"Oh happy day" statt Choral: Evangelische Kirche engagiert Gospelreferenten
Gospelmusik wird in Deutschland immer beliebter - gerade bei jungen Leuten. Die evangelische Kirche in Bayern hat daher seit Mai den bundesweit ersten Gospel-Referenten.
Auch in Bayern wird Gospelmusik immer häufiger im Gottesdienst gespielt. Rund 300 Gospelchöre zählt der Verband für christliche Popularmusik im Freistaat inzwischen. Gerade bei jungen Leuten kommt die rhythmische und emotionale Musik gut an.
Gospelreferent soll Gruppen in Bayern vernetzen
Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern hat daher nun den bundesweit ersten kirchlichen Gospelreferenten engagiert. Der studierte Kirchenmusiker Michael Martin aus Nürnberg soll Chöre unterrichten sowie Leiter von Gospelchören ausbilden. Ein weiteres Ziel: Die zahlreichen Gruppen im Freistaat zusammenbringen und vernetzen.
"In den 1970er-Jahren war die Skepsis gegenüber Gospel-Musik natürlich noch groß", erzählt Martin, der sich schon seit 17 Jahren mit dieser Musik beschäftigt. "Die Leute wollten kein Schlagzeug oder einen Verstärker in der Kirche, sie wollten ihren Bach hören." Als "Negermusik" sei Gospel verunglimpft worden. "Doch das haben wir überwunden. Heute sehen viele die Musik als Chance, um neue Leute anzusprechen", sagt der 45-Jährige, der das Amt seit Anfang Mai hat.
Gerade junge Menschen könnten mit traditioneller Kirchenmusik aus dem 16. Jahrhundert nicht viel anfangen. "Das ist denen zu wenig rhythmisch, das spricht sie nicht an." Der Altersdurchschnitt in einem traditionellen Kirchenchor liege bei etwa 60 Jahren. "Und diese Chöre haben mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen." Die Sänger in den meisten Gospelchören dagegen seien zwischen 25 und 55 Jahren alt. Martin betont jedoch: "Gospel ist kein Ersatz oder die Rettung, sondern eine Erweiterung des Spektrums."
Mit Gospelmusik junge Leute in die Kirche locken
Auch Johannes Minkus von der evangelischen Landeskirche sagt: "Gospel ist total beliebt in den Gemeinden. Viele Leute nehmen inzwischen etwa bei Trauungen oder Taufen richtig Geld in die Hand, um einen professionellen Chor zu engagieren. Die Menschen finden diese Musik einfach toll, weil sie emotional ist."
Martin sagt: Gospel geht in den Bauch, die traditionelle Kirchenmusik spricht dagegen eher den Kopf an. Die Kirche erhofft sich durch die Stärkung des Gospels auch, mehr junge Menschen in die Gotteshäuser und Gemeinden zu locken. Michael Martins Erfahrung bestätigt das: "Man zieht damit Leute an, die man anders nicht erreicht. Und einige engagieren sich dann auch in der Gemeinde."
Für seine halbe Stelle beim Popularmusikverband stellt die Landeskirche im Jahr 30 000 Euro zu Verfügung. "Die Stelle ist eine Etablierung des Ganzen. Auch wenn es 20 Jahre gedauert hat", sagt der neue Gospel-Referent schmunzelnd. Mindestens so lange gebe es nämlich schon viele Gospel-Chöre in Bayern. Martin schätzt, dass etwa 4500 bis 5000 Menschen im Freistaat in solchen Gruppen singen. Nach Schätzungen der Stiftung Creative Kirche haben deutschlandweit mehr als 3000 Chöre Spirituals oder Gospels in ihrem Repertoire - mit steigender Tendenz.
Das Wort Gospel ist abgeleitet vom englischen "good spell" und bedeutet so viel wie "gute Nachricht". Gemeint ist das Evangelium. So sei das bekannte "Oh happy day" ein Karfreitagslied, sagt Martin: "Es ist ein guter Tag, denn Jesus ist für uns gestorben und daher geht es uns gut." Ihren Ursprung hat die Gospelmusik in den Spirituals der schwarzen Sklaven im Amerika des 19. Jahrhunderts. Parallel zum Blues und Jazz entstand später daraus moderne christliche Musik in den USA. Über Skandinavien gelangte diese in den 1970er-Jahren nach Europa.
Viele Gospelstücke müssen erst angepasst werden
"In Amerika ist die Art zu singen natürlich eine ganz andere als bei uns", sagt Martin. "Seinen Glauben auszudrücken, kommt dort mehr aus dem Bauch." In Europa würden amerikanische Gospel-Stücke daher meist angepasst oder auch ganz neue komponiert. Der 45-Jährige sagt: "Eine schwarze Gospel-Mama hat einfach eine andere Röhre."
2001 gründete Martin in Nürnberg den Gospelchor "Reaching heaven". Mit diesem hat er bereits vier CDs veröffentlicht. Außerdem leitet er einen kleinen Musikverlag, gibt Musikunterricht an einem Gymnasium und ist ansonsten freiberuflich tätig. Wenn der verheiratete Vater von drei Kindern einmal nicht in Sachen Gospel unterwegs ist, steht er mit seinem Nachwuchs auf dem Fußballplatz, liest oder hört ganz andere Musik - und zwar so ziemlich alles von Klassik bis Hardrock. dpa/lby
Die Diskussion ist geschlossen.