Söder ist beim CSU-Parteitag wieder der Seehofer-Schreck
Ausgerechnet vor dem CSU-Parteitag ist der alte Dauerkonflikt zwischen dem Parteichef und seinem potenziellen Nachfolger Markus Söder wieder aufgebrochen. Die Partei ist nervös.
Was ist zu sehen und zu hören? Was hat es zu bedeuten? So ganz sicher kann man sich da in der CSU nie sein – schon gar nicht, wenn es um das heikle Verhältnis zwischen Parteichef Horst Seehofer und seinem potenziellen Nachfolger Markus Söder geht.
München, Café Reitschule, Dezember 2012, ein legendärer Abend: Seehofer hat Journalisten zu einem Weihnachts-Umtrunk geladen. Er ist bester Laune und gerade auf seinem „Sie-können-das-alles-senden“-Trip. Will heißen: Was er sagt, darf uneingeschränkt zitiert werden. Seehofer sagt viel an diesem Abend. Sehr viel. Er verspottet Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg als „Glühwürmchen“. Er ätzt gegen den damaligen Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer und nennt ihn „Zar Peter“. Vor allem aber nimmt er sich in den vielen Gesprächen an den Stehtischen seinen Finanzminister Söder vor: „zu viele Schmutzeleien“, „von Ehrgeiz zerfressen“, „charakterliche Schwächen“. Die Folge: Der derart Gescholtene war, als er das tags darauf alles in der Zeitung lesen musste, erst mal völlig am Boden.
München, Prinz-Carl-Palais, Juni 2015: Die Staatsregierung hat zu einem Grillfest geladen: Vor aller Augen (Kabinettsmitglieder, Pressesprecher, Journalisten) nimmt Seehofer Söder zur Seite. Gut eine Stunde sitzen beide etwas abseits auf einer Bank. Sie reden, lachen, reden, nicken sich zu. Die Botschaft ist klar: Seht her, da sind zwei Vertraute, die gut miteinander können. Echte Harmonie oder ganz großes Staatsschauspiel – wer weiß?
Zwischen 2012 und 2015 ist viel geschehen.
Seehofer hat das Wahldebakel der CSU im Jahr 2008 vergessen gemacht und seine Partei 2013 in Bayern zurück zur absoluten Mehrheit geführt. Und es sieht – Stand gestern – sogar so aus, als könne er die wahrscheinlich größte Herausforderung seiner Amtszeit als CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident bewältigen: die Flüchtlingskrise. Nirgendwo schmerzt der Spagat zwischen „Flüchtlingen helfen“ und „Zuwanderung begrenzen“ so sehr, wie in der Volkspartei CSU. Trotzdem kommt die Partei in Umfragen wieder auf stolze 46 Prozent. Und Seehofers persönliche Umfragewerte sind so hoch wie noch nie.
Gleichzeitig ist Söder aus den Scharmützeln der vergangenen Jahre gestärkt hervorgegangen. In der CSU-Landtagsfraktion erntete er erst Mitleid, weil ihn der Chef so abgewatscht hatte. Dann erarbeitete er sich Anerkennung als Finanzminister – und zwar nicht nur, weil er auch noch den kleinsten Förderbescheid persönlich zu den Abgeordneten in die Stimmkreise bringt und sie nach allen Regeln der Kunst umgarnt. Schließlich gelang es ihm, durch starke Sprüche und Talk-Show-Auftritte medial allgegenwärtig zu erscheinen. Nur mit ihm, so sagen viele in der Landtags-CSU, könne in der Zeit nach Seehofer die Macht in Bayern gesichert werden.
Söder fordert von der CSU eine harte Linie gegen Flüchtlinge
Ausgerechnet vor dem in München beginnenden CSU-Parteitag sind die beiden Herren wieder über Kreuz. Söder hat – das gehört zu seiner Strategie – wieder einmal versucht, sich an die Spitze der Bewegung zu setzen. Er ist überzeugt, dass die CSU auf Dauer nur mit einer harten Linie gegenüber Flüchtlingen Erfolg hat. Während Seehofer stets von Integration, Humanität und Begrenzung redet, spricht Söder nur noch von Begrenzung und von Zäunen. Während Seehofer im Vorfeld des Parteitags versucht hat, den zunächst von ihm selbst befeuerten Konflikt mit Bundeskanzlerin Angela Merkel wieder zu entschärfen, heizte Söder diesen Konflikt noch einmal an. Er nahm die Terrorakte in Paris zum Anlass, einen grundsätzlichen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik zu fordern. „Paris ändert alles“, sagte Söder.
Seither kocht Seehofer vor Wut. Er hätte zwar, nachdem er Söder bereits am vergangenen Sonntag abgekanzelt und der CSU-Vorstand ihm am Montag recht gegeben hatte, einfach schweigen können. Das tat er aber nicht, sondern legte Tage später nach und warf Söder Profilierungssucht und persönliche Motive vor. Das wiederum brachte die Söder-Unterstützer auf die Palme. Einer wagte sich sogar mit offener Kritik aus der Deckung. „Markus Söder spricht aus, was die ganz überwiegende Mehrheit der Bevölkerung und der CSU-Abgeordneten denkt“, sagte der Hofer Landtagsabgeordnete Alexander König. Das müsse niemanden nervös machen.
CSU ist vor dem Parteitag nervös
Nervös aber sind jetzt alle. Morgen beginnt der Parteitag. Um 17 Uhr kommt Merkel. Das ist eigentlich schon spannend genug. Mindestens ein Drittel der rund 1000 Delegierten, so heißt es von mehreren Seiten in der Partei, sei mit ihrem Kurs in der Flüchtlingspolitik nicht einverstanden. Niemand wisse, wie das aufgenommen wird, was sie der CSU zu sagen hat.
Der alte, aber wieder offen sichtbare Dauerkonflikt zwischen Seehofer und Söder kommt hinzu. Seehofer stellt sich – ein letztes Mal? – zur Wiederwahl. Söders Beliebtheit wird sich an seinem Abschneiden bei der Beisitzerwahl ablesen lassen.
Hahnenkampf oder Staatsschauspiel? Die Besonnenen in der CSU hoffen auf die kollektive Intelligenz des Parteitags: Mit einem guten Ergebnis für beide wäre der Deckel wieder drauf. Die Frage ist nur: Was hat es – so oder so – zu bedeuten?
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