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Kriminalität
29.01.2017

K.o.-Tropfen: Betäubt - und vergewaltigt?

K.-o.-Tropfen können für das Opfer zum Albtraum werden.
Foto: Nicolas Armer, dpa (Symbolfoto)

Es kann jeden treffen. Plötzlich und aus dem Hinterhalt. So wie Anna. Die Geschichte von K.-o.-Tropfen, einer jungen Frau und einer verhängnisvollen Nacht.

Das genaue Datum hat sie verdrängt. Anna (Name geändert) hofft, dass auch der Rest noch aus ihrem Kopf verschwindet. Aber wie vergisst man etwas, das man eigentlich schon vergessen hat? Die Bilder, die Gefühle, die nur das Unterbewusstsein immer wieder, ganz plötzlich, zutage führt? Was Anna aber noch genau weiß: Der schlimmste Tag in ihrem Leben war ein Samstag im September 2016. „Es war warm draußen. Ich trug ein Minikleid“, erzählt Anna, Ende 20, während sie in einem Café sitzt und einen Cappuccino umrührt. Sie ist groß, attraktiv und wirkt selbstbewusst. Eine typische Karrierefrau. Noch vor einem Monat wäre sie nicht in der Lage gewesen, über das alles zu sprechen, sagt sie. Nun fühlt sie sich etwas stabiler. Außerdem will sie mit ihrer Geschichte anderen Opfern helfen und andere Frauen warnen, damit ihnen so etwas wie an dem Samstag im September nicht passiert.

An jenem Tag also war sie auf einer Party in ihrer alten Heimat gewesen. In der heilen Welt, wie sie sagt. Bekannte hatten eingeladen, es kamen Freunde und jeder brachte noch jemanden mit. Rund 200 Menschen feierten. Anna mixte sich einen schwachen Whiskey Cola, weil sie nur kurz bleiben und dann zu ihrem Freund wollte. Sie unterhielt sich mit alten Freundinnen, sie hatte ihr Glas nicht immer im Blick, sie lachte viel, die Stimmung war gut – und dann, etwa 30 Minuten nach ihrer Ankunft, beginnt ihr Filmriss, von dem sie erst am Sonntagnachmittag bei Freunden erwachte, mit handtellergroßen Wunden an den Knien, mit blauen Flecken an Brüsten, an den Innenseiten der Oberschenkeln und am Rücken. Ihr tat alles weh. Sie wusste zunächst nicht, was war. Hingefallen, dachte sie, als sie ihre kaputte Strumpfhose auszog. Dass ihr jemand etwas in den Drink getan haben musste, war ihr sofort klar. So fühlt man sich nicht nach einem einfachen Whiskey Cola. Was dieser Jemand aber noch getan haben muss, das schwante ihr erst, als ein paar Tage später die Albträume anfingen.

K.-o.-Tropfen nicht generell verboten

Für das, was Anna passiert ist, gibt es im Englischen einen Ausdruck: Drink Spiking. Das bedeutet: Ein Getränk wird mit einer farb- und geschmacklosen Chemikalie manipuliert, um jemanden wehrlos zu machen und dann ausrauben oder vergewaltigen zu können. Umgangssprachlich werden solche Mittel K.-o.-Tropfen oder Vergewaltigungsdrogen genannt. In Fachkreisen tragen sie Namen wie Rohypnol, Ketamin, Gamma-Hydroxybutansäure (GHB) oder Gamma-Butyrolacton (GBL).

Besonders letzteres kursiert als Rauschmittel und als K.-o.-Tropfen in der Partyszene, da die Substanz in Deutschland nicht generell verboten und zudem einfach im Internet erhältlich ist. GBL ist ein Lösungsmittel, aus dem Pflanzenschutzmittel oder auch Antibiotika hergestellt werden können. Es fällt weder unter das Arzneimittel- noch unter das Betäubungsmittelgesetz. Dabei ist es nach Ansicht von Suchtmedizinern hochgefährlich. Es anderen Personen zu verabreichen, gilt als Straftat. Der Besitz hingegen nicht.

Google spuckt GBL-Kaufangebote für die klare, leicht nach Seife riechende Flüssigkeit aus, als sei es Hustensaft. 250 ml für knapp 39,95 Euro. „Hallo, kann ich dir weiterhelfen?“, ploppt sofort ein Fenster auf, wenn man eine der Händlerseiten besucht. Manche Verkäufer weisen sogar darauf hin, dass sich das Mittel als K.-o.-Tropfen eignet und erklären, wie der Zoll umgangen werde, damit die Lieferung garantiert nicht auffalle. In Deutschland ist seit 2009 der GBL-Verkauf zu Konsumzwecken verboten – aber im Internet scheint das die Händler nicht zu interessieren.

