Pläne für 150-Meter-Türme: Strebt München wieder in die Höhe?
Seit 15 Jahren dürfen in München keine Hochhäuser gebaut werden, die höher als 100 Meter sind. Nun sind zwei neue Türme geplant, die diese Grenze überschreiten.
Wer schon mal mit dem ICE von Augsburg nach München gefahren ist, der kennt den Ausblick aus dem Fenster, wenn der Zug in den Westen der Stadt einfährt. Auf Höhe der S-Bahn-Station Hirschgarten im Stadtteil Neuhausen-Nymphenburgziehtdie denkmalgeschützte Paketposthalle vorbei. Das bogenförmige Dach des in den 60er-Jahren erbauten Gebäudes mit der schwungvollen Bogenkonstruktion ist prägnant für das Münchner Stadtbild. Die Frage aber ist: Wie lange noch?
Viele Jahre galt das Bauwerk mit einer Spannweite von knapp 150 Metern und einer Länge von 124 Metern als weltweit größte freitragende Betonfertigbauhalle. Jetzt könnte diese – im wörtlichen Sinne – in den Schatten gestellt werden. Denn auf dem gesamten Areal um die Paketposthalle – insgesamt ist es 87.000 Quadratmeter groß – sollen zwei 155 Meter hohe Hochhäuser gebaut werden.
Der Münchner Investor, die Büschl Unternehmensgruppe, und das Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron – unter anderem bekannt für die Allianz-Arena und die Elbphilharmonie – wollen das Gelände komplett umgestalten. Die rund 18.000 Quadratmeter große Halle soll entkernt und saniert und der Öffentlichkeit für Kunst-, Kultur- und Sportveranstaltungen zur Verfügung gestellt werden. Drumherum sollen sieben sogenannte Höfe mit Innengärten gebaut werden, in denen Wohnungen entstehen. Und daneben die beiden 155 Meter hohen Türme. Das gesamte Areal soll Raum bieten für Wohnen, Arbeiten, Einkauf und Gastronomie, aber auch für soziale Einrichtungen, zum Beispiel für eine Kita und ein Seniorenheim.
Knappe Mehrheit bei Bürgerentscheid für Hochhäuser in München
Für München wäre das eine Neuheit, denn seit 2004 wurde kein Hochhaus mehr gebaut, das höher als 100 Meter ist. Vor 15 Jahren gründete sich die Anti-Hochhaus Initiative „Unser München“, an ihrer Spitze stand der ehemalige SPD-Oberbürgermeister Georg Kronawitter. Die Initiative setzte einen Bürgerentscheid unter den Münchnern durch, mit dem Ergebnis: 50,8 Prozent stimmten für eine Obergrenze von 100 Metern für Gebäude – nichts sollte also höher sein als die beiden Türme der Frauenkirche.
Der damalige SPD-Oberbürgermeister Christian Ude versprach damals, den Bürgerentscheid, der formell nur für ein Jahr gesetzlich binden ist, auch über diese Frist hinaus zu respektieren. Er sagte: „Wenn so ein Bürgerentscheid vorliegt, sollte er auch nur durch einen Bürgerentscheid wieder aufgehoben werden.“
Seitdem sind 15 Jahre vergangen und mittlerweile können sich wieder mehr Menschen in München vorstellen, Hochhäuser in der Stadt zu bauen. Das ist zumindest das Ergebnis einer Studie des Regionalinstituts für Marktforschung in München Anfang 2019. Dessen Umfragen haben ergeben, dass vor allem für die Hochhäuser außerhalb des Mittleren Rings die Zustimmung in der Bevölkerung ansteigt. Insgesamt sinkt der Anteil der Gegner von Hochhäusern in München – allerdings werden potenzielle Hochhäuser innerhalb des Mittleren Rings in München weiterhin eher kritisch gesehen.
Droht an der Paketposthalle in München ein Verkehrschaos?
