"Primadonna" Seehofer bleibt - und die Probleme bleiben mit ihm
München (dpa) - Erst kurz nach 19.00 Uhr war das politische Schicksal von Horst Seehofer geklärt - zumindest vorerst. Nach einem intensiven zweistündigen Vier-Augen-Gespräch zwischen CSU-Chef Edmund Stoiber und Seehofer und einem Telefonat zwischen dem bayerischen Ministerpräsidenten und der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel verkündete die CSU am Donnerstagabend: Seehofer bleibt im Großen und Ganzen, was er ist - Parteivize in München und stellvertretender Fraktionschef in Berlin. Einzig die Gesundheitspolitik soll der 55-Jährige in der Bundestagsfraktion nach seiner massiven Kritik am Gesundheitskompromiss zwischen CDU und CSU "nicht mehr federführend" vertreten.
18 Stunden vor Beginn ihres Parteitags in München vermied die CSU damit den innerparteilichen "Super-Gau", wie ein führender CSU-Mann sagte. Eine Entmachtung Seehofers hätte die Partei in eine offene Zerreißprobe getrieben. Zwar hatte der CSU-Vorstand am Montag in Abwesenheit von Seehofer den Kompromiss gebilligt. Aber vor allem der Arbeitnehmerflügel hatte sich zu Seehofer und seinem Nein zum Gesundheitskompromiss bekannt.
Seehofer pokerte hoch und hat wieder einmal gewonnen. "Das war eine taktische Meisterleistung von Seehofer", sagt ein anderes hochrangiges CSU-Mitglied abschätzig. Seehofer sei nur noch in seinen Ämtern, weil der Parteitag so kurz vor der Tür stand. Das habe er bei seiner Hängepartie, die seine Rücktrittsdrohung zu Wochenbeginn ausgelöst hatte, genau einkalkuliert.
Die Regelung, die nun gefunden wurde, löst nach verbreiteter Einschätzung führender CSU-Leute "aber kein Problem". Seehofer hat sich zwar verpflichtet, nicht mehr öffentlich gegen den Gesundheitskompromiss zu wettern. Das braucht er aber auch gar nicht, weil nun die Nation ja seine Meinung kennt. Seehofer war der Kritiker des Modells und er wird es bleiben, auch wenn er nun nichts mehr dazu sagt.
Wie nun insbesondere die Fraktion mit Seehofer weiter arbeiten soll, konnte sich Stunden nach Bekanntgabe der Entscheidung in Berlin keiner so recht vorstellen. Die Fraktionsvorsitzende Merkel ging mit einer über ihre Sprecherin verbreiteten Erklärung so auf Distanz zu dem Oberbayern, dass unklar ist, wie beide jemals wieder gemeinsam an einem Fraktionstisch sitzen wollen.
Auch in der CSU-Landesgruppe hat Seehofer mittlerweile seinen Kredit verspielt. Als die Verhandlungen mit der CDU zum Unions-Modell begannen, stand die Mehrheit noch hinter ihm und nahm "den Horst" gegen die heftigen Angriffe aus der CDU in Schutz.
Für seine jetzigen Eskapaden fehlt den Abgeordneten in Berlin aber jedes Verständnis: "Man kann nicht immer Teamgeist einfordern und ständig auf das eigene Tor spielen. Das geht nicht", sagt ein CSU-Mann. "Primadonna-Gehabe haben alle satt."
Nach den glänzenden CSU-Ergebnissen bei der Bundestagswahl 2002 und der Landtagswahl im vergangenen Jahr schauten die Bayern in der gemeinsamen Unions-Bundestagsfraktion immer ein wenig auf die Freunde von der CDU herab - frei nach dem Motto "Ihr könnt noch eine Menge von uns lernen". Und der Hochmut wuchs noch mit jedem Streit, den sich die CDU untereinander in den vergangenen Monaten lieferte. Nun müssen die CSU-Abgeordneten seit langer Zeit erstmals wieder damit rechnen, dass die CDU-Kollegen sie in der kommenden Sitzungswoche fragend anschauen und wissen wollen, was denn da in der CSU los sei. Wenn es mal dabei bleibt.
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