Ein Jahr nach Höhlenunglück: Kehrt Westhauser in Höhle zurück?
700 Retter, elf Tage, eine spektakuläre Rettungsaktion: Vor einem Jahr verunglückte Johann Westhauser in der Riesending-Höhle. Wird er je wieder in eine Höhle steigen?
Johann Westhauser hat sich gut erholt. Ein Jahr nach dem schrecklichen Unglück in der Riesending-Höhle ist der 54-Jährige vollständig genesen - ein kleines medizinisches Wunder. Als der Höhlenforscher am Pfingstmontag 2014 von einem Lehmbrocken am Kopf getroffen wurde, hätte er sterben können. Zusammen mit zwei anderen Höhlenforschern war in Deutschlands tiefster Höhle unterwegs, als der Klumpen ihn erwischte und er die Besinnung verlor. Was danach geschah, wird als eine der spektakulärsten Rettungsaktionen in den Alpen in Erinnerung bleiben.
Ein Begleiter kämpfte sich in zwölfstündiger Kletterei durch Schächte und über Abgründe zurück nach oben, dort alarmierte er Helfer in Berchtesgarden. Handy-Empfang gibt es in der Tiefe nicht. Elf Tage lang geben 728 Retter ihr Bestes, um Westhauser zu retten. Trotz der Pfingstfeiertage sind sie aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien und Kroatien angereist. Die Geschichte bewegte die Menschen im ganzen Land.
Nach Höhlenunglück: Kehrt Westerhauser in die Riesending-Höhle zurück?
Ein Jahr danach hat sich an der Höhle einiges getan. Den Eingang, früher offen und nur Eingeweihten bekannt, versperrt jetzt ein Stahlgitter. Die Höhe der Kosten der Rettung und die Verteilung sind bis heute unklar. Es geht offenbar um eine sechsstellige Summe, manche spekulierten über einen Millionenbetrag.
Westhauser ist längst an seinen Arbeitsplatz am Institut für Technologie in Karlsruhe zurückgekehrt. In einer Videobotschaft aus dem Intensivzimmer, noch mit undeutlicher Stimme, hatte Westhauser seinen Rettern gedankt. Die Klinik hatte ihm das Video vorgeschlagen. Heute spricht er ungern über den Rummel. Es habe eine Dankveranstaltung gegeben, sagt er. Und: "Ich habe eine Reihe von Leuten getroffen oder angerufen." Mit jedem einzelnen Helfer zu telefonieren, wie in dem Video angekündigt - das hat er nicht geschafft. Damals wusste er noch nicht, dass gut 700 Menschen an seiner Rettung beteiligt waren. Ob er wieder ins Riesending oder in eine andere Höhle steigen wird, lässt er offen. "Es wird sich zeigen."
Seit dem Unfall müssen Interessenten bei der Gemeinde Bischofswiesen Versicherungsschutz, ein berechtigtes Anliegen und Qualifikation nachweisen - erst dann gibt es den Schlüssel zur Höhle. "Wir prüfen das dann", sagt eine Gemeindemitarbeiterin. "Ohne Kondition und ohne Erfahrung schaut es schlecht aus." Aber bisher hat auch niemand angefragt. Es war Winter. Oben am Untersberg liegt noch immer etwas Schnee.
Höhlenforscher wollen wieder in die Riesending-Höhle
Westhausers Kollegen von der Arbeitsgemeinschaft für Höhlenforschung Bad Cannstatt denken allerdings über eine Fortsetzung ihrer Arbeit nach. Sie hatten die Riesending-Höhle entdeckt und erforscht, es gibt noch viele unentdeckte Winkel. Das zur Rettung in die Höhle geschaffte Material würde künftige Gänge erleichtern. An schwierigen Stellen wurden als Tritte Metallstifte in den Fels getrieben. Seilversicherungen sind teils geblieben, ebenso Ausrüstung in den Biwaks.
Was dem Ökosystem schaden könnte, hat die Bergwacht in mühsamen Aktionen in den Monaten nach der Rettung herausgeschafft: Zentnerweise Material, 70 Schleifsäcke voll. Bis zum Jahresende dauerte das Sortieren. "Es war wie Weihnachten. Man hat nie gewusst, was drin ist", sagt Andreas Wolf, stellvertretender Vorsitzender des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher und Leiter des Höhlenrettungstrupps bei der Bergwacht Murnau. Zutage kamen schimmelige Butterbrotdosen und feuchte Schlafsäcke, Batterien und kaputte Bohrmaschinen. "Wir haben alles rausgeholt, was die Höhle schädigen könnte", sagt er. "Es war schon ein Riesenaufwand."
Rettungsaktion: Begleiter von Johann Westhauser bleibt anonym
Die Retter haben bei der Aktion gelernt. Sie haben das Wissen aus fünf Ländern zusammengebracht, treffen sich seitdem regelmäßig. Als nur Wochen später im August in der sogenannten Jack-Daniel's-Höhle im Salzburger Tennengebirge ein Höhlenforscher abstürzte, schafften sie den Verletzten - wenngleich unter völlig anderen Umständen - binnen zwei Tagen aus 250 Metern Tiefe wieder nach oben.
Das Wichtigste sind für Wolf nicht Gitter und Betretungsverbote, sondern Ausbildung und Wissen. Westhausers Kameraden waren bestens trainiert und geschult. Den vielleicht schwersten und wichtigsten Part leistete der Freund, der bei ihm ausharrte. Mehr als einen Tag betreute er allein den Schwerverletzten, der immer wieder in Ohnmacht fiel, nicht wachzubekommen war. Er hielt ihn warm. Schützte ihn. Seine Betreuung hat Westhauser womöglich das Leben gerettet, mindestens aber wesentlich dazu beigetragen. Wer dieser Mann ist, wie es ihm danach ging - das wurde nie öffentlich bekannt. dpa
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