Kabarettist Stephan Zinner: "Söder lieferte zuverlässig Steilvorlagen"
Kabarettist Stephan Zinner hört nach 17 Jahren als Söder-Darsteller auf dem Nockherberg auf. Ein Gespräch über die Gründe und die Angleichung von Kopie und Original.
Herr Zinner, nicht ganz ernst gemeint formuliert könnte man sagen: Sie wollen nicht mehr Markus Söder sein. Kann man daraus auch schließen, dass Sie die Kunst der Darstellung von politischen Intrigen satthaben?
Stephan Zinner: Wie bitte? Die politischen Intrigen? Nein, mit politischen Intrigen hatte das nix zu tun. Meine Entscheidung folgte rein meinem Bauchgefühl.
War das eine spontane Entscheidung oder ist sie lange gereift?
Zinner: Das war ein längerer Prozess. Zwischendurch war die Entscheidung wieder weg, dann ist die Veranstaltung am Nockherberg ausgefallen, da war es nicht aktuell. Bei der Planung des kommenden Jahres aber kam das Gefühl wieder auf, dass ich aufhören will. Dann habe ich das auch relativ schnell gemacht.
Was war das Spannende an Söders Charakter?
Zinner: Oh weia, da gibt es viele Facetten! Der Markus Söder hat immer etwas hergegeben, was man gut darstellen konnte. Er lieferte zuverlässig Steilvorlagen. Dass Söder jetzt im Kampfjet posierte und auf Topgun-Pilot à la Tom Cruise machte, ist so ein Beispiel. So was in der Art macht er öfter und darauf kann man seine Rolle gut aufbauen. Söder ist ja auch nicht medienscheu, also kriegt man über ihn ja auch Vieles mit. Schwieriger wäre es gewesen, wenn er eine Person wäre, die nur im Hintergrund die Fäden ziehen würde.
Wie haben Sie über die Jahre Bayerns Ministerpräsidenten studiert?
Zinner: Studiert ist das falsche Wort. Denn, wie gesagt, über Söder kriegt jeder informierte Bürger über Zeitung, Funk und Fernsehen genug mit. Ich habe mir auch teilweise seine Reden angeschaut und musste halt etwas Fränkisch üben.
Wie ging das bei Ihnen zusammen? Sie sind ja gebürtiger Chiemgauer...
Zinner: Ja, ja, da liegt viel Bayern dazwischen. Und in der Tat gibt es Kollegen wie Wolfgang Krebs, die Dialekte perfekt nachahmen können. Das kann ich nicht. Ich habe dem Text aber eine kleine fränkische Färbung gegeben, so dass man weiß, woher er kommt. Heut’ spricht der Söder übrigens nicht mehr so starken Dialekt.
Stephan Zinner: Am Nockherberg haben wir Söder den Dialekt gelassen
Kann man sagen, Sie beide haben sich sprachlich angenähert?
Zinner: Sie haben vollkommen Recht. Man hat gemerkt, je höher Söders Ämter wurden, desto weniger fränkelte er. Aber am Nockherberg haben wir ihm den Dialekt gelassen.
Söder selbst hat Ihren Abschied von der Rolle am Nockherberg bedauert. Hat er Sie eigentlich mal unter vier Augen gelobt?
Zinner: Nein, es war auch für mich wichtig, dass genügend Distanz da ist. Es gab zwar immer das Treffen am Nockherberg und hinterher den Handschlag für die Fotografen, aber das war dann unsere Beziehung auch. Und das war auch gut so. Es wäre doch seltsam, wenn wir zusammen zum Essen gegangen wären. Da gab es weder Bestrebungen von ihm noch von mir, mehr draus zu machen.
Glauben Sie, dass es Söder in diesem Leben noch mal zum Bundeskanzler schafft?
Zinner: Schwer zu sagen. So wie es jetzt ausschaut, würde ich eher sagen: nein. Aber wer kann das schon sagen? Man hat ja schon öfter gesagt, dass es bei Söder nicht das Erwartete wird und dann gab es doch überraschend eine Wendung.
Als Generalsekretär, Staatsminister oder als Ministerpräsident sind Sie passé. Sie sagen, als Ilse Aigner kommen Sie nicht zurück – was aber kommt jetzt?
Zinner: Ach, ich habe genug zu tun. Da ist einerseits mein Kabarett, mit dem ich unterwegs bin, wenn man denn auftreten kann. Auch schreibe ich schon am nächsten Programm für kommenden Sommer. Das wird musikalisch sehr blueslastig und es ist ganz interessant in dieses Genre zu tauchen und die Parallelen der Südstaaten zum südostbayerischen Raum zu suchen. Das macht gerade Spaß. Diese Heimarbeit bietet sich angesichts der Corona-Lage geradezu an.
Sind Sie persönlich ein politischer Mensch oder sind Sie vom Politbetrieb eher genervt?
