Miteinander? Gegeneinander?
Gut einen Monat vor der Landtagswahl demonstrieren Seehofer und Söder Geschlossenheit und Optimismus. Doch hinter den Kulissen herrscht in der CSU Unsicherheit – und Wut
München Umfragen um die 36 Prozent, ein Wahlkampf gegen eine kaum greifbare AfD, ein Parteichef, der als Bundesinnenminister angezählt wird und ein Spitzenduo, welches rund einen Monat vor der Landtagswahl noch immer keinen gemeinsamen Draht gefunden hat: Für die über Jahrzehnte erfolgsverwöhnte CSU läuft es in Bayern alles andere als gut.
Darüber kann auch die demonstrative Geschlossenheit am Montag vor, während und nach der Sitzung des Parteivorstandes in München nicht hinwegtäuschen. Dabei sollte nach dem historischen Desaster bei der Bundestagswahl doch alles besser werden. Doch davon ist die CSU weit entfernt – und so bleiben nur Durchhalteparolen. „Es ist wichtig, dass jetzt jeder seinen Beitrag leistet“, sagt Ministerpräsident und CSU-Spitzenkandidat Markus Söder vor der Sitzung in die Kameras. Kurz zuvor hat er die jüngste Umfrage mit knapp 36 Prozent für die CSU verdauen müssen. Er spricht von einem Wind, der durch Deutschland gehe und auch in Bayern die Debatten dominiere. Sein Appell: Die CSU dürfe sich jetzt „nicht auf Debatten einlassen über Worte und Wortdeutungen“, jeglichem Handeln in den kommenden Wochen sei die Frage überzuordnen: Was nützt es Bayern? Während Söder dies sagt, ist CSU-Chef Horst Seehofer schon in der CSU-Zentrale verschwunden. Dabei dürfte der Appell (auch) für ihn gedacht sein. Denn mit seinen jüngsten Aussagen zu den Ereignissen in Chemnitz – darin sind sich viele im Vorstand einig – hat Seehofer der CSU im Wahlkampf keinen Gefallen getan: Weder sein Verständnis für die Demonstranten, noch seine Bekundung, ohne politisches Amt wäre er auch auf die Straße gegangen, stießen in der CSU auf Wohlwollen. „Seehofer zerstört doch alles“, bringt ein Vorstandsmitglied seine Wut auf den Punkt. Andere bemühen sich zwar um mehr Diplomatie, alle eint aber, dass sie öffentlich nichts sagen wollen. Denn in rund einem Monat wird in Bayern gewählt, ein öffentlich geführter Streit würde die ohnehin schlechte Lage der Partei noch weiter verschlimmern, so die Sorge.
Seehofer selbst sieht die Lage deutlich entspannter. „Ich halte nach wie vor für möglich, dass wir gut und stark abschneiden. Heutzutage ist bei Wahlen in jeder Woche vieles möglich, und wir haben noch fünf Wochen vor uns.“ Nach der Sitzung sagt er, dass er weiter auf die Verteidigung der Alleinregierung hoffe. Er selbst werde sich im Rahmen seiner Möglichkeiten in den Wahlkampf einbringen, „anlassbezogen“ auch gemeinsam mit Söder, da 50 Prozent der Wähler ihre Entscheidung erst auf der Zielgeraden fällen. „Und wenn wir da gemeinsam marschieren, was ja der Fall ist – ich habe den Eindruck, die Geschlossenheit und die Motivation in der CSU ist hoch – dann kann da schon noch einiges bewegt werden.“
Auch Alexander Dobrindt spricht von Geschlossenheit. „Jeder hat seinen Platz, entscheidend ist der Zusammenhalt. Das funktioniert“, sagt der Landesgruppenchef. Als Beispiel nennt Dobrindt Söders Einladung zur CSU-Bundestagsklausur vergangene Woche in Brandenburg: „Da haben wir gezeigt, wie eng wir zusammenarbeiten können.“ Zusammenhalt? Zusammenarbeit? Klingt gut, doch in der CSU in Bayern bleibt von dem Treffen der Landesgruppe bislang aber etwas anderes im Gedächtnis: Die fehlende Unterstützung auf das zeitgleich von der Staatsregierung in München vorgestellte Konzept zum schnelleren Abbau des Solidaritätszuschlags. Immerhin einer Forderung, die zuvor auch von Dobrindt zu hören war.
Offiziell sind all die Dissonanzen und Probleme aber kein Thema. Seehofer lobt in der Sitzung stattdessen Söders Einsatz und verspricht: „Wir stehen zusammen.“ Gegenüber der Presse geht er nach der Sitzung sogar noch weiter: „Wir kämpfen um den Sieg, nicht um eine Koalition.“ Bei Söder klingt das so: „Wir brauchen eine klare Linie.“ In der Sitzung bittet er nach Angaben von Teilnehmern die Partei um ein „Miteinander, nicht Gegeneinander“. Denn laut Söder geht es nicht darum, „im Sprint eine Wahl zu gewinnen, sondern um einen Marathon, um die Demokratie im Land zu erhalten“. Viele in der Partei sehen in der aktuellen Lage längst eine Parallele zum vergangenen Jahr. Sie fürchten, dass der am kommenden Wochenende in München anstehende Parteitag nur eine erneute Harmonie-Inszenierung ohne Substanz wird. Und: Längst geht in der CSU die Angst um, dass nicht die historische Bundestagswahlpleite 2017 eine Ausnahme war, sondern die Rückeroberung der absoluten Mehrheit 2013. Fünf Wochen vor der Wahl steht in der CSU daher nur eines fest: Abgerechnet wird erst nach dem 14. Oktober. Marco Hadem und Christoph Trost, dpa
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