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Organspende
12.03.2018

Raphael hat sechs Menschen das Leben gerettet

Als Raphael starb, war er 19 Jahre alt. Seine Mutter hat Erinnerungen an ihn bewahrt. Wie das Plüschschaf, das ihm gehörte.

„Komm heil wieder“, sagt die Mutter, als Raphael aufs Motorrad steigt. Zwei Tage später muss sie ihren hirntoten Sohn gehen lassen. Was ihr Trost spendet.

Da sind diese Bilder, die Fetzen, die Ingrid W. nicht vergessen kann: Der süße Rotschopf, der im Hochstuhl sitzt und selbst Fremden ein fröhliches „Hallo“ entgegen kräht. Der Bub, der „Wärme mit reinbringt“ in die Familie. Der seiner Mutter später einschärft: „Wenn mir mal was passiert: Mama, ich will Organspender sein.“ Und dann das letzte „Komm heil wieder“, als Raphael mit dem Helm in der Hand das Haus verlässt. Es sind diese Erinnerungssplitter, die Ingrid W. seit 9. Juli 2017 nicht mehr loslassen. Seit dem Tag, an dem ihr 19-jähriger Sohn starb.

Acht Monate ist die Katastrophe her, die das Leben der Familie aus Althausen (Landkreis Bad Kissingen) komplett aus dem Takt gebracht hat. Der war bis dahin ein Regelmäßiger. Vater, Mutter, drei Söhne, zwei aus dem Haus, der „Klenne“, Raphael, noch zu Hause. Das Nesthäkchen machte Freude, keine Schwierigkeiten. Nur wenige Tage nach der Katastrophe hätte er seine Prüfung zum Zerspanungstechniker gemacht. Raphael hatte eine Freundin, er war beliebt, sportlich, trainierte im Fitnessstudio. Und er hatte eine Leidenschaft, das Motorradfahren.

Dann kommt die Frage: Ist sie selbst schuld an dem Unfall?

„Ich wollte ihm mit 17 Jahren die Erlaubnis, den Schein zu machen, erst nicht geben“, sagt Ingrid W. Die 56-Jährige wirkt stark, stabil, klar, selbst dann, wenn sie in Tränen ausbricht. Wie jetzt. Ist sie jetzt schuld? Eine Frage, an der viele andere in ihrer Situation wohl zerbrechen würden.

Hätte, wäre, wenn – den Konjunktiv gibt es für Ingrid W. nicht. Es ist passiert. Das Motorrad, die Kurve, der Tod. Keiner kann etwas ändern. Und keiner konnte etwas ändern. „Motorradfahren war sein Leben“, erzählt sie. Und dass Raphael erst drauf verzichten wollte, der Mutter zuliebe. Irgendwann sagte er: „Ich werde nicht glücklich ohne den Führerschein.“ Ingrid W. erklärt. „Da war klar, dass ich unterschreibe.“

Der 9. Juli 2017 war ein strahlend schöner Sonntag. Es sollte noch brütend heiß werden. Familie W. wollte eigentlich zum Stadtfest ins benachbarte Münnerstadt, entschied dann aber wegen der Hitze im kühlen Innenhof ihres Bauernhofes zu grillen. Raphael war da schon weg, mit einem Freund auf dem Weg ins 75 Kilometer entfernte Kitzingen, großartige Kurven lagen vor ihnen.