GBL: Dunkelziffer womöglich hoch

Wie viel dieses Mittels an Privatpersonen geliefert wird, wie häufig es konsumiert oder als K.-o.-Tropfen missbraucht wird – darüber gibt es keine Statistik. Die Polizei hat keine belastbaren Daten. Häufig würden sich die Opfer nicht melden. Wenn sie es doch tun, sei es oftmals zu spät für einen Nachweis in Blut oder Urin. Wer ein Suchtproblem mit GBL hat, geht in der Regel ebenfalls nicht zur Polizei. Als Partydroge taucht das Mittel immer wieder auf. „Ich möchte nicht ausschließen, dass die Dunkelziffer hoch ist“, sagt Sigrid Kienle, Sachgebietsleiterin synthetische Drogen beim Landeskriminalamt in München. Beim Ausgehen sind K.-o.-Tropfen ein Dauerthema. Aufklärungskampagnen tragen inzwischen Früchte: Viele lassen in Discos ihre Getränke nicht aus den Augen oder trinken nur aus Flaschen. Aus Angst vor Drink Spiking glühen manche Jugendlichen inzwischen daheim vor.

„Jeder kennt jemanden, der schon einmal etwas im Getränk hatte“, sagt Anna. Man müsse sich nur umhören. In Discos habe sie deshalb immer auf ihr Getränk aufgepasst. „Aber auf der Party hatte ich ein Gefühl von zu Hause“, erzählt Anna. Sie spricht schnell und mit starker Stimme, wirkt gefasst. Innerlich ist sie aufgewühlt, zur Beruhigung legt sie Zigarettenpausen ein. Was ihr im September widerfahren ist, hat sie noch nicht verarbeitet.

Durch Erzählungen von Freunden hat sie die Nacht bis auf drei Stunden rekonstruiert. Sie sei plötzlich verschwunden gewesen und dann unterkühlt und mit blutigen Knien aufgetaucht. Als Freunde den Notarzt oder die Polizei holen wollten, habe Anna einen Tobsuchtsanfall bekommen. Sie sei kollabiert und habe sich übergeben. An all das kann sie sich nicht mehr erinnern. „Ich war nicht ich, hatten meine Freunde gesagt. Ihnen war klar, dass mir jemand etwas ins Getränk getan hatte.“

K.-o.-Tropfen müssen nicht automatisch zu einem Knockout, also zur Bewusstlosigkeit führen. Im Internet kursieren Videos, die Menschen im Delirium, mit epileptischen Anfällen oder halluzinierend zeigen. Michael Rath kennt alle Facetten. Er ist Facharzt für Suchtmedizin am Inn-Salzach-Klinikum in Wasserburg am Inn und gilt als bundesweiter GHB/GBL-Experte. Im Jahr 2005 hatte er durch Patienten an der Suchtklinik in Haar zum ersten Mal mit den Stoffen zu tun, die sich Ende der 1990er Jahre über die Bodybuilder- und Schwulenszene langsam in der Party- und Technoszene ausgebreitet haben. Als er danach an die Klinik in Bad Schussenried wechselte, stellte er fest: In Oberschwaben wurde anscheinend mehr GBL konsumiert als im Großraum München. Die Behörden können nichts dagegen unternehmen, weil GBL nicht verboten ist – im Gegensatz zum als „Liquid Ecstasy“ bekannten GHB, das seit 2001 unter das Betäubungsmittelgesetz fällt. GBL wird vom Körper zwar binnen Sekunden in GHB umgewandelt – trotzdem ist es erlaubt. Eine „hochgradig paradoxe Situation“, kritisiert Rath. Er warnt seit Jahren vor der Chemikalie, die extrem schwer zu dosieren sei. Je nach Menge wirke GBL euphorisierend und berauschend – ein Milliliter zu viel kann bedeuten, „dass die Leute zusammenklappen oder sterben“. GBL wirkt nach rund 15 Minuten. Der Stoff macht, verwendet man ihn als Droge, schnell abhängig. Laut Rath weist GBL alle Kriterien eines Rauschmittels auf, es müsste eigentlich unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Der Gesetzgeber sieht das anders.

