Drama in 1000 Metern Tiefe - Rettung kann Wochen dauern
In rund 1000 Metern Tiefe liegt in der Riesending-Schachthöhle bei Berchtesgaden verletzt ein Höhlenforscher. Rettungsteams haben ihn erreicht. Aber er ist nicht transportfähig.
An die 200 Helfer sind angereist. Allein um die 80 spezialisierte Höhlenretter der Bergwacht aus Rosenheim, Garmisch-Partenkirchen, Murnau, Freilassing sowie ihre Kollegen aus Salzburg sind gekommen. Jetzt sitzen sie auf einer Wiese bei Marktschellenberg in den Berchtesgadener Alpen in der gleißenden Sonne - und können nichts tun für den Schwerverletzten, der ein paar Kilometer weiter in knapp 1000 Metern Tiefe in der Riesending-Schachthöhle festsitzt. "Er ist ansprechbar, aber es geht ihm nicht gut", heißt es bei der Bergwacht.
Zwölf Retter sind in der Höhle unterwegs - mehr können in die engen Schächte gar nicht einsteigen, und nur die besten wagen überhaupt den Abstieg. So hocken die anderen oben und warten, Stunde um Stunde, auf neue Nachrichten aus dem Innern des Berges.
Am Montagvormittag die Meldung, die Retter hätten den Verletzten erreicht. Wenig später die Auskunft, der Arzt habe nicht bis zu ihm vordringen können. Jetzt sollen Helfer aus der Schweiz anreisen. Noch am Montag sollten sie eingeflogen werden und wahrscheinlich dann sofort zu dem Verunglückten starten.
Der verletzte 52-Jährige aus dem Raum Stuttgart ist ein erfahrener Höhlenforscher. Zusammen mit zwei Begleitern wollte er am Pfingstwochenende mit zwei Begleitern die wenig erforschte Höhle weiter erkunden.
"Sie kannten die Höhle", sagt Bärbel Vogel, Vorsitzende des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher. Die drei seien Mitglied des Verbandes und zählten zu einer Stammgruppe, die immer wieder in die Riesending-Schachthöhle einstieg, um sie zu erforschen. Es ist die tiefste und längste Höhle Deutschlands. Das gigantische Gangsystem umfasst eine Länge von 19,2 Kilometern und ist 1148 Meter tief. "Die Leute, die dort forschen, sind alle nicht leichtsinnig."
Das trockene Wetter an Pfingsten schien optimal für den Abstieg in das verzweigte Höhlensystem. Denn auch unter der Erde kann starker Regen gefährlich sein - wenn er in den Schächten Wassereinbrüche auslöst.
Am frühen Sonntagmorgen gegen 01.30 Uhr überrascht ein Steinschlag die Männer. Ein Stein trifft den 52-Jährigen am Kopf. Auch der Helm kann den Schlag nicht abfangen. Der Mann erleidet Verletzungen an Kopf und Oberkörper.
"Wir versuchen, einen Arzt zu ihm hinunter zu bringen", sagt der stellvertretende Vorsitzende der Bergwacht Bayern, Stefan Schneider. "Es ist extrem schwierig. Es sind nur sehr wenige Spezialisten, die überhaupt in diese Tiefen vordringen können. Die Höhle ist sehr, sehr schwierig."
Gleich am Einstieg muss über 300 Meter senkrecht in die Tiefe abgeseilt werden, ähnlich geht es bis in 1000 Meter Tiefe weiter. Danach müssen die Forscher aus eigener Kraft am Seil wieder hochsteigen. "Es ist eine extreme körperliche und psychische Herausforderung." Der Arzt habe auf der Strecke erschöpft Pause machen müssen. "Es gibt überhaupt nur ganz wenig Ärzte, die in eine solche Höhle kommen."
Allerdings gelang es den Helfern, Kabel für eine Telefonverbindung zumindest bis auf knapp 400 Meter Tiefe zu ziehen und vier Biwaks einzurichten - denn wenn die Helfer den Verletzten nach oben schaffen wollen, brauchen sie Rastpunkte. Nahrungsmittel und Wasser wurden in die Tiefe gebracht. Wie lange der Verletzte noch ausharren muss, bleibt zunächst offen.
In der Höhle sind nur vier bis acht Grad
"Der Mann liegt Gottseidank eben, trocken und windstill", sagt Schneider. Denn auch in der Tiefe kann Zug entstehen. Es drohe aber unter anderem Unterkühlung. Unten im Berg hat es nur zwischen vier und acht Grad. Und alle dort unten, auch die Retter, sind ständig von neuem Steinschlag bedroht. "Sie sind einer erheblichen Gefahr ausgesetzt."
Nun warten alle auf die Helfer aus der Schweiz, vier oder fünf erfahrene Höhlenforscher und ein Arzt, einige von ihnen waren schon in der unwegsamen Höhle. Das Bangen und Hoffen geht weiter, aber vor allem das Warten. Denn wenn das neue Team erst einmal am Einstieg ist, dauert es bis zum Verletzten wiederum zwölf Stunden - "wenn sie schnell sind", sagt Schneider. Ein Ende der Aktion ist nicht absehbar. "Es wird Tage dauern." Vielleicht sogar Wochen, meinte ein Retter am Abend bei einer Pressekonferenz.
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