Mehr Staat, mehr Steuern: Wie Natascha Kohnen die SPD retten will
Die Bayern-SPD steckt im Tal der Tränen fest. Die als Landeschefin bestätigte Natascha Kohnen verordnet ihrer Partei nun einen deutlichen Linksruck.
Es steht nicht gut um die bayerische SPD. Die Lage ist ernst. So ernst, dass selbst der Partei-Altvordere Hans-Jochen Vogel das Bedürfnis hat, seinen Genossen auf dem Landesparteitag in Bad Windsheim Mut zuzusprechen – per Videobotschaft. Der 92-Jährige redet nicht drumrum, nennt das Landtagswahl-Debakel ein „schlimmes Wahlergebnis“, betont aber dann: „Das Wichtigste ist, dass ihr jetzt nicht den Mut verliert.“ „Stärke und Stolz und geht an die Arbeit“, ruft der einstige SPD-Vorsitzende seinen Parteifreunden zu – und mahnt: „Zerstreitet euch nicht über Schuldvorwürfe.“ Es brauche eine „gewisse Geschlossenheit“. Ein paar Stunden später tut ihm der Parteitag diesen Gefallen: Natascha Kohnen, seit dem historischen Absturz bei der Landtagswahl auf nur noch 9,7 Prozent zeitweise massiv unter Druck, wird für weitere zwei Jahre als Landesvorsitzende bestätigt.
Wie die SPD rauskommen könnte aus dem Tal der Tränen als zweitschwächste Kraft im Landtag, ist das große Thema des Parteitags. Zuvor schon hatte es dazu viele interne Debatten gegeben: Lag es am Wahlkampf? An den Moral-Plakaten in dunkelblauer Farbe? Nur eine Schulnote Vier gaben SPD-Wahlkämpfer der eigenen Kampagne in einer internen Online-Umfrage. Oder lag es an der Spitzenkandidatin Natascha Kohnen?
Gleich im Oktober hatte es Rücktrittsforderungen gegeben. Noch vergangene Woche beklagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post öffentlich inhaltliche Defizite bei Kohnen. Sie klebe nicht an ihrem Stuhl, hatte Kohnen ihren Kritikern stets entgegengehalten. Sie stehle sich aber auch nicht aus der Verantwortung.
Dem internen Gemecker zum Trotz fand sich niemand, der auf dem Parteitag gegen Kohnen antreten wollte. Auch in der mehrstündigen Aussprache gab es bestenfalls verdeckte Kritik an der Parteichefin – Kritiker wie Post blieben dort völlig stumm. Am Ende wurde Kohnen mit respektablen 79,3 Prozent im Amt bestätigt. Mit „politischer Vernunft“ erklärte etwa der Kohnen-Kritiker Florian von Brunn das Ergebnis. Nicht wenige Delegierte stimmten wohl in der Tat eher gegen fortgesetzte Selbstbeschäftigung als für die Vorsitzende Natascha Kohnen.
Die 51-Jährige macht sich über die Schwierigkeit ihrer Aufgabe keine Illusionen. Die Partei dürfe sich aber auch selbst nichts vormachen: „Hätten rote Wahlplakate die Wahlentscheidung verändert?“, fragte Kohnen in ihrer Rede – und gibt die Antwort selbst: Nicht der Wahlkampf, nicht die Themen, nicht die Kandidatin seien der Hauptgrund für den Absturz: „Die Menschen haben uns nicht mehr vertraut, dass wir ihre Probleme lösen.“ Mehr Mut, mehr Klarheit und „mehr Radikalität“ brauche die SPD, um aus dieser Vertrauenskrise zu kommen, glaubt sie: „Wir müssen lernen, dass wir es nicht allen Menschen recht machen können.“
Natascha Kohnen will die Bayern-SPD weiter nach links rücken
Ein spürbarer Linksruck ist es, was Kohnen ihrer Partei verordnen will: „Der Markt ist keine Naturgewalt“, sagt sie. Und: „Unsere Erzählung muss die eines starken Sozialstaates werden.“ Großkonzerne besteuern, Erbschaftssteuer rauf. Bildung, Pflege, öffentlicher Nahverkehr oder Wohnen „aus der privaten Rendite nehmen“, fordert sie. Nur ein starker Staat bekämpfe die Abstiegsangst im Mittelstand, stehe „gegen den obszönen Finanzkapitalismus“ einer unsolidarischen Elite.
Auch die Grünen greift Kohnen frontal an: Die Öko-Partei, die in den Städten der SPD den Rang als stärkste politische Kraft abzunehmen droht, sei eine „Schicki-Lacki“-Partei, die Umweltpolitik nur für die Reichen mache: „Die Grünen juckt die soziale Frage null Komma null“, schimpft sie. Kohnen greift aber auch die SPD-Genossen in Berlin an: „Ich bin mit der SPD im Bund immer noch nicht zufrieden“, sagt die stellvertretende Bundesvorsitzende. Ob Steuern, Wohnen oder Hartz-IV: zu viele Kompromisse, zu wenig Fokus auf die „kleinen Leute“, bemängelt sie.
Ob aber eine mit sich selbst ringende Neun-Prozent-Partei aus Bayern den großen Tanker SPD im Bund wirklich zum Umsteuern bringen kann? „Es wird eine verdammt harte Zeit, aber wir können das“, macht Kohnen den Bayern-Genossen Mut.“
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Solange die SPD bei der "Großen Koalition" mitmacht und Ihre Errungenschaften wie z. B. die paritätische Sozialversicherungsfinanzierung - die sie im Übrigen zusammen mit den Gründen selbst abgeschafft hat feiert, wird sie eher in der Bedeutungslosigkeit versinken. Wenn Millionen mit Mindestlohn nach jahrzehntelanger Arbeit als Grundsicherungsempfänger in Rente gehen und im Rahmen der EU Staaten wie Malta und Zypern gegen Geldzahlungen Staatsbürgerschaften "verkauft" werden und Steueroasen nicht bekämpft werden...... - wozu braucht es eine SPD? Als Mehrheits- und Pöstchenbeschaffer der CDU/CSU?