Missbrauch am Maristenkolleg: "Menschen kaputt gemacht"
Ein früherer Schüler des Maristenkollegs Mindelheim erinnert sich an die schlimmsten vier Jahre seines Lebens. "Sie haben dort Menschen kaputt gemacht", sagt er. Von Maximilian Czysz
Vermutlich würde er sich wegdrehen, wenn er ihm plötzlich im Supermarkt gegenüber steht. Die Rede ist von einem Erzieher des Mindelheimer Maristenkollegs, der sich vermutlich in den 1980er-Jahren an seinem damaligen Freund vergangen hat. "Ich kann es bis heute nicht fassen, was wirklich war", sagt der frühere Schüler aus dem Raum Krumbach.
"Wir waren doch viel zu jung, um zu wissen, was wirklich passiert. Vielleicht waren wir damals auch nicht aufgeklärt genug. Aber wir wussten: Irgendetwas passt nicht", erinnert sich der Mann. "Wir waren mit etwas konfrontiert, mit dem man nichts anfangen konnte. Aber wir fühlten, es war etwas Schmutziges."
Mehr Hass ist es wohl, was er für den früheren Internatsleiter und die Erzieherin empfindet. "Die gehören weggesperrt", sagt der Familienvater heute. "Die haben Menschen kaputt gemacht, bevor sie überhaupt Menschen waren." Ihr System habe aus Gewalt und Unterdrückung bestanden. "Man war wie kaserniert und wusste: Hier kommst Du nicht raus. Es war ein System, aus dem es kein Entrinnen gab."
Die einzige Freiheit waren die Heimfahrten am Wochenende und die eineinhalb Stunden Freigang einmal in der Woche. Wer Geld hatte, kaufte sich in Mindelheim zusätzlich Lebensmittel. Denn das Essen im Internat war mager: Morgens und zur Vesper gab es Brot, Marmelade und Milch aus Pulver. Mittags und abends sei gekocht worden.
Doch das reichte nicht aus. "Jeder hatte etwas gebunkert. Oft wurde es dann konfisziert." Die Leberkässemmel beim Bäcker in der Nähe, ein Kaba oder eine Cola - für die Buben eine heimliche Erfüllung.
Die Eltern mussten für das Internat tief in die Tasche greifen: 400 bis 600 Mark im Monat habe es gekostet, erinnert sich der frühere Schüler. Viele konnten sich das nur dank Bafög leisten. Die Schule genoss einen ausgezeichneten Ruf. "Die Eltern dachten damals, dass sie ihren Kindern etwas Gutes tun." Wohl ein Irrglauben.
"Man wurde ganz, ganz schnell hart. Einige sind untergegangen. Man musste ganz schnell auf eigenen Füßen stehen." Die Bezugspersonen entpuppten sich als "Drill-sergeants". Und die pädagogischen Fähigkeiten der Fratres "wage ich heute mehr als zu bezweifeln". Seine schulischen Leistungen gingen während der vier Jahre im Internat den Bach hinunter, weiß der Familienvater. "Ich war so froh, als es zu Ende war." Maximilian Czysz
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