Zinner: Nein, ich habe drei Kinder und da muss man gewissermaßen zwangläufig politisch sein. Meine Frau arbeitet im Krankenhaus und auch da kriege ich viel vom Leben mit. In meiner Situation wäre es also schon sehr schwierig, sich abzuschoten und zu sagen: Ihr könnt mich alle mal! Darum bin ich sozusagen normal politisch.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Impfdiskussion?
Zinner: Ah, das ist schwierig. Aber so viel kann ich sagen: Meine Familie ist durchgeimpft – sogar meine Meerschweinderl.
In einem Interview heißt es, Sie seien ein Biergartenphilosoph. Was versteht man denn genau darunter?
Zinner: Ja, das hat man mal über mich gesagt. Aber es stimmt schon. Im Biergarten sitzt man automatisch da und sinniert. Es ist tatsächlich ein absolutes Plus des Biergartens, dass man da mit vielen sitzen, aber auch alleine mit zwei, drei Maß einen schönen Nachmittag verbringen kann.
Manche haben ja ihre kreativen Ideen nachts, wenn sie aufwachen, andere unter der Dusche – holen sie sich Ihre Inspiration im Biergarten?
Zinner: Bei mir ist das vollkommen unterschiedlich. Ich habe keine Schreibraum, in dem mir die Ideen nur so um die Ohren fliegen. Bei mir kann das beim Einkaufen passieren oder bei einem Telefonat mit einem Spezl oder beim Radlfahren. Die Inspirationen bekomme ich in ganz verschiedenen Situationen – oder auch nicht. Künstler wissen das, es geht ab und zu schlicht und ergreifend auch mal gar nichts. Das muss man dann aussitzen oder einfach weiterarbeiten.
Kabarettist Stephan Zinner: "Gemütlich, bayerisch, gut!"
Wie würden Sie sich mit drei Worten privat beschreiben?
Zinner: Gemütlich, bayerisch, gut!
Sie spielen in den „Eberhofer“-Krimis den „Metzger Simmerl“. Müssen die Fans damit rechnen, dass Sie da auch Adieu sagen?
Zinner: Das steht nicht an. Ich weiß ja auch gar nicht, wie lange es die Eberhofer-Krimis noch gibt. Ich mache die sehr gerne. Wenn es noch ein neuer Krimi wird, ist es mir recht und wenn es zehn werden auch. Das ist immer eine schöne Zeit, da hinzufahren. Das ist eine nette Truppe.
Sie sind gebürtiger Chiemgauer, leben aber mit Ihrer Familie in Schwabing. Kann man sich das überhaupt noch leisten?
Zinner: Na ja, wenn alle gut Geld verdienen, geht es schon. Aber im Ernst. Das ist schon extrem. Die Mieten um uns herum explodieren. Bei uns selbst geht es noch, wir haben einen alten Mietvertrag. Aber die Wohnungssituation in München ist schon krank. Da sieht man es: Schon ist man wieder politisch.
Diese hohen Mieten verändern die Stadt.
Zinner: Natürlich verändern sie die Stadt. Das München von heute und das, als ich vor 25 Jahren auf die Schauspielschule hergekommen bin, hat nicht mehr so viel miteinander zu tun. Das sieht man auch an einzelnen Straßen. Die Türkenstraße in Schwabing zum Beispiel, die ganz anders ist. Ich will aber auch da nicht drüber jammern. Trotzdem man kann schon festhalten, einige Sachen haben sich nicht zum Besseren hin entwickelt.
Könnten Sie sich vorstellen, auch außerhalb von Bayern zu leben?
Zinner: Ja, warum nicht?
Wo?
Zinner: Oh Gott! Das habe ich mir ehrlich gesagt noch nicht überlegt. Ich habe mal einen Bericht über Irland gesehen, der hat mir gut gefallen. Ich war aber selbst noch nicht dort. Vielleicht fahre ich hin und denke mir: Da pfeift mir der Wind zu stark um die Ohren und das mag ich gar nicht! Aber es gibt bestimmt Orte auf der Welt, wo man denkt, da könnte man es aushalten. Ob man da aber dann tatsächlich über den Urlaub hinaus bleiben möchte und es cool findet, das weiß ich nicht. Ich pendele gerade oft vom Chiemgau nach München. Das ist ja – je nach Baustellen – auch schon eine kleine Weltreise.
Zur Person: Stephan Zinner, 47, ist im oberbayerischen Trostberg (Landkreis Traunstein) geboren und aufgewachsen, verheiratet und Vater dreier Kinder. 2016 wurde er mit dem Deutschen, 2019 mit dem Bayerischen Kabarettpreis ausgezeichnet.
Die Diskussion ist geschlossen.
Schade, dass er aufhört. Er war ein wunderbarer Söder, ein Genuss ihm zuzusehen. Ich habe die Auftritte geliebt, weil er so "echt" war.