Augsburg wählt anders und bringt Wengert in Bedrängnis
Der Frust saß tief und Bärbel Wengert ließ ihm freien Lauf: "Jeder kriegt das, was er verdient. Und wenn die Augsburger den wollen, sollen sie ihn haben." Mit "den" meinte die Frau des Augsburger Oberbürgermeisters Kurt Gribl. Dieser hat Amtsinhaber Wengert (SPD) im ersten Wahlgang überraschend auf Platz zwei verwiesen.
Von Michael Hörmann und Christoph Frey
Augsburg. Der Frust saß tief und Bärbel Wengert ließ ihm freien Lauf: "Jeder kriegt das, was er verdient. Und wenn die Augsburger den wollen, sollen sie ihn haben." Mit "den" meinte die Frau des Augsburger Oberbürgermeisters Kurt Gribl. Der parteilose CSU-Kandidat hat den als klarer Favorit gestarteten Paul Wengert (SPD) im ersten Wahlgang überraschend auf Platz zwei verwiesen.
Drei Prozentpunkte Rückstand im ersten Wahlgang, bei der Stichwahl am 16. März ist Wengerts Job in höchster Gefahr.
Doch schon am Wahlabend gab sich der angeschlagene Amtsinhaber cool, hatte ein Dauerlächeln aufgesetzt und gestattete keine Einblicke in sein Seelenleben. Für Verwunderung sorgte zudem seine Begründung für das Ergebnis. Weil eine repräsentative Umfrage knapp zwei Wochen vor der Wahl Wengert einen deutlichen Vorsprung bescheinigt hatte, seien seine Anhänger nicht zur Wahl gegangen.
Nach dieser Logik hätten auch Ulrich Maly und Christian Ude Schwierigkeiten bekommen müssen. Doch die SPD-Oberbürgermeister von Nürnberg und München präsentieren sich am Dienstag in der Landeshauptstadt als strahlende Wahlsieger. Derweil kämpft Kollege Wengert in Augsburg ums politische Überleben.
Zuzuschreiben hat er sich das selber, sagt der mit den Augsburger Verhältnissen vertraute Wahlforscher Frank Brettschneider (Uni Hohenheim). Die Bürger hätten nicht das Gefühl, dass Wengert ein Ohr für ihre Sorgen habe. Überdies genieße der 55-Jährige allem Anschein nach nicht die volle Rückendeckung der Partei und ihrer Stammwähler.
Der erst vor sechs Jahren ins Amt gewählte Jurist zu abgehoben, zu weit weg vom Wähler? Auch vereinzelte Stimmen in der SPD vertreten diese Meinung, eine erste Analyse des Wahlergebnisses zeigt zudem, dass der Amtsinhaber in den großen Stadtteilen drastisch verlor.
Dort war in den vergangenen eineinhalb Jahren Herausforderer Kurt Gribl häufig zu finden. Der im Gegensatz zum angriffslustigen Wengert stets betont sachlich auftretende Fachanwalt für Baurecht setzt in seinem Wahlkampf auf neue Medien, ist im Internet mit einem eigenen "Gribl-TV" zu sehen, hat einen Handy-Klingelton, der mit "Griiibl" den Menschen in den Ohren liegt. Doch das ist in seinen Augen alles nur nettes Beiwerk.
Entscheidend sei der Wahlkampf auf der Straße, an den Info-Ständen. Dort will Gribl auch in den kommenden zwei Wochen häufig zu finden sein. "Es gibt keinen Grund, an Stil und Inhalt meines Wahlkampfes etwas zu ändern." Gestern Mittag war Gribl bereits wieder in der Augsburger Fußgängerzone unterwegs, Amtsinhaber Wengert versuchte auf dem Seniorennachmittag des Gögginger Frühlingsfestes Boden gutzumachen. Am Abend trafen beide Kandidaten in einem Live-Interview des Bayerischen Fernsehens aufeinander, am Donnerstag folgt eine Podiumsdiskussion.
Der Rathauschef setzt am 16. März auf eine höhere Wahlbeteiligung als die mageren 47,6 Prozent vom Sonntag. Doch selbst wenn Wengert das Ruder noch einmal herumreißen sollte, sind seine politischen Aussichten alles andere als rosig. Denn bei den Stadtratswahlen, die erst am heutigen Dienstag vollständig ausgezählt sein werden, haben Wengerts SPD und ihre Partner (Grüne und ÖDP) die Mehrheit verloren.
Verantwortlich dafür ist vor allem das Abschneiden der Genossen, die voraussichtlich vier von bisher 23 Sitzen in dem 60-köpfigen Gremium verlieren. Das so genannte Regenbogen-Bündnis ist am Ende und ein SPD-Oberbürgermeister Wengert müsste mit einem Stadtrat zurechtkommen, in dem die CSU und ihre Partner aus dem bürgerlichen Lager die Mehrheit hätten. "Diese Konstellation wäre grausam", stöhnte ein Spitzenmann der Stadtverwaltung.
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