Von der Party zu Arzt und Polizei: "Schämte mich"

Anna beschloss am Sonntag nach der Party: „Da war nichts. Gut ist.“ Zurück zur Tagesordnung. Sie ging am Montag wieder normal arbeiten. Und doch war etwas anders. Sie ging nicht mehr an ihr Handy, beantwortete keine Nachrichten mehr. Nach dem Duschen sah sie ihren Körper nicht mehr gerne im Spiegel an. Sie konnte nicht mehr ohne Schmerzen mit ihrem Freund schlafen. Nachts träumte sie plötzlich davon, wie ihr jemand die Beine auseinander drückt und sie würgt. Ihr ging es von Tag zu Tag schlechter. Sie erkannte sich nicht wieder. Am Donnerstag nach der Party vertraute sie sich einer Freundin an, die mit ihr erst zum Arzt und dann zur Polizei ging. „Von alleine hätte ich das nicht gemacht. Ich schämte mich“, erinnert sich Anna. Doch ihre Freundin überzeugte sie mit dem Argument: „Willst du, dass er das mit anderen Frauen noch mal tut?“

Untersuchung, Aidstest, dann viereinhalb Stunden Fragen beantworten. Nun fühlte sich Anna als Opfer. Die Polizei machte Fotos von den verblassten blauen Flecken. Für einen Bluttest war es zu spät. Ihre Kleidung hatte sie schon gewaschen. Als Beweismittel ließ Anna die kaputte Strumpfhose bei der Polizei, die sie extra aus dem Müll gezogen hatte und an der nun Kaffeereste klebten. Während der viereinhalb Stunden hörte sie, dass so etwas einigen Frauen passiere, häufig auch im privaten Umfeld. Und sie hörte, dass manche K.-o.-Tropfen auch als Alibi fürs Fremdgehen verwenden. Anna bekam zwischenzeitlich das Gefühl, dass man ihr nicht glaubt. „Wenn ich auf der Party meinen Freund hätte betrügen wollen, hätte ich mir keine Story von K.-o.-Tropfen ausdenken müssen. Das ist ein ganz anderer Freundeskreis gewesen, er hätte es nie erfahren.“ Mit Fremdgehen habe sie so wenig am Hut wie mit Drogen.

Das Tückische an K.-o.-Tropfen ist: Lassen sich die Opfer nicht sofort untersuchen, hat der Körper die Chemikalie abgebaut und damit Beweismittel zerstört. Für GHB und GBL gilt etwa ein Zeitfester von zwölf Stunden. Dann ist eine Betäubung nicht mehr nachzuweisen. Hinzu kommt: Kliniklabore können nach Auskunft von Markus Wehler, Chefarzt der Notaufnahme am Klinikum Augsburg, K.-o.-Tropfen nicht aufspüren. Blut- und Urinproben müssen an Speziallabore geschickt werden. Häufig wissen die Notärzte also nicht genau, welche Substanz die Symptome auslöst. „Immer wieder werden Patienten zu uns in die Notaufnahme eingeliefert, bei denen eine Verabreichung von K.-o.-Tropfen vermutet wird oder die es selbst vermuten“, erklärt Wehler. „Aus unserer Erfahrung heraus sind Frauen häufiger betroffen als Männer.“ K.-o.-Tropfen seien eine Randerscheinung, dennoch sei Wachsamkeit geboten.

"Ich bin kein Opfertyp"

Anna erstattete Anzeige gegen Unbekannt. Nun war sie offiziell ein Opfer. „Ich bin kein Opfertyp. Mich in die Opferrolle zu begeben, ist für mich schwierig. Ich komme damit nicht klar“, sagt sie. Nur wenigen Menschen hat sie vom Samstag im September erzählt, sie hat Angst, danach anders behandelt zu werden. Anna ist sich nun sicher: An dem Samstag im September wurde sie vergewaltigt. Inzwischen hat sie drei verschwommene Bilder von der Nacht: 1. Sie liegt vorne über gebeugt über einer Bank oder einem Stuhl und sieht auf ihre Handtasche und auf ihr Dekolleté. 2. Sie sitzt an einem Lagerfeuer, jemand fragt, was mit ihr los sei, und ehe sie antworten kann, sagt ein unsympathischer Fremder: „Wenn man sich mit Alkohol aus dem Leben schießt und noch Drogen nimmt, dann ist man selber schuld, wenn man durchhängt.“ 3. Sie steht vor einem Haus auf der Straße und versucht ihren Freund anzurufen – diese Szene hat sich definitiv so abgespielt, wie Anna inzwischen weiß. Und die anderen?

