
Vom Spanner zum mutmaßlichen Mörder


Das Gutachten über den mutmaßlichen Nora-Mörder ist eindeutig: Christian G. kann seine "abartigen sexuellen Neigungen" nicht kontrollieren, gilt deshalb als möglicher Wiederholungstäter. Aus einem Spanner ist ein Wäschefetischist und sogar ein mutmaßlicher Mörder geworden. Von Stefan Krog und Peter Richter
Von Stefan Krog und Peter Richter
Augsburg - Der Angeklagte im Mordfall Nora, Christian G., wird seine Haftstrafe voraussichtlich in der Psychiatrie verbringen und möglicherweise auf unbestimmte Zeit dort bleiben müssen. Laut Gutachten hat der Angeklagte "abartige sexuelle Neigungen".
Von ihm gehe weiterhin Gefahr aus, die eine mindestens acht- bis zehnjährige Therapie erforderlich macht. Danach wird es von einem weiteren Gutachten abhängen, ob er wieder auf freien Fuß kommt. Für Mittwoch wird das Urteil erwartet.
Landgerichtsarzt Richard Gruber kam gestern in seinem psychiatrischen Gutachten vor dem Augsburger Landgericht zum Schluss, dass der zur Tatzeit 17-jährige Maurerlehrling Christian G. aufgrund seiner sexuellen Neigungen nur vermindert schuldfähig ist.
Christian G. muss sich wegen Mordes und Vergewaltigung an Nora (18) verantworten. Laut Anklage hat er die junge Frau im Dezember 2007 nachts in Augsburg überfallen, mit Stiefeln gegen den Kopf getreten, vergewaltigt und erwürgt. Die junge Frau war offenbar ein Zufallsopfer. Christian G. hat die Vorwürfe eingeräumt.
Vom Spanner zum mutmaßlichen Mörder
In dem Gutachten, das gestern im nicht-öffentlichen Prozess erstattet wurde, heißt es, dass vermutlich eine langjährige Therapie für Christian G. nötig wäre. Ohne eine Unterbringung drohe eine erhebliche Gefahr, dass sich eine ähnliche Tat nochmal ereignet. Christian G. ist laut Gutachten durchschnittlich intelligent und könne die Verwerflichkeit der Tat einsehen, seine sexuellen Begierden aber nicht steuern. Es sei eine Steigerung beim Angeklagten zu beobachten gewesen: Vom Gelegenheitsspanner zum Wäschefetischisten, der in fremde Wohnungen einbrach, bis hin zum mutmaßlichen Vergewaltiger und Mörder. Zudem hätten Tests ergeben, dass beim Angeklagten ein hohes Aggressionspotenzial vorhanden sei, so Landgerichtssprecher Karl-Heinz Haeusler. Weiterhin sei Christan G. offenbar bereit, erhebliche Verletzungen von anderen in Kauf zu nehmen, um eigene Ziele zu erreichen.
Gestern äußerte sich Christian G. auch erstmals persönlich im Gerichtssaal zu seinem Werdegang. Zum Prozessbeginn hatte es lediglich eine Erklärung seiner Verteidiger gegeben, dass er die Vorwürfe einräume.
Gestern kam unter anderem kam zur Sprache, dass Christian G. sich in der Schule als Außenseiter betrachtete. Er habe viel mit seinem Stiefvater unternommen und erst spät einen Freundeskreis aufgebaut. Auch seine Kontakte zur rechten Szene waren ein Thema. Christian G. soll sich von der Musik und der Kameradschaft angezogen gefühlt haben, weniger von politischen Inhalten. Ein Zusammenhang mit der Tat gilt als unwahrscheinlich.
Dass Christian G. schuldig gesprochen wird, kann als sicher gelten. Im Fall einer Unterbringung käme eine Entlassung nur in Frage, falls man in der Klinik zum Ergebnis käme, dass keine Gefahr mehr von ihm ausgeht. Grundsätzlich kann das Gericht bei verminderter Schuldfähigkeit eine Haftstrafe und anschließend eine Einweisung in eine geschlossene Anstalt zur Behandlung anordnen. Wenn absehbar ist, dass die Therapie sehr lange dauern wird, kann der Verurteilte sofort untergebracht werden.
Die Anwälte von Noras Eltern und Geschwistern, die als Nebenkläger auftreten und auch gestern die Verhandlung verfolgten, äußerten sich zufrieden. Ihr Ziel ist eine Einweisung in die Psychiatrie.
Die Entscheidung darüber liegt beim Gericht. Morgen sollen die Plädoyers gehalten werden, auch ein Urteil gilt als wahrscheinlich.
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