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Allgäu
14.05.2014

Landtag schließt Zwergschule: Dorfbewohner sind entsetzt

Zwergschule wird geschlossen. Die Petition der Eltern aus Unterjoch ist erfolglos geblieben: Die Mehrheit im Bildungsausschuss im Bayerischen Landtag hat sich gegen eine Weiterführung der Zwergschule entschieden.
Foto: Ralf Lienert

Die Grundschule in Unterjoch steht vor dem Aus. Dass alle vier Jahrgangsstufen zusammen in einem Raum unterrichtet werden, war einzigartig in Bayern.

„Papa, warum machen die unsere Schule zu?“ Wenn Paul Besler diese Frage von seiner Tochter Verena hört, ist er ratlos. Und zugleich stocksauer. Fast ein Jahr lang haben die Menschen in Unterjoch gekämpft. Für die Grundschule. Für die Kinder. Für das Dorf. Genützt hat es nichts. Kurz vor Ostern hat der Bildungsausschuss im Bayerischen Landtag das Aus für die Mini-Schule beschlossen. Doch was dies nun für das Gebirgsdorf im Süden des Oberallgäus bedeutet, das, sagt Besler, hätten die Abgeordneten nicht bedacht.

Alle Kinder werden zusammen unterrichtet

370 Einwohner, 16 Vereine, Skilift, Kirche, Dorfladen, Bäcker – auf 1013 Metern Höhe: das ist Unterjoch. Die Schule ist das Herzstück, sagt Besler. Hier werden die ersten vier Jahrgangsstufen noch zusammen unterrichtet, Sechsjährige zusammen mit Zehnjährigen, in einer Klasse, in einem Raum. Zwergschule nennt sich das. Früher war das in den Dörfern gang und gäbe.

Heute gilt Unterjoch als die letzte Zwergschule in Bayern – auch wenn das Kultusministerium betont, dass Unterjoch gar keine eigenständige Schule ist, sondern nur eine Außenstelle von Bad Hindelang. Deshalb gilt hier auch nicht die Bestandsgarantie, die Ministerpräsident Horst Seehofer für rechtlich selbstständige Grundschulen gegeben hat.

Noch sitzen die Kinder in den Schulbänken, zehn an der Zahl. Für kommendes Schuljahr sind aber nur fünf angemeldet worden. Zu wenig für den Erhalt der Einrichtung, sagt der Bildungsausschuss. Ein abgekartetes Spiel, sagen die Eltern.

„Ich koche innerlich“, knurrt Paul Besler. Es ist weniger der Beschluss, der ihn ärgert. Es ist das Wie. Die Geschichte, die er erzählt, handelt von Freud und Leid, vom Auf und Ab – im wörtlichen Sinne. Denn für die Kinder geht es vor allem um eines: den Schulweg.

Alternativer Schulweg: 100 Kurven, 360 Höhenmeter

Unterjoch gehört zur Marktgemeinde Bad Hindelang. Entsprechend gehört die Grundschule als Außenstelle zum Schulsprengel der Gemeinde. Schließt die Außenstelle, ist die Konsequenz, dass die Kinder ins Haupthaus gehen müssen. Zwölf Kilometer liegen zwischen den beiden Orten. Aber auch mehr als 100 Kurven und 360 Höhenmeter.

Es geht über Bayerns höchstgelegene Bundesstraße, den Jochpass. „Jedes Mal, wenn ich da fahre, wird mir schlecht“, sagt Verena Besler. Das geht nicht nur der Drittklässlerin so. „Die Strecke ist auch für manchen Erwachsenen hart. Im Winter ist sie sehr gefährlich“, sagt Simone Gehring. Sie hat zusammen mit anderen Eltern eine Initiative ins Leben gerufen. Kampflos aufgeben kommt für das Bergdorf nicht infrage.

Das war schon immer der Fall. Die Kinderzahl lag des Öfteren unter der magischen Grenze von 13. Mindestens so viele Schüler müssen nach den Richtlinien des Staatsministeriums gemeldet sein, um eine Klasse zu bilden. „Vier Jahrgänge zusammen, und dann insgesamt so wenige Schüler, ist pädagogisch nicht sinnvoll“, sagt der Sprecher im Kultusministerium, Ludwig Unger. Zwei Jahrgangsstufen zusammenzulegen, gehe noch, könne mit Blick auf das Erlernen von sozialer Kompetenz sogar sinnvoll sein. In Bayern gebe es hunderte solcher „jahrgangskombinierter Klassen“. Bei Bedingungen wie in Unterjoch aber sei der „pädagogische Sprung“ zwischen den Jahrgängen einfach zu groß, findet Unger.

