Kann man Heuschnupfen mit Heu bekämpfen?
Eine Immuntherapie kann Allergikern helfen. Das braucht aber seine Zeit. Allergologe Stefan Appenrodt erklärt, wie die Behandlung aussieht und was sonst hilft.
Was verstehen wir unter Heuschnupfen eigentlich?
Stefan Appenrodt: Heuschnupfen ist nach dem klassischen Verständnis eine Allergie gegen Gräser- oder Getreidepollen. Vor allem im Sommer kann man von Heuschnupfen sprechen. Jedoch gehören auch die früh blühenden Bäume dazu, die die gleichen allergischen Beschwerden auslösen. Die Saison geht also schon im Januar oder Februar los, wenn die Hasel oder die Erle blüht.
Und warum haben Menschen eine solche Allergie?
Appenrodt: Die Ursache dafür wird vielfach diskutiert. Das Immunsystem bei Allergikern sieht die Pollen als Gefahr an und baut ein Abwehrmechanismus gegen sie auf. Wobei diese eigentlich nicht gefährlich sind für den Körper. Bei Kontakt mit den Pollen werden Abwehrreaktionen in Gang gesetzt.
Wie bekommen Menschen Heuschnupfen? Wird die Allergie immer vererbt oder erkranken auch Kinder von Nicht-Allergikern daran?
Appenrodt: Es kann auch Kinder von Nicht-Allergikern treffen, da die Allergie nicht rein erblich ist. Wobei die Vererbung eine große Rolle spielt. Aber es gibt noch andere Faktoren wie Umwelteinflüsse. So können Pollen in der Großstadt durch Feinstaub eher vom Körper als Bedrohung angesehen werden. Es gibt auch die Hypothese, dass Patienten durch eine zu starke Hygiene eine Allergie entwickeln. Jedoch ist man sich nicht 100 Prozent klar.
Kann der Heuschnupfen möglicherweise durch eine Therapie in der Kindheit behandelt werden?
Appenrodt: Grundsätzlich gibt es zwei Methoden, wie man die Allergie behandeln kann – beide können auch von Erwachsene wahrgenommen werden. Es gibt die rein symptomatische Behandlung mit Tropfen, Tabletten oder Sprays, welche die Beschwerden bekämpft. Die andere wäre eine kausale Therapie, auch spezifische Immuntherapie oder Hyposensibilisierung genannt. Das ist eine sehr effektive Methode, um die Allergie an der Wurzel zu packen. Bei Kindern zwischen sechs und sieben Jahren kann man mit der Therapie beginnen.
Können Sie die Behandlung der kausalen Therapie etwas genauer erklären?
Appenrodt: Man behandelt die Allergiker mit dem, auf das sie allergisch sind – also mit Extrakten von Gräser- oder Baumpollen. Alle vier bis sechs Wochen bekommen sie eine Spritze verabreicht. Das wird über drei Jahre fortgesetzt. Das Immunsystem kommt dadurch immer wieder mit dem Allergen in Berührung, sodass es irgendwann eine Toleranz entwickelt. Statt Spritzen können auch täglich Tabletten mit dem Extrakt zu sich genommen werden, um denselben Effekt zu erzielen.
Wie schnell hilft die Therapie?
Appenrodt: Schon nach einer Blütensaison gibt es erste Verbesserungen. Nach Möglichkeit sollte sie aber drei Jahre fortgesetzt werden. Dann ist der Effekt am besten und hält auch länger an.
Hab ich den Heuschnupfen ein Leben lang?
Appenrodt: Es gibt immer wieder Verläufe, wo die Allergie sich mit den Jahren abschwächt. In der Regel ist es aber so, wenn man einmal die Allergie hat, dann bleiben die Beschwerden über einen längeren Zeitraum. Erst im höheren Alter nehmen diese bei einigen Betroffenen ab.
Was hilft jetzt aktuell gegen den Heuschnupfen?
Appenrodt: Bei Symptome wie Augenbeschwerden helfen Antihistaminika-Tropfen. Gegen den typischen Schnupfen sind kortisonhaltige Nasensprays sehr effektiv. Die gibt es für Allergiker freiverkäuflich in der Apotheke. Sie wirken auch prophylaktisch, wenn die Patienten die Nasensprays einige Tage vor einer Blütenphase einnehmen.
Gibt es auch homöopathische Mittel?
Appenrodt: Ja, ihre Wirkung ist zwar schulmedizinisch nicht bewiesen. Methoden wären eine Eigenbluttherapie oder Akupunktur.
Rauchen und Heuschnupfen passt wahrscheinlich nicht zusammen.
Appenrodt: Rauchen ist nie gut. Wenn die Atemwege schon gereizt sind, dann können die allergischen Beschwerden eine Etage tiefer wandern. Die Folge wären Probleme mit der Lunge oder ein leichtes Asthma. Auch die Schleimhäute sind durch die Allergie gereizt, wodurch das Rauchen die Beschwerden noch verstärkt.
Viele Allergiker können nachts schlecht schlafen, worunter auch die seelische Gesundheit leidet. Was sollten sie beachten?
Appenrodt: Allgemeine Maßnahme wäre tagsüber und nachts das Fenster geschlossen zu halten. Die Pollen dringen sonst in die Zimmer und verteilen sich überall. Idealerweise sollten Allergiker abends duschen und sich nicht im Schlafzimmer umziehen. Natürlich helfen auch die besprochenen Mittel wie Tabletten oder Nasensprays.
Sollte bei der Ernährung auf irgendwas geachtet werden?
Appenrodt: Viele Betroffene haben Kreuzallergien, sie sollten deswegen auf bestimmte Obstsorten oder Nüsse in der Blütezeit verzichten.
Wann sind die Allergiker am schlimmsten betroffen?
Appenrodt: Bei den Bäumen sind die Pollen der Birke am aggressivsten, welche ab jetzt blühen. Das geht dann bis Mitte Mai. Dann kommen die Gräser bis Juni oder Juli.
Haben sich durch den Klimawandel die Blütezeiten verändert?
Appenrodt: Es gibt immer Schwankungen. Dieses Jahr war die Hasel deutlich stärker als die Jahre zuvor. 2017 waren die Gräser durch viele Regentage sehr lange aktiv.
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