
"Sprachrohr der Partei": Der Bayernkurier wird eingestellt


Das 1950 gegründete Parteiblatt der CSU spaltete von Anfang an. Mal spottete man über den Bayernkurier, mal achtete man das Blatt. Nun wird es eingestellt.
Für CSU-Übervater Franz Josef Strauß war er ein "geistiger Leuchtturm" und ein "Sprachrohr der Partei", für die Linksliberalen ein "Kampfblatt" und eine Art "CSU-Prawda". Jetzt geht der Bayernkurier den Weg, der in einer sich digitalisierenden Welt vielen auf Papier gedruckten Zeitschriften droht. Das einst wöchentlich erscheinende Parteiblatt der CSU, das auch durch die Umwandlung in ein modernes, monatlich erscheinendes Magazin für politische Kultur (später: Magazin für politische Orientierung) nicht zu retten war, wird endgültig eingestellt.
In der CSU sorgt das Ende zwar nicht unbedingt für Trauer, bei den Älteren aber doch für etwas Wehmut. "Es ist schade. Der Bayernkurier hatte seine ganz großen Zeiten, aber die Zeiten haben sich geändert", sagt etwa der frühere Parteichef Theo Waigel. Wirklich tragisch nimmt er das Ende des Blattes aber offenbar nicht. Das hat, wie Waigel sagt, ganz praktische persönliche Gründe: "Jetzt komme ich wenigstens nicht mehr in Versuchung, einen Beitrag als Ehrenvorsitzender ablehnen zu müssen."
Über den Bayernkurier wurde immer schon gespottet
So war das von Anfang an. Neben Anerkennung musste der 1950 gegründete Bayernkurier immer schon Spott ertragen – auch aus den eigenen Reihen. Der ehemalige bayerische Ministerpräsident Hans Ehard (CSU) zum Beispiel lästerte bei einer Landesausschusssitzung der CSU im Jahr 1954, mit dem Bayernkurier ließe sich "kein Hund vom Ofen locken". Vier Jahre zuvor hatte Ehard dem Parteiblatt noch schriftlich und hochoffiziell die Aufgabe zugewiesen, "in der politischen Auseinandersetzung der Stimme der Vernunft und der Nüchternheit Gehör zu verschaffen."
Derlei Doppeldeutigkeiten setzten sich bis in die Zeit des Parteivorsitzenden Horst Seehofer fort. Als er 2014 den scheidenden Chefredakteur Peter Hausmann verabschiedete, schwärmte er über dessen spitze Feder und messerscharfen Verstand: "Seine Artikel und Kommentare zu lesen, war stets ein Gewinn." Einige Zeit zuvor aber verriet Seehofer vor Medienschaffenden in der Oberpfalz, dass Zeitungen für ihn im Wesentlichen Bettlektüre seien, und lästerte: "Über die Süddeutsche Zeitung ärgere ich mich, beim Münchner Merkur lache ich, beim Bayernkurier schlafe ich ein."
CSU-Parteiblatt: Die Versuche, den Bayernkurier zu retten, waren nicht erfolgreich
Die großen Zeiten des Bayernkurier lagen da freilich schon lange zurück. Sie sind untrennbar mit dem langjährigen CSU-Chef Franz Josef Strauß und seinem Alter Ego Wilfried Scharnagl verknüpft. 24 Jahre lang (bis 2001) war Scharnagl Chefredakteur. Strauß sagte über ihn: "Scharnagl schreibt, was ich denke, und ich denke, was er schreibt." Und darauf kam es in den wild bewegten Zeiten an, als erst über die neue Ostpolitik der sozialliberalen Bundesregierung gestritten wurde und danach die Machtkämpfe zwischen Strauß und CDU-Chef und Bundeskanzler Helmut Kohl die politische Bühne beherrschten. "Da haben alle jeden Donnerstag auf den neuen Bayernkurier gewartet, um zu sehen, ob der Scharnagl wieder gegen den Kohl geschossen hat", erinnert sich Peter Schmalz, Scharnagls Nachfolger als Chefredakteur.
Danach änderten sich die Zeiten. Die Versuche, den Bayernkurier zu retten, - erst unter Parteichef Edmund Stoiber und CSU-Generalsekretär Thomas Goppel, dann unter Seehofer und Generalsekretär Andreas Scheuer - waren dauerhaft nicht erfolgreich. Hohe Vertriebskosten und eine veränderte Medienlandschaft machten dem Blatt mit seinen wenigen, engagiert arbeitenden Redakteuren den Garaus. Ein letzter Höhepunkt war das Sonderheft zu 100 Jahre Franz Josef Strauß im Jahr 2015 mit namhaften Autoren wie Shimon Peres, Josef Ratzinger und Michail Gorbatschow.
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Die Diskussion ist geschlossen.
... erneuter Beleg dafür, dass nichts so beständig ist wie der Wandel.
Gut nur, dass Wilfried Scharnagl nicht mehr miterleben musste, wie "sein" Bayernkurier endgültig eingestellt wird.
Das Ende des "Magazins für politische Orientierung" kommt aber nicht überraschend, gibt es heute doch scheinbar immer weniger Menschen, die sich politisch orientieren wollen.
Was bleibt, sind Wehmut - auch über das Ende einer Zeit, in der sogenannte soziale Medien die Meinungsbildung noch nicht prägten -
und ein