Sollten Klöster mehr Flüchtlinge aufnehmen?
Ministerpräsident Horst Seehofer hat die Kirchen aufgerufen, mehr Platz bereitzustellen. Ordensmitglieder können das nicht nachvollziehen. Sie stoßen schon jetzt an ihre Grenzen.
Vielleicht sollte Horst Seehofer einmal Schwester Regina Pröls im oberfränkischen Bad Staffelstein besuchen. Oder Schwester Marianne Willjung in Mödingen im schwäbischen Kreis Dillingen an der Donau. Die Ordensfrauen hätten dem bayerischen Ministerpräsidenten von der CSU so einiges zu sagen, etwa, dass er sich gewaltig irre.
Kirchen sollen im Winter mehr Flüchtlinge aufnehmen
Seehofer soll Anfang August in einer nicht öffentlichen Sitzung seines Kabinetts gefordert haben, die Kirchen müssten Flüchtlinge im Winter verstärkt in ihren Einrichtungen unterbringen. Gleich, ob dies als Hilferuf oder Vorwurf gemeint war, in der Forderung schwang mit: Die Kirchen tun noch zu wenig für Flüchtlinge. So fassten es jedenfalls Kirchenvertreter in ganz Deutschland auf. Die Verärgerung über Seehofer ist seitdem groß.
Denn evangelische wie katholische Kirche engagieren sich bundesweit stark für Flüchtlinge, sie sehen sich als deren „Anwälte“. Das sagen auch Schwester Regina Pröls von der Kongregation der St. Franziskusschwestern Vierzehnheiligen und Schwester Marianne Willjung von den Dillinger Franziskanerinnen Provinz Maria Medingen.
Pröls sagt, Seehofer habe vielleicht ein „Informationsdefizit“, er sei bekannt für polemische Aussagen. Sie spricht nicht nur für ihre Ordensgemeinschaft, deren Mutterhaus gleich gegenüber von Kloster Banz liegt, das der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung als Bildungszentrum dient. Sie spricht auch als stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Ordensobernkonferenz.
Willjung sagt: „Ich verstehe Seehofer nicht. Wir tun wirklich alles, was wir können.“ Und dass sie an Grenzen stießen. An finanzielle, physische wie psychische.
Die 235 Dillinger Franziskanerinnen in der Provinz Maria Medingen, viele sind 70 Jahre und älter, haben im Sommer vor einem Jahr ihr Haus St. Theresia in Dillingen zu einer Flüchtlingsunterkunft umbauen lassen: Sie schafften eine neue Küche an, zwei Waschmaschinen und Betten. Elektrische Leitungen mussten neu verlegt werden. „Wir tragen die Kosten bereitwillig“, sagt Willjung, „aber es wurde unerwartet teuer.“
Wie teuer, will sie nicht sagen. Die vier Ordensschwestern, die in der Villa aus den 1930er Jahren wohnten, zogen aus – im September 2014 kamen dann die Flüchtlinge. Erst Albaner, später Syrer. Eine Familie aus dem Balkan wurde bereits abgeschoben. „Das war ein Schock für uns“, sagt Willjung. Momentan sind 22 Flüchtlinge bei ihnen, vor kurzem erst brachte eine Frau ein Kind zur Welt.
Am Dienstag nun werden die Schwestern eine Doppelhaushälfte im Zentrum Dillingens der „Kolping Akademie“ Donauwörth mietfrei überlassen, die in dem Haus voraussichtlich Ende September bis zu 25 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge unterbringen und betreuen wird. Das Kloster Maria Medingen bei Mödingen können die Schwestern nicht zur Verfügung stellen – selbst wenn sie es wollten.
Anfang Juli brach hier ein Feuer aus, eine Ordensschwester starb. Willjung erinnert sich noch gut an einen Lokalpolitiker, der sie vorwurfsvoll gefragt habe, warum man im Kloster keine Flüchtlinge aufnehme. Ordensgemeinschaften werden oft damit konfrontiert: Sie hätten doch große, meist leer stehende Immobilien.
Schwester Willjung erklärte dem Lokalpolitiker, was Orden an dieser Stelle immer erklären: Das stimme zwar, aber ihre Gemeinschaft könne einen Umbau nicht finanzieren, die Räume seien alt oder in schlechtem Zustand, es mangele an den erforderlichen sanitären Einrichtungen. Und vor allem: Die Brandschutzauflagen seien hoch. Zu hoch. Das war vor dem Brand im Kloster Maria Medingen.
Die Orden "sind jetzt selber in finanzieller Not"
Dass manch einer offensichtlich auch denke, die Orden hätten reichlich Geld, ärgert sie. „Wir sind jetzt selbst in finanzieller Not“, sagt Willjung, und lässt dennoch keinen Zweifel am Einsatz der Franziskanerinnen für Flüchtlinge aufkommen. Daran, dass Schwestern Flüchtlingen Deutsch lehren oder sie bei Behördenbesuchen begleiten: „Wir fühlen uns sehr solidarisch.“
Ähnlich formuliert es Schwester Regina Pröls aus Bad Staffelstein. Ihre Ordensgemeinschaft hat dort zehn Flüchtlinge aufgenommen, eine Familie aus der Ukraine und fünf Afrikaner. Pröls beschönigt nichts. Das Zusammenleben sei anfangs „steuerungsbedürftig“ gewesen.
Ein muslimischer Afrikaner etwa habe nicht die Töpfe der Ukrainer und Baptisten – also evangelische Christen – benutzen wollen. Die Schwestern hätten neue Töpfe gekauft. Inzwischen gehe der Mann in die Berufsfachschule, in der er in Hauswirtschaft unterrichtet werde. Wie lange die Flüchtlinge bleiben, könne sie nicht sagen. „Es geht nichts voran. Die Bearbeitung der Asylanträge muss schneller gehen.“
Schwester Pröls ist besorgt. Sie weiß nur zu genau, dass sich die meisten Probleme nicht derart einfach lösen lassen wie mit zusätzlichen Töpfen. Es fängt schon damit an, dass es schwer ist, in Kontakt mit den häufig traumatisierten und verschlossenen Flüchtlingen zu kommen.
Eine Erfahrung, die Ordensmitglieder in ganz Deutschland machen. Andere Sprachen, andere Kulturen, andere Religionen. Welten prallen aufeinander. Es gibt Enttäuschungen, Diskussionen, Konflikte. Darüber, wie Ordnung gehalten oder der Müll entsorgt werden sollte. Das Zusammenleben mit Flüchtlingen ist für Ordensmitglieder so anstrengend wie erfüllend.
Und dann sind da noch diese Zahlen, von denen Schwester Pröls spricht, und die sie „erschreckt haben“. Nach einer Studie der Universität Leipzig von 2014 haben 17,9 Prozent der befragten Protestanten und 21,5 Prozent der befragten Katholiken eine ausländerfeindliche Einstellung. „Ich habe Bedenken, dass die Stimmung innerhalb der Kirchen kippen könnte“, sagt sie.
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