Neues Zuhause für 5700 Nasen
Ein Abschnitt der Iller wurde renaturiert. Jetzt sind dort Fische ausgesetzt worden. Warum dieser Schritt nötig war und wie es um den Zustand der bayerischen Gewässer steht
Kanalisiert, begradigt, eingeengt: Mit der Industrialisierung haben auch im Allgäu die meisten Flüsse und Bäche ihr ursprüngliches Gesicht verloren. Viele Gewässer schlängeln sich nicht mehr durch die Landschaft, sondern sind kanalartig vertieft. Kiesbänke wurden beseitigt, Dämme gebaut. Auf der Strecke geblieben ist die Artenvielfalt. Zum Beispiel die Nase, ein früher häufig vorkommender Schwarmfisch, ist heute vom Aussterben bedroht.
Am Donnerstag sind an der Iller bei Waltenhofen-Rauns südlich von Kempten 2000 Barben und 5700 Nasen ausgesetzt worden. Ein Teilstück des Flusses wurde hier unter Federführung des Kemptener Wasserwirtschaftsamtes renaturiert. Um die Ufer-Randbereiche aufzuweiten, mussten 26000 Kubikmeter Boden bewegt werden – das entspricht 2600 Lkw-Ladungen. Voraussetzung sei gewesen, dass die Behörde Grundstücke kaufen oder tauschen konnte, sagte Wasserwirtschaftsamts-Chef Karl Schindele.
Oliver Born, Schwabens Fischereifachberater, schilderte, wie es vor 200 Jahren gewesen sein muss. Alljährlich im Frühjahr machten sich Schwärme von Nasen auf den Weg flussaufwärts, um in Zuflüssen zu laichen. Heute komme die Nase in der Iller nur noch als „Reliktpopulation“ vor, schilderte Born. Mit der Renaturierung der Iller in diesem Bereich sei nun aber wieder eine Lebensgrundlage für die Fische geschaffen worden. Die Barben und Nasen, die jetzt ausgesetzt worden sind, stammen aus der Fischzucht Wielenbach des bayerischen Landesamtes für Umwelt. „Wir hoffen, dass die Fische sich natürlich fortpflanzen,“ sagte Born. Die 750000 Euro, die für die Strukturverbesserung des Gewässers ausgegeben wurden, seien gut angelegt, sagte der Unterallgäuer Landrat Hans-Joachim Weirather, der auch Präsident des Fischereiverbandes Schwaben ist. Weirather hofft, dass irgendwann einmal keine Fische mehr ausgesetzt werden müssen, weil die natürliche Reproduktion funktioniert. Sorgen bereiten den Fischern nach Angaben Weirathers Fressfeinde wie Kormoran und Gänsesäger.
Laut europäischer Wasserrahmenrichtlinie sollen die Mitgliedstaaten der EU alles tun, um Flüsse und Seen in einen guten ökologischen und chemischen Zustand zu versetzen. Oberflächenwasser werden in fünf Stufen bewertet – von der Note Eins („sehr gut“) bis Fünf („schlecht“). Für die Iller gibt es auf vielen Abschnitten die Note Drei, das bedeutet „mäßig“. Bewertet wird das gesamte Ökosystem Fluss, also auch die Uferbeschaffenheit. Nur 15 bis 20 Prozent der bayerischen Fließgewässer seien in einem guten Zustand, sagt Piet Linde, Biologe im Wasserwirtschaftsamt.
Nach wie vor ungeklärt ist die Ursache des Bachforellensterbens in der Iller, aber auch in anderen Donau-Zuflüssen aus dem alpinen Bereich. Alljährlich im Laufe des Sommers färben sich die Tiere dunkel und verenden dann. Merkwürdig ist, dass das Forellensterben in Flüssen, die von Norden in die Donau fließen, nicht zu beobachten ist. Betroffen ist aber beispielsweise auch die Isar. Forscher hatten im vergangenen Jahr ein Virus gefunden, das der Verursacher sein soll. Diese Theorie sei aber widerlegt worden, sagt Linde. Verschiedene Versuchsreihen hatte es unter anderem an der Iller bei Kempten gegeben.
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