Nichts geht mehr
Den Start in die Sommerferien hatten sich tausende Menschen, die am Münchner Flughafen festsaßen, anders vorgestellt. Wie eine Frau ihnen allen den Urlaub vermieste und wie Reisende den Ausnahmezustand erlebt haben
Eigentlich sollten sie schon längst im klimatisierten Flugzeug sein. Und auf dem Weg in die Karibik. Stattdessen sitzt der 13-jährige Timo auf einem Rollkoffer und die neunjährige Annika auf dem Boden der überhitzten Abflughalle von Terminal 2 des Flughafens München. Mit ihren Eltern sollte es am Samstagmorgen in die Dominikanische Republik gehen – die Sommerferien haben gerade begonnen. Doch die Nerven liegen blank. „Wir haben null Infos. Wir stehen hier seit zwei Stunden und wissen nichts“, sagt die Mutter der Kinder. Wie der Familie geht es tausenden Fluggästen, die auf dem Weg in den Urlaub sind.
Der Grund: Eine zunächst unbekannte Frau gelangt am Morgen in einen Sicherheitsbereich, ohne kontrolliert worden zu sein. Die Konsequenz: Die Polizei räumt das Terminal 2 und das damit verbundene sogenannte Satelliten-Terminal. Inzwischen ist die Frau identifiziert. Bei ihr handelt es sich nach Angaben der Regierung von Oberbayern um eine etwa 40-Jährige, die laut Bundespolizei nicht festgenommen wurde und erst einmal auf freiem Fuß blieb. Ob sie mit ihrer Aktion an der Sicherheitsschleuse einen Fehler gemacht hat oder ob das Sicherheitspersonal etwas nicht bemerkte, ist unklar. Die Behörden wollen den Fall aufklären. Schließlich dürfte der Schaden in die Millionen gehen.
In Lautsprecherdurchsagen am Flughafen ist am Samstag nur die Rede von einem Polizeieinsatz. Unsicherheit macht sich unter den tausenden Reisenden breit, die eigentlich an diesem ersten Ferientag in den Urlaub fliegen wollen. Das Internet sei am frühen Morgen überlastet gewesen, an Informationen sei man nicht gekommen, erzählt Stefanie Fach, die, wie so viele andere Menschen auch, am Airport festsitzt. „Wir wussten nichts. Die erste Durchsage kam erst spät und man hat sie nicht genau verstanden.“ Die Mitarbeiter an der Gepäckausgabe hätten sie dann beruhigt. Stunden später herrscht immer noch absolute Ungewissheit.
Die Menschen stehen, sitzen und liegen am Mittag im Check-in-Bereich. Kaum einer weiß, wie es weitergeht. Per Lautsprecherdurchsage werden sie aufgerufen, Ruhe zu bewahren. Es ist heiß. Viele fächern sich mit ihren Flugtickets Luft ins Gesicht. Etwa 30 Menschen müssen wegen Kreislaufproblemen behandelt werden. Manch einer verliert in dem Chaos auch die Nerven. Eine erboste Frau geht einen Flughafenmitarbeiter an: „Wo ist das Problem? Wo ist das Problem?“ Seine Antwort: „Weiß nicht.“
Noel dagegen gibt sich entspannter. Der 20-Jährige will eigentlich nach Spanien fliegen, um mit seinen Kumpels Party zu machen. Daraus wird erst einmal nichts. Mit Sonnenbrille auf dem Gesicht liegt er auf den Fliesen der Halle und versucht, sich zu entspannen. Anthony Michaels-Moore will mit Frau und seinen zwei Kindern eigentlich ins amerikanische Albuquerque fliegen. „Wir wissen nicht, was los ist. Informationen kommen viel zu spät“, sagt der 61-Jährige. Dann hallen konkretere Durchsagen durch das Terminal: Die Polizei habe den Sicherheitsbereich der beiden Abflughallen wieder freigegeben. Nicht mehr lange, dann sollen auch wieder Flugzeuge vom Terminal 2 abheben. Doch bis die vielen tausend Fluggäste wieder durch den Sicherheits-Check sind, dauert es. Sicherheitsmitarbeiter drängen sich durch die Menge in der Wartehalle und verteilen Wasser. Mit Großlüftern leitet die Flughafenfeuerwehr frische Luft in die Halle.
Ein Sprecher des Flughafens zieht am Sonntag eine vorläufige Bilanz: etwa 330 Flüge sind ausgefallen, rund 450 um eine halbe Stunde oder länger verspätet. Auch der Flug von Familie Fach nach Irland wurde gestrichen. Wann es wie, wo weitergeht – davon haben sie am Samstagnachmittag noch keine Ahnung. Die Großeltern kommen zum Flughafen und kümmern sich um die Kinder. „Am Ende müssen sie uns wieder mit heim nehmen“, sagt Stefanie Fach enttäuscht. Den Ferienstart hat sie sich anders vorgestellt. Linda Vogt und Matthias Balk, dpa
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