Unter den Stadtratsfraktionen ist man sich uneinig, ob die Räte das Bauvorhaben gut oder schlecht finden. CSU und die Ausschussgemeinschaft ödp und Die Linke stehen dem Vorhaben kritisch gegenüber. Johann Sauerer von der CSU sagt: „Die beiden Hochpunkte stören die wichtige Sichtachse vom Münchner Westen in Richtung Innenstadt.“ Tobias Ruff von der ödp ergänzt: „Wir möchten nicht, dass München zur Allerweltsstadt wird. Wir können auf das Panorama mit Frauenkirche und Zugspitze stolz sein.“
SPD, Grüne - rosa Liste, FDP und Bayernpartei finden die geplanten Hochhäuser gut. Anna Hanusch von den Grünen und selbst Architektin sagt: „Ich finde es positiv, dass die alte Halle wiederbelebt und mit dem gesamten Stadtteil verknüpft wird.“ Auch Johann Altmann von der Bayernpartei findet den Entwurf „einen Hingucker“. Heide Rieke von der SPD ergänzt: „Die 100-Meter-Grenze ist viel zu plakativ.“ In einem Punkt sind sich alle Stadtratsfraktionen einig: das Verkehrsproblem. Sollte das Bauvorhaben an der Paketposthalle umgesetzt werden, darf an dem Areal kein Verkehrschaos entstehen. Michael Mattar von der FDP: „Es braucht dort ein Mobilitätskonzept, damit der Individualverkehr nicht zunimmt und der ÖPNV gut angeschlossen wird. Dann könnte das ein echter Gewinn für die Stadt werden.“
Wie es letztlich mit den beiden Türmen an der Paketposthalle weitergeht, wird sich Ende des Jahres zeigen. Dann wird sich der Münchner Stadtrat genauer mit den Plänen beschäftigen und entscheiden, wie viele Geschosse, Wohnungen und Arbeitsplätze dort entstehen sollen.
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Der Entwurf kann als durchaus gelungen bewertet werden. Er beinhaltet Wohnungen in den oberen Etagen der Türme und zusätzlich 7 Wohnblocks im gesamten Quartier. Diese werden dringend gebraucht werden. Die Paketposthalle selbst wird endlich belebt und für die Bürger der Stadt zugänglich gemacht. Die Gestalt der Türme selbst nehmen den Bogen der Paketposthalle auf und ergänzen so deren Gestalt. Die Höhe würde ich als moderat bezeichnen. Mit 155 Metern knackt man gerade so die Grenze, um die beiden Türme auch als Wolkenkratzer bezeichnen zu dürfen. Das ist an jener Stelle absolut vertretbar, da die - bereits fertiggestellten Hochhäuser der "Friends Towers" und des "Kap West", diesen Bereich schon entsprechend geprägt haben. An alter Baustruktur gibt es in diesem Bereich einzig die Paketposthalle selbst. Die Präsenz der Türme ist nicht zu leugnen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass sie die Halle ergänzen und nicht erdrücken.
Die Diskussion um die Sichtachsen an dieser Stelle macht auf mich einen realitätsfernen Eindruck. Weder bot die Friedenheimerbrücke, noch ein anderes Bauwerk, bzw. ein Hochpunkt die Möglichkeit dem Bürger einen besonders "lauschigen" Blick auf die Innenstadt zu werfen. Auch wüsste ich nicht wer nun nicht mehr auf die Alpen blicken könnte, zuvor aber noch dazu in der Lage war? Das erscheint mir in diesem Zusammenhang wie ein Phantomschmerz auf den möglicherweise ein paar Wutbürger entsprechend anspringen dürften. Ich befürchte eher dass ein paar Liebhaber der Nymphenburger Schlosses hier punkten könnten. So ist davon auszugehen dass, vom Rondell aus gesehen, der obere Teil der Türme über den Wipfeln der Bäume zu sehen sein dürfte. Wir sprechen hier von einem Abstand von ca. 2 km zwischen beiden Bauwerken! In meinen Augen vernachlässigbar. Es kann kein architektonisches Diktat von einem Schloss ausgehen, was für die Fläche einer gesamten Großstadt gültig ist.
Der Erschließung des Quartiers soll ganz klar besondere Aufmerksamkeit zukommen. Das sehe ich auch so! Nur bin ich in dieser Debatte sehr entspannt. Zum einen fahren bislang alle (!) S-Bahnen der Stadt den Bahnhof Hirschgarten - welcher sich ganz in der Nähe befindet - an. Zum anderen wird mit dem voranschreitenden Ausbau der Stammstrecke dieser Umstand sogar nachhaltig begünstigt. Darüberhinaus fahren nördlich des Areals bisweilen drei Trambahnlinien. Zum anderen wird das Gebiet von zwei Straßen umspannt - Wilhelm-Hale- und Arnulfstraße - welche jeweils zweispurig ausgebaut sind. Auch Fuß- und Radwege sind im Vergleich zu anderen, innenstädtischen Bereichen großzügig ausgebaut. Es wird sich also eine Lösung finden lassen - hoffentlich eine Fortschrittliche!
Kritikpunkte sind für mich eher: Die zu erwartenden Mietpreise für die entstehenden Wohnungen. Hier könnte die Stadt ihrer Verantwortung gerecht werden und Förderungen in Aussicht stellen. Zudem ist das Rendering des Entwurfs sehr unrealistisch was die Glasfassade anbelangt. Der tatsächlich Eindruck wird wohl ein anderer sein. Ausserdem hätte die Gestaltung der Wohnblocks durchaus kreativer ausfallen können...das scheint die Phantasie ausgegangen zu sein.