Seehofers Energiewende-Poker: allein gegen fast alle
Für CSU-Chef Seehofer geht es in der Energiepolitik um alles. 14 Länder wollen die von ihm geforderten Gaskraftwerke nicht subventionieren. Doch ohne kann er keine Trassen verhindern.
In der Energiewende steht Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) vor einem schweren Kampf: allein gegen fast alle. 14 Bundesländer halten nichts von seiner Forderung, den Bau neuer Gaskraftwerke zu subventionieren, wie eine dpa-Umfrage in den Landeshauptstädten und Stadtstaaten ergeben hat. Hessen beteiligte sich nicht an der Umfrage.
Erfolg in Berlin - oder wütende Trassengegner in Bayern
Die Zuschüsse für Gaskraftwerke spielen in Seehofers Überlegungen eine zentrale Rolle: Die Produktion von Gasstrom in Bayern könnte zumindest eine der geplanten Höchstspannungstrassen aus Nord- und Ostdeutschland nach Bayern überflüssig machen - im Idealfall sogar beide. Scheitert Seehofer mit seinen Forderungen in Berlin, muss er in Bayern mit wütendem Protest der Trassengegner rechnen.
Der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke wählt deutliche Worte gegen Seehofers Vorschlag: "Die Vorstellung von Herrn Seehofer, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher auch noch den Bau überflüssiger bayerischer Gaskraftwerke finanzieren sollen, ist völlig indiskutabel", sagt der SPD-Politiker. "Mit mir wird es keine Zustimmung für eine solche Lex Bayern geben."
In mehreren Landeshauptstädten ist von "Kleinstaaterei" die Rede. Die Energiewende sehe nach und nach die Umstellung auf erneuerbare Energien vor, sagt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). "Gaskraftwerke auf der Basis hoher Subventionen passen dazu nicht."
Umstrittene Gaskraftwerke: Sogar bayerischer Wirtschaftsrat teilt Bedenken
Seehofer hatte zwischenzeitlich angedeutet, Nordrhein-Westfalen könnte zum Verbündeten werden. Dafür gibt es wenig Anzeichen: "Niemand in Nordrhein-Westfalen - aber auch darüber hinaus - hegt dafür irgendwelche Sympathien", sagt Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD). Und in Schleswig-Holstein argumentiert Ministerpräsident Thorsten Albig (SPD), dass Bayern auf Stromleitungen angewiesen sei: "Der Strom aus norddeutschen Windmühlen hält Bayern am Laufen".
Das grün-rot regierte Baden-Württemberg wirft Seehofer vor, mit seiner Forderung süddeutschen Interessen zu schaden: "Das bedeutet nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Süddeutschland höhere Strompreise zulasten der Verbraucher", sagt Regierungssprecher Rudi Hoogvliet in Stuttgart.
Das ist deswegen von Bedeutung, weil Bayern und Baden-Württemberg ähnliche Interessen und eine vergleichsbare Ausgangslage haben. Beide Bundesländer sind industrielle Kraftzentren, und beide sind überdurchschnittlich von Atomstrom abhängig.
Unerfreulich für Seehofer: Der Wirtschaftsbeirat Bayern - geleitet von CSU-Parteifreund Otto Wiesheu - teilt die außerbayerischen Bedenken. Denn nach Berechnungen des Wirtschaftsbeirats müsste ein Gaskraftwerk mit 3,5 Cent pro erzeugter Kilowattstunde subventioniert werden, um rentabel arbeiten zu können.
Atom-Ausstieg: Stromlücke von 25 Milliarden Kilowattstunden
Die dem Freistaat nach der Abschaltung des letzten Atomkraftwerks Ende 2022 drohende "Stromlücke" wird sich nach derzeitigen Schätzungen auf etwa 25 Milliarden Kilowattstunden belaufen. Wollte Bayern auf neue Trassen komplett verzichten und diese 25 Milliarden Kilowattstunden mit Hilfe von Gas erzeugen, könnte das die Steuerzahler somit knapp 900 Millionen Euro kosten - sofern man von den Berechnungen des Wirtschaftsbeirats ausgeht.
Wiesheu und sein sehr CSU-nahes Gremium schlagen deswegen Alarm: Der Verzicht auf neue Leitungen und der Bau von Gaskraftwerken könnte dazu führen, dass der Strom in Bayern um bis zu 30 Prozent teurer wäre als in Norddeutschland, warnt der Wirtschaftsbeirat in einem Positionspapier. Ganz abgesehen davon würde die Abhängigkeit von Russland steigen.
In der Vergangenheit hat Seehofer mehrfach bewiesen, dass er CSU-Forderungen nach jahrelangem Kampf auch gegen sehr große Widerstände durchsetzen kann. Dazu zählen das Betreuungsgeld und die Pkw-Maut. Doch in beiden Fällen waren weder andere Bundesländer noch das gesamtdeutsche nationale Interesse berührt. Und außerdem hatte Seehofer bei beiden Themen viele Jahre Zeit. All dies ist bei der Energiewende anders. dpa/lby
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