Die Ungewissheit ist das Schlimmste. Was wurde mit mir gemacht? Wer war’s? Wie viele? Kenne ich die Person? Habe ich mich gewehrt? War ich bewusstlos? „Ich habe ein Riesenproblem damit, dass ich nichts zu fassen habe. Wenn ich wüsste, was passiert ist, könnte ich mich leichter trösten, indem ich mir denke, es hätte doch noch schlimmer kommen können“, sagt Anna. Dann wieder ist sie froh, dass sie nichts weiß, nicht lauter Bilder im Kopf hat, die sie aus der Nacht verfolgen können. Und dann ist da noch die Wut auf ein Phantom, die sie manchmal verzweifeln lässt. Wer macht so was? „Hat der kein Geld für eine Nutte?“, fragt sie.

Kontrollverlust macht Anna zu schaffen

Wer macht so was? „Es geht um Macht, Gewalt und Triumph, es hat weniger mit einem sexuellem Notstand zu tun“, meint Ignaz Raab, vom Kommissariat für Sexualdelikte am Polizeipräsidium München. In 14 Jahren hat er einige Täter verhört. Einer war wohl jedes Wochenende mit K.-o.-Tropfen losgezogen – er wurde durch ein Handyvideo überführt und bekam zehn Jahre Haft. 2015 gab es bei Raabs Dienststelle rund 70 Anzeigen zu Sexualdelikten mit K.-o.-Tropfeneinsatz.

Der Kontrollverlust in jener Nacht macht Anna zu schaffen. Sie ist jemand, der entscheidet, der sich wehrt, wenn ihm etwas nicht passt. Eine Therapie hat sie abgebrochen, weil ihr das nichts brachte. Ihr wurde auch geraten, in eine Selbsthilfegruppe zu gehen. „Was soll ich den vergewaltigten Frauen denn erzählen? Außerdem habe ich Angst, dass neue Bilder dazukommen.“ Anna hat entschieden, erst einmal zu verdrängen. Vielleicht hört sie aber auch auf ihre Ärztin, die sagt: Das Trauma ist wie eine eitrige Wunde, man muss sie richtig reinigen.

Suchtmediziner Rath kämpft seit Jahren gegen GBL. Er sprach mit den Vorgängerinnen der jetzigen Bundesdrogenbeauftragten, appellierte, dass GBL wie GHB als Betäubungsmittel deklariert wird, der Besitz strafbar ist. Doch auf der anderen Seite kämpft die Industrie. „Eine Einstufung von GBL unter das Betäubungsmittelgesetz würde strenge Auflagen und hohe Anforderungen an die Abnehmer von GBL nach sich ziehen“, sagt BASF-Sprecher Michael Wadle unserer Zeitung. Die Herstellung, der Transport und der Verkauf von GBL in den industriell benötigten Mengen wären unter diesen Bedingungen praktisch unmöglich, heißt es weiter. Und: Wertvolle Produkte, die aus dem heutigen Alltag nicht wegzudenken sind, könnten dann nicht mehr hergestellt werden.

Gesundheitsministerium sieht keinen Handlungsbedarf

BASF produziert nach eigenen Angaben jährlich 50.000 der weltweit 250.000 Tonnen GBL. Der Konzern setzt auf ein europaweites freiwilliges Monitoring-System der Industrie und mache sich für ein weltweites stark. BASF verkaufe nur an überprüfte Endkunden und Chemikalienhändler, sagt Wadle. Anfragen von Privatpersonen würden sofort ans Bundeskriminalamt weitergeleitet. Bei der Kontrolle der internationaler Lieferketten gibt es aber zurzeit noch große Lücken. Per Post gelangt GBL aus China oder Indien problemlos in deutsche Haushalte und kann als Droge oder K.-o.-Tropfen missbraucht werden.

Das Gesundheitsministerium sieht keinen Handlungsbedarf: „Die Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes sind für Massenchemikalien wie GBL nicht geeignet.“ Die Behörde weist auf das Monitoring-System hin. Die Argumente der Industrie wogen anscheinend schwerer als die von Rath, dem es um die Rettung von Leben und die Verhinderung von Vergewaltigungen geht. In anderen europäischen Ländern ist privater GBL-Besitz strafbar.

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Anna fühlt sich wie „ein emotionaler Flummi“. Wenn sie stark ist, macht sie sich Mut: „Es war doch nur Sex. Sex ist doch eigentlich was Schönes.“ Wenn sie schwach ist, igelt sie sich ein, ist verzweifelt und macht sich Vorwürfe. Hätte ich etwas anderes anziehen sollen? Habe ich etwas Falsches ausgesendet? Warum passiert mir das? Wer macht so etwas? Auf all ihre Fragen wird sie vermutlich nie eine Antwort bekommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Anna wünscht sich, dass der Unbekannte bestraft wird, aber große Hoffnung hat sie nicht.