"Nur die nackten Zahlen sind wichtig"

Vergangenen Juni stand fest, dass im jetzt laufenden Schuljahr nur zehn Schüler in dem alpenländischen Gebäude sitzen würden. Monatelang wurde eine Entscheidung hinausgeschoben. Zunächst war der Jubel groß. Im Juli stand fest: Die Schule bekommt ein Jahr Gnadenfrist. Im Nachhinein, so sieht man das hier, stellt sich heraus: „Das war alles Etikettenschwindel. Kurz vor den Landtagswahlen wollte keiner so ein heißes Thema angehen“, sagt Herbert Landerer.

Der Vater und andere Eltern fühlen sich verschaukelt. Mit einer Petition haben sie für den Erhalt der Schule gekämpft. Sie sammelten mehr als 1000 Unterschriften. Zweimal ist ein Bus vollgepackt mit Dorfbewohnern nach München in den Landtag gefahren.

Die Abgeordneten machten sich sogar vor Ort ein Bild von der besonderen geografischen Lage. Über Monate hinweg hatten die Unterjöchler sich vorbereitet, ein Konzept erarbeitet, wie man die Schule im Ganztagesmodell unterhalten kann, Eltern aus dem benachbarten Oberjoch mobilisiert, damit diese ihre Kinder auch in die näher gelegene Grundschule und nicht mehr über den Pass nach Bad Hindelang schicken. Die Stimmung war fast euphorisch. Dann kam alles anders. Am 10. April verkündete das Ministerium in einer Mitteilung: „Dieses Jahr keine Klasse in Unterjoch.“

Das Konzept, das sie erarbeitet hatten, sei bei der Sitzung des Ausschusses gar nicht zur Sprache gekommen, klagen die Eltern. Dass das ganze Dorf für die Schule kämpft, habe nicht interessiert. Landerer sagt: „Nur die nackten Zahlen waren wichtig.“

Nur fünf Schüler hatten sich angemeldet

Nach der Einschreibung stand fest: Tatsächlich würden es kommendes Schuljahr nur fünf Kinder in der Gemeinschaftsklasse sein. Eigentlich sollten es sieben sein. Doch eine Schülerin wurde Landerer zufolge zurückgestellt. Ein Erstklässler wurde nicht angenommen. „Die Begründung war, er hätte alleine keine Lerngemeinschaft.“

Dabei, so die Eltern, mache das gerade den Charakter einer Zwergschule aus. Die Kinder helfen sich gegenseitig, die Größeren unterstützen die Kleinen, und die Lehrerin kann aufgrund der kleinen Gruppe jeden Schüler individuell betreuen. „Sie hätte auch den Erstklässler aufgenommen. Es wäre alles kein Problem gewesen“, sagt Simone Gehring. Immer wieder schüttelt sie ungläubig den Kopf.

Und jetzt? „Jetzt haben wir die Wahl zwischen Pest und Cholera: Bad Hindelang oder Wertach“, sagt Besler. Aus seiner Sicht keine wirklichen Optionen. Entweder kurven die Kinder über den Jochpass, oder sie müssen mithilfe eines Gastschulantrags in die Nachbargemeinde, neun Kilometer entfernt und bislang ohne Schulbusverbindung.

Simone Gehring hat das mal durchgespielt. Um sechs Uhr in der Früh klingelt dann der Wecker. Während die Knirpse jetzt noch zu Fuß oder mit Roller und Fahrrad zur Schule kommen, steht dann eine lange Fahrt an. Bis sie daheim sind und Hausaufgaben erledigt haben, sei es locker 16 Uhr. „Nicht mal mancher Erwachsener hat so einen Arbeitstag. Und wenn die Kinder im Winter mit dem Lernen fertig sind, ist es schon dunkel. Von draußen spielen kann keine Rede mehr sein.“

Ähnliches Modell funktioniert in Jungholz

Dass es auch anders geht, zeigt ein Blick über die Grenze. Die österreichische Enklave Jungholz ist nur fünf Kilometer von Unterjoch entfernt. An diesem Tag sitzen hier in der Volksschule vier Buben an den kleinen Tischen über Arbeitsblätter gebeugt. Die Fünfte im Bunde ist krankgemeldet. Gerhard Steffan, Rektor und Lehrer in einem, sagt, er könne sich keine schönere Stelle vorstellen. Es gibt keine Schulglocke, keiner stört den Unterricht. Jeder Schüler meldet dem Lehrer auf Nachfrage: „Jawohl Chef, der Laden läuft.“ Dass ihr Lehrer mal kurz für ein Gespräch im Nebenraum verschwindet, löst keine Anarchie aus. In aller Stille arbeiten die Kinder weiter.

