So kämpft München gegen den Verkehrskollaps
Viele Pendler kennen das: Die Staus sind kilometerlang, die Busse überfüllt und dann fällt auch noch die U-Bahn aus. Wie die Stadt das Problem lösen will.
Wenn man so will, dann ist jener Vormittag ein Symbol. Ein Symbol für das Verkehrschaos, das die Stadt München beinahe täglich fest im Griff hat. An jenem Vormittag also bricht mitten in der Hauptverkehrszeit, in der tausende Pendler zur Arbeit fahren, eine U-Bahn-Schiene am Marienplatz, einem der größten Verkehrsknotenpunkte der Stadt. Es ist – passenderweise – genau der Vormittag, an dem der Münchner Stadtrat in einer Sondersitzung über den Verkehr der Zukunft diskutiert. Darüber, wie man mit all den Problemen fertig werden will, mit den kilometerlangen Staus, den überlasteten U-Bahnen und Bussen – kurz: dem täglichen Wahnsinn in der bayerischen Landeshauptstadt. Wie soll das funktionieren?
Hintergrund des ganzen Dilemmas ist: Die Stadt München ist in den vergangenen zehn Jahren massiv gewachsen, die Einwohnerzahl ist um 200.000 Menschen gestiegen. Verkehrsexperten kritisieren, dass man es verschlafen habe, die Verkehrsinfrastruktur anzupassen. Das System sei auf wesentlich weniger Menschen ausgelegt und stehe deswegen kurz vor dem Kollaps. Freistaat und Bahn, aber auch die Stadt, hätten es jahrelang versäumt, das Verkehrsnetz zukunftsorientiert auszubauen. Und weil deswegen die U- und S-Bahnen oft heillos überlastet sind, weichen viele Menschen aufs Auto aus. Die Folge: Staus.
Ziel für München: Mehr Platz für die Menschen, weniger Platz für die Autos
Dieter Reiter, Münchens Oberbürgermeister, beobachtet die Entwicklung mit Sorge. „Der Platz ist weniger geworden, die Straßen sind voller und die Radwege zu wenig“, sagt er bei der Generaldebatte des Stadtrates am Mittwochvormittag. Und Reiter weiß: Die Zahl der Fahrzeuge werde weiter zunehmen. „Aber heißt das zwangsläufig, dass wir bei der Stadtplanung dafür sorgen müssen, dass die alle fahren können?“ Die Antwort auf diese Frage gibt Reiter selbst: „Ich habe eine andere Priorität. Ich will dafür sorgen, dass der öffentliche Raum so verteilt wird, dass meine Bürgerinnen und Bürger sich auch künftig mit Lust und Laune in der Stadt aufhalten können.“ Auf einen Nenner gebracht heißt das: mehr Platz für die Menschen, weniger Platz für die Autos.
Um dieses Ziel zu erreichen, müsse man sich über moderne Mobilitätsformen unterhalten, sagt Reiter. Gebündelt wird das Thema im Projekt „Modellstadt 2030“, über das in der Sitzung diskutiert wird. Reiter sieht die Sache so: „Es macht mehr Sinn, dass 70 Leute in einem Bus fahren als in 70 Autos.“ Das derzeitige Problem aber ist, dass auch die Busse oft im Stau stehen. Deswegen müssten nach Reiters Ansicht künftig einzelne Fahrspuren für Autos geopfert werden, damit die Busse dort schneller vorankommen. Auch für breitere Fahrradwege könnten Fahrspuren aufgegeben werden. Ebenso könnte künftig auf Parkplätze verzichtet werden, um neue Radwege zu bauen. Bei all diesen Punkten müsse der Stadtrat nun Entscheidungen treffen.
Jens Röver, der stellvertretende verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, pflichtet Reiter bei und fordert ein klares Bekenntnis zu einer Verkehrswende. „Wir brauchen viel mehr Busspuren. Die Elektromobilität muss gefördert und das Thema emissionsfreies Carsharing vorangetrieben werden.“
CSU: Das Grundproblem liegt am Stadtrand
In der CSU sieht man die Diskussion ein wenig anders. Das Grundproblem liege nicht in der Innenstadt. Es gehe nicht vorrangig darum, wie die Menschen am besten vom Marienplatz zum Gärtnerplatz kämen. Vielmehr müsse man an die Haupteinfallstraßen in den Stadtrandgebieten denken, wo die Pendler in die Stadt fahren – und zwar wegen der großen Entfernungen meist nicht mit dem Rad, meint Manuel Pretzl, Vorsitzender der CSU-Stadtratsfraktion und Zweiter Bürgermeister. „Wir müssen alle Menschen im Blick haben. Auch die, die aus verschiedensten Gründen auf ein Auto angewiesen sind.“
Die Entlastung der Stadt vom Durchgangsverkehr wird auch von der Staatsregierung unterstützt. Wichtigstes Projekt ist laut Verkehrsminister Hans Reichhart (CSU) der Ausbau der A 99 nördlich von München. Vorrangig sollen Staus im Allacher Tunnel durch die Freigabe des Seitenstreifens zwischen Allach und Feldmoching verringert werden. Geplanter Baubeginn ist das Jahr 2021. Andere Teilstrecken sind schon im Bau oder in Planung. Reichhart: „Unser vorrangiges Ziel ist hier, eine funktionierende Umleitung im Norden Münchens zu haben.“
2030, das Jahr, auf das sich das Modellprojekt bezieht, ist noch ein bisschen entfernt – Oberbürgermeister Reiter ist aber überzeugt davon, dass das Thema jetzt angepackt werden muss. Damit die Zukunft auch so aussieht, wie man sie sich in München wünscht: weniger Staus, kein Gedränge im öffentlichen Nahverkehr und viel Platz für Fußgänger und Radfahrer. Die Gegenwart ist noch eine andere. (mit jub)
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