
"Bayern" kann man jetzt sogar studieren - in Tschechien


Im tschechischen Pilsen gibt es – weltweit einmalig – den Masterstudiengang "Bayern“. Was Studenten im Studiengang erwartet und was das eigentlich bringt.
Bayern ist zweifelsohne etwas ganz Besonderes. Gesegnet mit einer unfassbar schönen Bergwelt, die kein anderes (zumindest deutsches) Bundesland aufweisen kann. Mit herrlichen Seen und Städten. Einer ausgezeichneten Küche, exzellentem Bier, tollen Weinen. Mit einer Fülle gut verständlicher Dialekte, praktischer Kleidungsstücke (Wadelwärmer) und faszinierenden Lichtgestalten in seiner Geschichte, die in weiser Voraussicht Schlösser bauten, um mehrere Generationen später Heerscharen von Asiaten anlocken zu können.
Da ist es eigentlich kein Wunder, dass man endlich Bayern in allen Facetten studieren kann. Als konzentrierten Masterstudiengang. Weltweit erstmalig. Wo? In der schönen Stadt Pilsen. Gar nicht weit entfernt vom Freistaat – im Nachbarland Tschechien. Wo es ja beileibe auch viel gutes Bier, eine tolle Küche und schöne Städte gibt – und man ebenfalls auf eine faszinierende Geschichte und Kultur schauen kann.
Josef Pavlikovsky ist einer von rund 20 Studierenden, die sich für den neuen Master „Bayern-Studien“ eingeschrieben haben. Der 23-Jährige kommt aus einem Dorf in der Nähe von Karlsbad, gut 50 Kilometer von der bayerischen Grenze entfernt. Und er ist sich absolut sicher, eine gute Wahl getroffen zu haben. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Bayern und Tschechien sind sehr eng. „Ich möchte mal im Bereich Tourismus arbeiten oder in einer bayerischen Firma, die vielleicht eine Filiale in Tschechien hat“, sagt der Student in sehr gutem Deutsch.

Was nicht verwundert. „Natürlich ist es nicht so, dass man den Masterstudiengang ohne Deutschkenntnisse beginnen könnte“, sagt denn auch Boris Blahak, der den Studiengang in Pilsen betreut. Der 49-Jährige ist übrigens, anders als sein Name vermuten lässt, kein Tscheche, sondern gebürtiger Regensburger, dessen Eltern Sudetendeutsche sind und der das Tschechische als junger Mann einfach als Fremdsprache erlernte. Das erforderliche Sprachniveau für den Studiengang wird mit einem Test nachgewiesen und lautet C1, was laut „Gemeinsamen Europäischem Referenzrahmen für Sprachen“ die zweithöchste Stufe ist.
Ein Schwerpunkt des Studiengangs "Bayern" ist Wirtschaftsdeutsch
Während Deutsche nur sehr selten Tschechisch sprechen, können laut Erhebungen „36 Prozent der Tschechen in irgendeiner Art und Weise Deutsch“, erläutert Blahak. Zwar sei in der Schule Englisch erste Fremdsprache, „aber Deutsch ist dort unangefochten auf Platz zwei, deutlich vor Französisch oder Russisch.“ Und es werde zunehmend wieder beliebter.
Ein großer Schwerpunkt des Masterstudiengangs ist Wirtschaftsdeutsch auf hohem Niveau – und dazu kommt die absolute linguistische Königsdisziplin: die Dialekte Bayerns. „Ich habe mich schon in meiner Bachelor-Arbeit damit beschäftigt“, erzählt Josef Pavlikovsky und seine Stimme verdüstert sich plötzlich um einige Nuancen. „Vor allem die Dialekte im Norden Bayerns fallen mir sehr schwer“, sagt er. Mit dem Münchnerischen hingegen komme er gut zurecht.
In der tschechischen Sprache finden sich durch die Nachbarschaft immer wieder Lehnwörter aus dem Bayerischen. Das sicherlich Einprägsamste lautet: Haisl. Das gibt es in der gleichen Bedeutung auch beim Nachbarn, wird allerdings dort „Hajzl“ geschrieben. Andere Beispiele: Ksicht (hat im Tschechischen dann aber die Bedeutung „Grimasse“) oder Ksindl. Die Studenten erfahren auch, dass man in Bayern „Grüß Gott“ statt „Guten Tag“ oder „Semmel“ statt „Brötchen“ sagt.

Das Erlernen der Dialekte hat laut Blahak auch einen klaren wirtschaftlichen Grund: „Bayern ist der wichtigste Wirtschaftspartner Tschechiens. Die bayerische Wirtschaft ist stark in Böhmen vertreten.“ Interessant ist auch: Tschechien exportiert mehr nach Bayern als umgekehrt, sagt Blahak. „Es werden händeringend Fachkräfte mit guten Deutschkenntnissen gesucht. Und in einem bayerischen Unternehmen ist es von Vorteil, wenn man den Dialekt, der in der Firma vorherrscht, versteht.“ So gehe es bei den Studierenden vor allem eben um das Verstehen der Dialekte (neben Bayerisch wird auch Fränkisch und das bayerische Schwäbisch vermittelt) – weniger darum, den Dialekt zu sprechen.
„Uns ist der Praxisbezug im Studium sehr wichtig“, erläutert Blahak weiter. So werden auch die Besonderheiten der bayerischen Küche und Geografie gelehrt, was gerade bei Jobs im Bereich Tourismus von Bedeutung sein kann. Weitere Aspekte sind das bayerische Rechtssystem sowie Kultur und Geschichte des Freistaates. Alle Studenten müssen ein Auslandssemester in Bayern verbringen. Zur Auswahl stehen momentan die Standorte Regensburg, Bayreuth und Augsburg. Der Studiengang existiert als Kooperation zwischen den Universitäten Pilsen und Regensburg – und wird als grenzüberschreitendes Projekt von der EU gefördert.
Studenten müssen ein Auslandssemester in Bayern verbringen
Dass es inzwischen einen solchen Masterstudiengang gibt, passt für Blahak auch insgesamt zur Atmosphäre, die zwischen Tschechen und Bayern beziehungsweise Deutschen herrscht. „Die Stimmung hat sich deutlich verbessert, was auch ein Nachhall des Staatsbesuches des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer ist. Noch vor 15 Jahren hätte man in Tschechien nicht über das Thema Vertreibung reden können.“ Das habe sich grundlegend geändert. „Die junge Generation sieht sich längst nicht mehr im Konflikt mit den Deutschen.“
Das bestätigt Josef Pavlikovsky: „Der Krieg ist doch schon lange vorbei, wir sollten in die Zukunft blicken.“ Er hat bereits ein Jahr im Rahmen des studentischen Austauschprogramms Erasmus der EU in Regensburg verbracht. „Ich finde die kulturellen Unterschiede zwischen Böhmen und Bayern ohnehin nicht so groß – wenn man mal von der Sprache absieht.“
Im Laufe des Masterstudiums will sich der Student noch einen Traum erfüllen: „Ich möchte mal den Bodensee sehen.“ Und auf dem Weg dahin will er sich Augsburg anschauen.
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