Da ein generelles Verbot von GBL aussichtslos erschien, kam Rath auf eine andere Lösung für das Dilemma: Die Chemikalie müsste im Geschmack oder im Aussehen verändert werden, sodass sie auffallen würde. Wäre GBL ungenießbar, würde es sich weder als Rauschmittel noch als K.-o.-Tropfen eignen. Raths Vorschlag geht noch weiter: „Normales“ GBL könnte als Betäubungsmittel eingestuft werden, vergälltes könnte legal bleiben. In der Praxis würde das heißen: Wer mit einer Flasche unvergälltem GBL erwischt wird, macht sich strafbar.

Anna: "Ich bin ruhiger und langsamer geworden"

Rath setzte sich mit der Firma MacFarlan Smith in Verbindung, die laut Guinness-Buch der Rekorde die bitterste Substanz der Welt herstellt. Sie wird Kindershampoos und Frostschutzmitteln beigemischt, damit diese nicht versehentlich verschluckt werden. Eine Konzentration von 0,001 Prozent führt zu einem unerträglich bitteren Geschmack. Auch GBL könnte damit versetzt werden und noch immer einen Reinheitsgrad von über 99,9 Prozent aufweisen, heißt es. „Vergällung von GBL wäre die Lösung für alle“, so Rath. Sein damals achtjähriger Sohn fand das einleuchtend. Er malte ein Bild für die Bundesdrogenbeauftragte und erklärt darauf, wie GBL-Vergällung funktioniert. Inzwischen ist er 15, die Botschaft seines Bildes wurde nicht umgesetzt. Die „Pflicht zum Vergällen des Stoffes erscheint nicht zielführend“, heißt es im Gesundheitsministerium. Bei BASF: „Eine Vergällung von GBL ist mit den meisten Anwendungen aus heutiger Sicht nicht kompatibel.“ Man prüfe aber, inwiefern sie in einzelnen Bereichen umzusetzen sei.

Ist es Bequemlichkeit oder wirklich nicht machbar? „Dazu bin ich zu wenig Chemiker, als dass ich das einschätzen könnte“, sagt Rath und ergänzt: „Zum Glück ist Heroin nicht interessant für die Industrie.“ Ganz hat er die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Er wird an die neue Bundesdrogenbeauftragte schreiben. Und Ende letzten Jahres seien Mitarbeiter der BASF auf ihn zugekommen, um über eine Vergällung mit Farbstoffen zu reden, sagt er.

Seit dem Samstag im September ist Anna eine andere. „Ich bin ruhiger und langsamer geworden.“ Vieles ist ihr egal. Zu ihren alten Freunden hat sie kaum noch Kontakt. Sie geht nicht mehr gerne aus. Sie zieht sich anders an. Rollkragen statt Ausschnitt. Plötzlich kann sich Anna vorstellen, eine Familie zu gründen. Ihr Freund hat zu ihr gehalten. „Mit ihm hatte ich großes Glück“, sagt Anna. Er weiß mit ihren „Heulkrämpfen aus heiterem Himmel“ umzugehen. Etwa, wenn zu viele Menschen um sie herum sind. Oder wie neulich, als ein Brief der Staatsanwaltschaft sie wieder aufgewühlt hat. Darin hieß es: Sie könne jetzt ihre kaputte Strumpfhose abholen.

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Die Diskussion ist geschlossen.

30.01.2017

Wenn man schon fiktive Opfer solche Dinge erleben und erleiden läßt, dann sollte man sie nicht immer "Whisky Cola" trinken lassen, das war schon vor 20 Jahren als Assi-Getränk verschrien. In den letzten 5 Artikeln, die ich über K.O.-Tropfen gelesen habe, hat die junge Dame, das spätere Opfer, immer ihren "Whisky Cola" offen herumstehen gelassen. Irgendetwas stimmt da nicht. Entweder ist es immer die gleiche, oder es gibt sie garnicht, oder ich war in den falschen Diskos.

03.02.2017

Lieber Herr Marx,

im Artikel wird keine erfundene Geschichte eines fiktiven Opfers beschrieben, sondern es sind die tatsächlichen Erlebnisse einer jungen Frau, die sie Frau Thies in einem persönlichen Gespräch geschildert hatte.

Beste Grüße aus der Online-Redaktion