Eine der vielen Kurven packt Raphael nicht

Eine packte er nicht. Warum, wird sich wohl nie ganz klären lassen. Die Fliehkraft trug Raphaels Suzuki GSX-R weg vom Asphalt, während die Mutter das Grillfleisch herrichtete und der Vater die Blumen goss. Das Telefon klingelte. Es war der beste Freund und Tourkumpel. Die Worte „Raphael hatte einen Unfall, er wird gut versorgt, ich kann nicht zu ihm“, waren für die Mutter keine Vorwarnung auf eine Katastrophe, die sie bald mit Urgewalt überrollen sollte. „Ich dachte: Er ist verletzt. Er ist versorgt. Das wird wieder.“

Von der Polizei erhielt Ingrid W. noch keine genaueren Informationen, wie es ihrem Sohn geht. Die Beamten waren erst auf dem Weg zur Unfallstelle, hieß es. Es dauerte nicht lange, als sie einen Mann auf ihr Haus zukommen sah. Schwarzes Hemd, weiße Hose. „Ich bin Notfallseelsorger“, stellte er sich vor. Die Ahnung, was dieser Satz bedeuten könnte, ließ die Mutter zusammensacken. Doch der Notfallseelsorger kam nur, um ihr zu sagen, dass Raphael ansprechbar sei und in der Uniklinik in Würzburg liege. „Ich dachte: Okay, sie operieren. Also nehme ich jetzt Zahnbürste und Schlafanzug mit und fahre zu ihm, alles wird wieder gut.“ Dass nichts wieder gut werden würde, wusste sie nach dem Anruf in der Uniklinik. „Die haben gesagt, dass wir sofort kommen sollen. Da war alle Hoffnung weg.“

Schnell wird klar: Raphael hatte an der Unfallstelle einen Herzstillstand. Er wurde dort reanimiert. Doch sein Hirn arbeitete zu 99 Prozent nicht mehr. Die geprellte Lunge, die kleineren Verletzungen – das wäre wohl wieder geworden. Doch die Zeit zwischen Herzstillstand und der Wiederbelebung war zu lange. „Ich habe dem Notarzt später trotzdem einen Dankesbrief geschrieben“, sagt Ingrid W.

„Mama, ich will später Organspender werden“, hat er gesagt

Und dann war da die Erinnerung an das, was Raphael einmal gesagt hatte: „Mama, ich weiß, du willst das nicht hören, aber ich will später Organspender werden. Ich möchte nicht, dass du das einmal entscheiden musst.“ Die Mutter wollte es tatsächlich nie hören. Und war an diesem Tag im Arztzimmer trotzdem dankbar, mit ihrem Sohn darüber gesprochen zu haben. Die nächsten zwei Tage verbrachte die Familie in wechselnder Zusammensetzung am Bett von Raphael. „Als ob er schliefe“ habe er im Bett gelegen, warm, kuschelig, trotz der Schläuche und Apparate. Den Eltern und Geschwistern blieb nur, Raphael zu streicheln, mit ihm zu reden – und die Hoffnung auf das Wunder, die Hoffnung, „dass wenigstens ein Zeh zuckt“. Doch da war nichts.

„Irgendwann am Dienstag sind wir dann gegangen“, erzählt Ingrid W. Wir haben gesagt: Wir können Raphael nicht mehr helfen. Aber wir haben zwei andere Kinder, die uns jetzt brauchen.“ Es war ihr wichtig, sich von „meinem warmen Kind“ zu verabschieden. Im Nachhinein hält sie das für einen Fehler. „Ich denke immer noch, er kommt jetzt zur Tür rein; jetzt schreibt er eine seiner herrlich blödsinnigen SMS.“ Ingrid W. sagt. „Ich kann den Tod meines Kindes noch nicht begreifen. Und das im wörtlichen Sinne. Vielleicht ginge es mir besser, wenn ich ihn aufgebahrt noch einmal hätte berühren können, vielleicht könnte ich dann fassen, dass er nicht mehr kommt.“

Bis Donnerstagfrüh waren Raphaels Organe entnommen. Seinen Wunsch, in einem Friedwald bestattet zu werden, konnte ihm die Mutter nicht erfüllen, schon weil der nächste über zehn Kilometer entfernt liegt. „Das ist zu weit, ich möchte ihn hier haben“, erklärt sie. Sie und ihr Mann gehen täglich auf den Friedhof in Althausen. „Ich freue mich immer, wenn ich Zeichen sehe, dass andere Menschen ihn dort auch besuchen.“ Wie das aus Draht gebastelte Motorrad, das erst seit wenigen Tagen auf dem Grab steht.

