Keim-Alarm: Seit 100 Tagen Duschverbot wegen Legionellen
Legionellen ohne Ende: Die Bewohner des Neu-Ulmer Donaucenters sind verunsichert. Seit drei Monaten dürfen sie ihre Duschen nicht mehr benutzen. Ein Bewohner hat Anzeige erstattet.
Seit drei Monaten ist das Donaucenter in Neu-Ulm mit Legionellen verunreinigt. Den Bewohnern reicht es. Friedrich Mayer-Reiter duscht weiter. Trotz des Verbots und der Warnung des Gesundheitsamts. Auch wenn es für ihn lebensbedrohlich ist, in seiner Wohnung im Donaucenter zu duschen. Der 60-jährige ehemalige Anwalt lebt im höchsten Gebäude Neu-Ulms. Eben jenes, über das vor exakt 100 Tagen ein Duschverbot verhängt wurde – wegen Legionellen.
Legionellen: Duschen in Neu-Ulmer Hochhaus seit 100 Tagen verboten
Erbaut wurde das Donaucenter 1974. Die Bewohner der oberen Stockwerke genießen eine exklusive Sicht auf das Ulmer Münster und die umliegenden Gebiete. Aber bereits von außen lässt sich leicht erkennen, dass der weiße Wohnkoloss seine besten Tage bereits hinter sich hat. An vielen Stellen bröckelt der Putz und auch innen ist der Glanz der Anfangszeit verblichen: In den fensterlosen Gängen staut sich die Wärme. Wasserflecken zieren die Wände. Beides hat seine Ursache in dem maroden Rohrsystem. Wie auch die Legionellen. Mayer-Reiter lebt seit zwei Jahren im elften Stock des Komplexes. Er fühlt sich von den Eigentümern hinters Licht geführt.
Bakterien werden über das Einatmen des Wasserdampfes aufgenommen
Das Gesundheitsamt Neu-Ulm sprach das Duschverbot Ende 2012 aus, als bei einer routinemäßigen Untersuchung durch die Hausverwaltung des Hochhauses festgestellt worden war, dass das Legionellenaufkommen 15 500 KBE (Kolonien bildende Einheiten) beträgt. Der Grenzwert liegt bei 100 KBE. Grund für das Verbot ist, dass die Bakterien bei einer Temperatur von 30 bis 45 Grad Celsius Kolonien bilden und über das Einatmen des Wasserdampfes, besonders beim Duschen, aufgenommen werden. Vor allem bei Menschen mit schwachem Immunsystem können sie so eine lebensbedrohliche Lungenentzündung auslösen. Da Legionellen fast ausschließlich durch Inhalation gefährlich werden, stellen sie im Trinkwasser keine Bedrohung dar.
Nicht alle Bewohner halten sich an das Verbot
Die verunsicherten Bewohner des Großhauses am bayerischen Donauufer gehen unterschiedlich mit dem Verbot um. Ein junger Student aus den oberen Stockwerken nutzt die Sanitäreinrichtung im Fitnesscenter, eine ältere Frau, die in einer der unteren Etagen wohnt, badet nur noch. Sanktionen haben sie nicht zu erwarten.
So lässt sich Friedrich Mayer-Reiter nicht beirren und duscht in den eigenen vier Wänden weiter. Denn: „Das geht noch bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag so“, befürchtet er. „Eine Lösung werden die nicht so schnell finden.“ Bis neue Erkenntnisse vorliegen, bleibt das Duschverbot erhalten, das bekräftigte Martin Küfer, leitender Medizinaldirektor, erst im Februar.
Anzeige wegen fahrlässiger versuchter Körperverletzung
Auf „Erkenntnisse“ wartete auch Mayer-Reiter. Doch weder die Hausverwaltung noch der Eigentümerbeirat haben bisher offiziell die Mieter informiert. Dass es überhaupt ein Problem mit den Bakterien gibt, erfuhr er aus dem Radio. „Morgens zum Frühstückskaffee“. Mayer-Reiter fühlt sich von den Wohnungseigentümern im Unklaren gelassen. „Alle haben sich in einen Mantel des Schweigens gehüllt.“
Ende Januar wurde es Mayer-Reiter dann schließlich zu viel. Er reichte Anzeige beim Landgericht Memmingen wegen fahrlässiger versuchter Körperverletzung ein – ein Vorgang, der laut Mayer-Reiter so erstmalig in Deutschland stattgefunden hat. „Ich will wissen, wer für das Problem zuständig ist“, rechtfertigt er seine ungewöhnliche Entscheidung. Durch die Anzeige hofft er, für ähnliche Fälle in der Zukunft einen Verantwortlichen zu haben. „Etwas muss getan werden. Die technischen Anlagen sind seit langem nicht mehr auf dem Stand der Technik.“ Dabei geht es ihm nicht darum, die Hausverwaltung oder die Eigentümer an den Pranger zu stellen. „Ich beneide die auch nicht um ihre Position. Aber ich will wissen, was geplant ist.“
Akutmaßnahmen zur Sanierung der Wasserleitung
Der Vorsitzende der Eigentümergemeinschaft, Jochen Sporhahn, fühlt sich allerdings angegriffen. Nach seinen Angaben sind Ende Februar Akutmaßnahmen zur Sanierung der Wasserleitung unternommen worden. Von der Anzeige hält er nichts. Die Vorwürfe seien unberechtigt.
Anfang dieser Woche bekamen die Mieter schließlich ein Schreiben, in dem eine chemische Reinigung angekündigt wird. Mit einer Wasserstoffchlorid-Spülung will die Hausverwaltung das Problem lösen. Mayer-Reiter ist davon nicht überzeugt. „Das hilft vielleicht kurzfristig.“ Er meint, dass die Bakterien in den maroden Rohren des Wassersystems immer wieder kommen werden. Ausziehen ist für ihn aber auch keine Lösung. „Ich will eh keine 100 Jahre alt werden. Aber ich will wissen, was gegen die Legionellen unternommen wird.“
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