„Ja, ich schaue schon mit Sorge nach Unterjoch“, sagt Steffan. Nicht wegen ihm selbst, die Jungholzer Schule werde trotz der wenigen Kinder noch länger Bestand haben. Sie gehört zu Tirol, und in Österreich liegt die Untergrenze erst bei drei Schülern. „Aber wenn eine Schule in einem Dorf geschlossen wird, ist es, als ob man das Herz aus dem Körper reißt. Die Kinder bringen das Leben in den Ort.“

Für die Kinder aus Unterjoch wäre es theoretisch möglich, nach Jungholz zu gehen. Für die meisten Eltern wäre es sogar ein Herzenswunsch. „Die Möglichkeit besteht“, sagt Ministeriumssprecher Unger in München. Das Ganze könnte wohl ohne Schulgeld geregelt werden, nur müssten Gemeinde und Landkreis die Fahrtkosten übernehmen.

„Wir sind für alles offen“, sagt der Bürgermeister von Jungholz, Bernhard Eggel. Nur für Unterjoch sieht er keine Zukunft mehr: „Was einmal geschlossen ist, bleibt geschlossen.“

Diese Erfahrung hat auch Walter Grath gemacht, ehemaliger Bürgermeister von Oberstaufen. Die Gemeinde am anderen Ende des Oberallgäus hat vor knapp einem Jahrzehnt das erlebt, was Unterjoch gerade durchmacht. Zwei Dorfschulen wurden geschlossen. Beide waren Außenstellen der heutigen Grund- und Mittelschule Oberstaufen. „Die Schüler sind teilweise mit Skiern oder der Bergbahn von den umliegenden Alpen gekommen“, erzählt Grath.

Ratschläge geben oder gar belehren will er heute niemanden. Grath will nur so viel sagen: „Nicht alles an der Geschichte mit den Außenstellen war schlecht. Wir haben unseren Schulstandort in Oberstaufen sehr gestärkt.“ Dort sei beispielsweise die erste Schule im Allgäu, die eine EDV-Anlage für den Unterricht eingeführt hat. Grath glaubt nicht, dass die Eltern heute wieder eine kleine Außenstelle möchten. Das Leben im damals betroffenen Ortsteil Steibis gehe weiter wie bisher, auch ohne Schule. Die Kinder blieben in den Vereinen, die Dorfgemeinschaft sei intakt.

„Dank der CSU macht unsere Schule zu“

In Unterjoch allerdings sitzt der Schock noch tief. „Dank der CSU macht unsere Schule zu“, verkündet ein Plakat am Ortseingang. Den Glauben in die Partei haben die Dorfbewohner seit jenem 10. April verloren. Dem Tag, an dem im Bildungsausschuss die CSU-Fraktion für die Schließung der Zwergschule gestimmt hat. Nicht nur Paul Besler gab daraufhin sein Parteibuch ab. „Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Wie kann ich vor meinen Kindern jetzt noch rechtfertigen, dass ich einmal Mitglied der CSU war?“

Einen Hoffnungsschimmer allerdings gibt es noch. Sollten die Kinderzahlen steigen, kann die Schule wieder geöffnet werden – sofern Schulamt, Gemeinde und Rektor mitspielen, sagt Ministeriumssprecher Unger, und auch wenn dies pädagogisch nicht unbedingt sinnvoll wäre. Aber: „Man kann nicht alles mit der Brechstange erzwingen.“ Im Fall Unterjoch spielten auch andere Faktoren eine Rolle, die Unger mit „Tradition“ und „politische Atmosphäre“ beschreibt.

Zunächst geht es aber darum, mit Blick auf das kommende Schuljahr die beste Lösung zu finden. Die beste Lösung für die Grundschule. Für die Kinder. Für das Dorf. Wie die Geschichte ausgehen wird, ist unklar. Für Simone Gehring steht nur eines fest: „Wenn man gekämpft hat und verliert, ist es immer besser, als wenn man alles einfach hingenommen hätte.“

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