Sein Herz schlägt in einem Mädchen, seine Niere hat ein Junge und ein Mann bekommen

Zwei Monate nach dem Unfall erhielt die Familie einen Brief von der Organspende-Organisation. Raphael hat sechs Menschen das Leben gerettet oder deren Leben wieder lebenswert gemacht, stand darin. Sein Herz schlägt im Körper eines Mädchens weiter; eine Niere erhielt ein Junge, die andere ein Mann, der an Diabetes leidet und nun nicht mehr zur Dialyse muss. Raphaels Leber bekam ein anderer Mann, dessen Körper sie sofort akzeptierte. Auch seine Hornhaut wurde transplantiert, zwei andere junge Menschen können dank der Spende wieder sehen. „Das“, sagt die Mutter, „hilft mir sehr.“

Es waren Freunde und Arbeitskollegen, die der 56-Jährigen über die erste, schwere Zeit nach Raphaels Tod halfen. „Doch irgendwann ist alles erledigt.“ Behördenkram und all die Dinge, die geregelt werden mussten. Ein Denkmal in Form seines unangetasteten Zimmers wollten sie nicht, sie haben das Zimmer ausgeräumt. „Wir haben ihn im Herzen“, sagt die Mutter.

Irgendwann ging es für Ingrid W. nicht mehr darum, zu funktionieren. Da kamen die Trauer, die Wut, das Unverständnis und das maßlose Vermissen wie ein Hammerschlag. Da fiel ihr die Telefonnummer einer Stiftung in Unterfranken in die Hände. „Wenn ich dort nicht angerufen hätte, wäre ich zugrunde gegangen.“ Die Stiftung berät und begleitet seit elf Jahren Menschen in Trauer, sie hilft Angehörigen, mit dem Verlust klarzukommen. „Den Mitarbeitern dort brauche ich nicht zu erklären, dass ich nach wie vor ein ganz normaler Mensch bin, dass ich einfach ‘nur’ mein Kind verloren habe“, sagt Ingrid W. Nach ihrem ersten Termin dort fühlte sie sich „befreiter“. „Ich kann da in meinem Tempo trauern, ich kann alles rauslassen, muss auf niemanden Rücksicht nehmen.“ Auch nicht auf ihren Mann, der anders als sie trauert, den sie mit ihren Gefühlen oft nicht noch mehr belasten möchte. Auch in anderen Regionen Bayern gibt es solche Angebote, etwa das Trauer-Telefon der Diözese Augsburg oder Selbsthilfegruppen des Verbands Verwaister Eltern. Ingrid W. sagt: „Ich kann nur jedem raten, sich diese Hilfe zu holen.“

Kürzlich war wieder so ein Moment, in dem sie diese Hilfe gebraucht hat. Der Mutter fiel ein Plüschschaf in die Hände. Es hatte Raphael gehört. Das verknautschte Kuscheltier katapultierte Ingrid W. wieder in die Zeiten des größten Schmerzes. Aber sie weiß: Es wird besser. „Das will ich allen mitgeben, die in einer ähnlichen Situation sind.“ Dass es besser wird, auch wenn es nie vorbeigeht. Das muss es auch nie, hat Ingrid W. gelernt. „Denn das hieße ja zu vergessen. Das wird nie passieren.“ Ingrid W. hat ihre Rituale, der Besuch der Stiftung gehört dazu und der tägliche Gang zum Grab. Oder das Geheimnis, das sie in der Hosentasche trägt. Etwas, das Raphael zur Einschulung erhalten hatte. Es ist abgegriffen, passt in die hohle Hand, sagt sie. „Und es tröstet mich. Dann ist er immer da.“

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