Stoiber zunehmend unter Druck
München (dpa) - Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber gerät immer weiter unter Druck. Vor dem Kleinen Parteitag der CSU an diesem Montag kündigte der langjährige Wirtschaftsminister Otto Wiesheu (CSU) am Wochenende überraschend seinen Wechsel in den Vorstand der Deutschen Bahn an.
Die Junge Union (JU) forderte von Stoiber ultimativ eine personelle und inhaltliche Erneuerung. Der CSU-Chef will sich nach dem massiven Unmut über seinen Verzicht auf ein Ministeramt in Berlin beim Kleinen Parteitag der Diskussion mit den Delegierten stellen. Die vorherige Zustimmung der CSU zur Berliner Koalitionsvereinbarung gilt als sicher.
Wiesheu übernimmt zum 1. Januar bei der Bahn das Vorstandsressort für Marketing und politische Beziehungen, teilte die Deutsche Bahn AG in Berlin mit. Damit verliert Stoiber in seiner derzeit schwierigen Lage eine Schlüsselfigur seines Kabinetts. Mit der Diskussion um den Ministerpräsidenten habe die Entscheidung nichts zu tun, versicherte Wiesheu am Sonntag. Für ihn sei es die Chance, sich nach 30 Jahren Politik einer neuen Herausforderung in der Wirtschaft zu stellen.
Einen Nachfolger für Wiesheu will Stoiber bei der Klausurtagung der Landtags-CSU Anfang Januar in Wildbad Kreuth vorstellen. dpa- Informationen zufolge plant der Regierungschef, Wiesheus Ausscheiden für eine größere Kabinettsumbildung zu nutzen. Es gebe Überlegungen, auch an einigen weiteren Positionen eine Verjüngung vorzunehmen, hieß es in führenden CSU-Kreisen. Die "Bild am Sonntag" hatte unter Hinweis auf einen namentlich nicht genannten "Stoiber-Vertrauten" berichtet, es werde "auf zwei oder drei Positionen" einen Wechsel geben. Ein Sprecher der Staatskanzlei sprach von "haltlosen Spekulationen."
Der bayerische JU-Chef Manfred Weber sagte der dpa, Stoiber müsse die Erneuerung der CSU möglichst rasch auf den Weg bringen - "je eher, desto besser". Die Junge Union stehe nicht bedingungslos hinter dem Parteichef. Das Nachrichtenmagazin "Focus" hatte Weber mit der Aussage zitiert, falls sich die Lage bis zum Frühjahr nicht verbessere und das Grummeln an der CSU-Basis nicht abnehme, müsse in einem halben Jahr "einer den Putsch wagen". Später stellte Weber klar, das Wort "Putsch" stamme nicht von ihm.
CSU-Generalsekretär Markus Söder wies Spekulationen über einen Aufstand zurück. "Die CSU will einen Neuanfang mit Stoiber", sagte er. Auch Innenminister Günther Beckstein und Staatskanzleichef Erwin Huber (beide CSU) hätten sich ausdrücklich hinter Stoiber gestellt, sagte Söder der dpa. Huber sprach von "völlig überflüssigen Spekulationen, die der CSU nichts nützen". Der CSU-Parteitag habe Stoiber erst vor wenigen Wochen mit über 93 Prozent der Stimmen zum Parteivorsitzenden gewählt. "Das gilt für alle." Dem Kleinen Parteitag empfehle er, sich auf die Koalitionsvereinbarung und damit auf wichtige politische Entscheidungen zu konzentrieren, sagte er.
Der bayerische CSU-Landtagsfraktionschef Joachim Herrmann rechnet damit, dass der Berliner Koalitionsvertrag beim so genannten Parteiausschuss eine "große Mehrheit" erhält. Zwar komme gerade die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts durch die Vereinbarung nur in sehr kleinen Schritten voran, sagte Herrmann. "Das Vereinbarte ist aber eindeutig besser als nichts." Die neue Bundesregierung müsse auf Grundlage des Vertrags jetzt eine Aufbruchsstimmung erzeugen.
Die oberfränkische CSU-Spitze sprach Stoiber unterdessen einstimmig das Vertrauen aus. Umweltminister Werner Schnappauf sagte der dpa als Bezirkschef der CSU Oberfranken am Sonntag in München, bei einer dreistündigen Vorstandssitzung sei deutliche Kritik an Stoibers Verzicht auf ein Ministeramt in Berlin geäußert worden. Man sei sich jedoch auch einig gewesen, dass die Diskussion damit beendet sein müsse. "Wer jetzt noch eine Schippe drauflegt, schürt den Ofen des politischen Gegners", sagte Schnappauf.
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