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Foto: Peter Fastl
Foto: Peter Fastl

Auf der Liste der Rednerinnen und Redner an der Hannah-Arendt-Akademie sind bekannte Gesichter aus der Szene der Corona-Skeptikerinnen, AfD-Sympathisanten und Impfgegner. (Symbolbild)

Starnberg
25.11.2021

Schule der Corona-Verharmloser und Verschwörungsgläubigen

Von Sarah Ritschel

Plus Die private Hannah-Arendt-Akademie bietet Vorlesungen und Seminare mit bekannten Verschwörungsideologen an. Die Politik ist machtlos dagegen.

Die Hannah-Arendt-Akademie richtet sich, so stand es bis vor kurzem auf ihrer schicken Internetseite, an kritische junge Menschen. Das Institut mit Sitz in Starnberg bewirbt seit einigen Wochen eigene Online-Vorlesungen und Seminare, ein sogenanntes Studium Generale. Einschreiben kann sich jede und jeder, der über die Hochschulreife verfügt. Für ihr Vorlesungsverzeichnis, das im Aufbau staatlichen Universitäten ähnelt, hat die Akademie mehr als ein Dutzend Dozentinnen und Dozenten gewonnen.

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Sie genießen der Akademie zufolge „uneingeschränkte Wissenschaftsfreiheit“ in den Positionen, die sie vertreten. Was das bedeutet, zeigt ein Blick auf die Liste dieser Rednerinnen und Redner: Darauf vertreten sind bekannte Gesichter aus der Szene der Corona-Skeptikerinnen, AfD-Sympathisanten und Impfgegner. Michael Blume, der Beauftragte gegen Antisemitismus in Baden-Württemberg, klagt die Akademie einer „verschwörungsmythologischen Umdeutung“ der „großen Denkerin“ Hannah Arendt an. Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag, nennt sie einen „kruden Zusammenschluss von mindestens Corona-Verharmloserinnen und -Verharmlosern“, der im Gewand einer Universität daherkomme. Und die Hannah Arendt Zeitschrift für politisches Denken, ein Debattenmagazin in der Tradition der Philosophin und Theoretikerin, warnt vor der „demokratiefeindlichen Grundhaltung“ der Akademie.

Hannah-Arendt-Akademie wirbt mit "Rede-, Meinungs- und Gedankenfreiheit"

Erster Vorsitzender der Hannah-Arendt-Akademie ist laut Impressum Christian Klammer, der bis November 2020 in dem Promi-Ort am See das exklusive Schuhgeschäft „Schuhtingstar“ geführt hatte. Als zweiter Vorsitzender fungiert Matthias Burchardt, Kölner Pädagoge und Kritiker des Bildungssystems.

Das Lehrangebot ihrer Akademie flankieren sie mit Zitaten der amerikanisch-deutschen Denkerin Arendt, verweisen auf ihr Konzept der Pluralität im politischen Raum und versprechen den immatrikulierten Studierenden „Rede-, Meinungs- und Gedankenfreiheit unter kultivierten und gebildeten Menschen“.

Viele der Dozentinnen und Dozenten aber sind für wissenschaftlich begründete Meinungen nur begrenzt empfänglich: Als Gastredner zum Thema „Meeresbiologie“ etwa steht da Dr. Stefan Lanka, bekannt geworden durch seine Leugnung der Existenz von Masernviren und Aids. Ebenfalls dabei: Ökonom Max Otte, Chef der rechtskonservativen Werteunion und bis 2021 Kuratoriumsvorsitzender der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Im Mai 2020 hatte Otte auf einer Querdenken-Kundgebung gesprochen und Corona als „Geschäftsmodell“ bezeichnet, hinter dem „leider auch viele Politiker“ stünden. Michael Meyen, bis heute Professor für Kommunikation an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, war Teil der umstrittenen Video-Aktion „Alles auf den Tisch“ des Schauspielers Volker Bruch, in der er die Medien als gesteuert bezeichnete.

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Foto: Karlheinz Schindler, dpa
Foto: Karlheinz Schindler, dpa

Vorsitzender der Werteunion und Corona-Verschwörer: Max Otte.

Auch dem bayerischen Wissenschaftsministerium ist die Starnberger Einrichtung bekannt. Juristisch kann man sie aber nur schwer belangen, wie eine Anfrage in München beweist. Denn anders als etwa die Bezeichnungen „Universität“, „Hochschule“ und „Fachhochschule“ ist der Begriff „Akademie“ rechtlich nicht geschützt. „Ein wissenschaftlicher Verein, der sich Akademie nennt, unterliegt keiner Kontrolle beziehungsweise Kontrollmöglichkeit durch das Wissenschaftsministerium“, erklärt ein Sprecher.

Wissenschaftsministerium kann den Betrieb nicht untersagen

Demnach kann das Ministerium von Bernd Sibler (CSU) den Betrieb nur untersagen, wenn eine solche Einrichtung ohne Anerkennung durch das Bayerische Hochschulgesetz „Hochschulstudiengänge durchführt, Hochschulprüfungen abnimmt oder akademische Grade verleiht“. Das wissen die Gründer und schreiben explizit auf ihrer Seite: „Die Hannah-Arendt-Akademie ist keine akkreditierte Hochschule und kann deshalb auch keine staatlich anerkannten Zertifikate ausstellen. Nach regelmäßiger Anwesenheit bei den Lehrveranstaltungen und erfolgreicher Anfertigung der Semesterabschlussarbeit bescheinigen wir aber die Teilnahme am Studium Generale zur Vorlage bei Bewerbungen.“

Katharina Schulze von den Grünen ist alarmiert deswegen: „In letzter Zeit häufen sich in Bayern die Meldungen über 'alternative Lerngruppen' und 'illegale Schulen' aus dem Milieu der Reichsbürger, Querdenker und Verschwörungsideologen", beklagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. "Die Corona-Pandemie wird hier ausgenutzt, um die staatliche Schulpflicht zu unterlaufen." Nun versuche dasselbe Milieu, sich mit der Gründung einer 'Hannah-Arendt-Akademie' sogar im akademischen Bereich zu etablieren. "Mit einer seriösen akademischen Aus- und Weiterbildung hat diese Akademie nichts zu tun. Die jüdische Philosophin und Antifaschistin Hannah Arendt würde sich angesichts dieses Missbrauchs ihres Namens im Grabe umdrehen.“

Wie viele Studierende sich bislang für das Studium eingeschrieben haben, ist nicht bekannt. Eine Anfrage unserer Redaktion ließen die Gründer bislang unbeantwortet – genauso wie die Frage nach ihrer persönlichen Bewertung der Corona-Maßnahmen. Möglicherweise hatten sie etwas anderes zu tun. Das Hackerkollektiv Anonymous nämlich hat die Seite der Hannah-Arendt-Akademie mittlerweile gekapert und umgestaltet. Statt von Dozenten war nach dem Hackerangriff von „Hohepriestern“ die Rede, statt eines „Orientierungssemesters“ stand eine „Teufelsaustreibung“ im Angebot und statt dem Konterfei Hannah Arendts zierte die berühmte schwarzweiße Guy-Fawkes-Maske die Startseite. Mittlerweile ist die Homepage gar nicht mehr erreichbar.

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