restlichen 1167 Euro in dieser rentierlichen Kalkulation könnten die Gewinnmarge des Wirts gewesen sein, dem Ribéry mit seiner Bestellung einen unbezahlbaren Dienst erwiesen habe. Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass der goldene Überzug dieses Steaks im Betrieb von Scheuring und seinen 50 Mitarbeitern entstanden ist. Denn: „Unser Gold ist lebensmittelecht.“ Laktosefrei, glutenfrei und streng vegan. Sogar zertifiziert.
Mit der Gründung des Geschäftszweigs „Goldgourmet“ habe die Firma vor mehr als einem Jahrzehnt einen Befreiungsschlag gewagt und sei offiziell zum Lebensmittelhersteller geworden – als erster in Europa, wie Scheuring versichert. Befreiungsschlag, weil die Goldschlägerbranche damals wieder einmal in schwierigem wirtschaftlichen Fahrwasser war. Zwar ist bei Eytzinger seit dem Gründungsjahr 1867 tatsächlich alles Gold, was dort in den Firmengebäuden glänzt. Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass immer wieder Krisen das Geschäft bedroht haben. „1930 hat es in Schwabach noch 120 Blattgoldschläger gegeben. Heute sind im Prinzip noch zwei übrig. Wir sind die Einzigen, die noch ausschließlich in Deutschland fertigen. Das sagt alles“, erklärt Scheuring. Nicht zuletzt die Finanzkrise, in deren Folge der Goldpreis zeitweise stark gestiegen ist, habe das Ende vieler Betriebe besiegelt.
Die Ausstattung des Konferenzraumes deutet an, was Blattgold neben der Zier auf Steaks oder als Flitter auf Desserts noch alles sein kann. Zuvorderst spielt es auf dem klassischen Gebiet der Restauration und Erhaltung – etwa von sakralen Kunstgegenständen, aber auch bei Prachtbauten wie dem Clock Tower Hotel in Mekka – eine zentrale Rolle. Auch in Moscheen kommt es zum Einsatz. Christian Scheuring sagt: „Das verbindet alle Menschen: Ich kenne keine Religion, in der Gold nicht irgendeine Rolle spielt.“
Aber wie entsteht das Blattgold überhaupt, das am Ende nur hauchfeine 0,000125 Millimeter Stärke besitzt? Der Weg des fränkischen Blattgoldes beginnt im Schmelztiegel von Susanne Wegler, die das flüssige Gold zunächst in eine Form gießt. Mit schweren Zangen hält sie es in kaltes Wasser. Es hat jetzt etwa die Form einer Tafel Schokolade – wiegt aber mehr als 700 Gramm und ist damit weit über 20000 Euro wert. Das noch warme Stück Metall schiebt Wegler immer wieder zwischen zwei mächtigen Walzen hindurch. Ähnlich wie der Teig bei einer Nudelmaschine wird das Gold so immer dünner, bis daraus eine lange Metallrolle entstanden ist.
„Natürlich gibt es ganz verschiedene Mischungen, die dann am Ende den Farbton beeinflussen“, erklärt Christian Scheuring. 32 unterschiedliche Farben hat er im Sortiment, die von der Beimengung von Kupfer, Silber, Platin oder Palladium abhängen. In verschiedenen Arbeitsgängen wird das gewalzte Gold schließlich zwischen Papierschichten in Heften zusammengefasst. „Früher hat man das dann tatsächlich mit dem Hammer bearbeitet“, sagt jetzt Goldschlägermeister Werner Auer – einer der Letzten seiner Art – und bearbeitet so ein Paket mit einem speziell geformten Hammer. Vor dem Hintergrund des rhythmischen Klangs lässt sich erahnen, welche Grundmelodie das Handwerk zu den Hochzeiten der Blattgoldschlägerei in den Gassen von Schwabach entfaltet haben muss. Tatsächlich schlägt heute niemand mehr Gold von Hand – dafür gibt es Maschinen, die den Hammerschlag im Prinzip nachahmen. „Eine recht simple, aber effektive Mechanik“, sagt Scheuring. Das ganze Gebäude steht unter dem Rhythmus dieses Arbeitsgangs, an dessen Ende die fertigen Blattgoldbögen stehen. Um die Höhe von einem Millimeter zu erhalten, müssen 8000 dieser Bögen übereinandergelegt werden. Ein güldener Hauch von nichts.
Das Standardmaß sind Quadrate mit einer Kantenlänge von acht Zentimetern. In einem hellen Raum sitzt ein Dutzend Frauen, die Gold, Silber oder Platin mit feinen Zangen aus Ebenholz greifen und diese Quadrate feinsäuberlich aus den geschlagenen Bögen schneiden und passgenau in Papierhefte mit 20 Seiten einlegen. Kostenpunkt: etwa 1,50 Euro pro Goldblatt. In dieser Form gelangen sie in den Handel. „Aber auch als Flocken, Fäden oder Pulver“, sagt Scheuring und präsentiert nun Produkte aus der Linie „Gold Cosmetica“. Wieder so ein Befreiungsschlag. „Die positive Wirkung für die Haut ist von Instituten nachgewiesen“, betont Scheuring und überreicht einen Prospekt, der eine Frau zeigt, deren Gesicht teilweise mit Blattgoldbögen vergoldet ist. Aber auch in der Medizin kann er sich den Einsatz von Blattgold vorstellen. Es ist eben vielseitig einsetzbar, dieses Edelmetall – und es behält sicher seinen Zauber.
Die Diskussion ist geschlossen.