Trotz Corona steigt die Zahl der Studierenden in Bayern
Die Studierenden kehren in die Hochschulen zurück. Trotz Corona sind es mehr geworden. Wie Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler die Lage zum Semesterstart einschätzt.
Charlotte startet jetzt in ihr neuntes Fachsemester. Hätte sie sich an die Regelstudienzeit von sieben Semestern gehalten, wäre sie bereits seit einem Jahr fertig. Wegen der Pandemie ist ihr Studium ins Stocken geraten. Noch schlimmer sei, dass Corona sie krank gemacht habe, sagt die junge Frau. Das Alleinsein in den drei Corona-Semestern habe sie psychisch nur schwer überstanden. „Mein Therapeut hat mir depressive Episoden bestätigt.“ Ihren Nachnamen will sie deshalb nicht verraten. Sie befürchtet Nachteile für das Studium und den Berufseinstieg, wenn sie ihre Krankheit öffentlich macht.
In diesem Wintersemester will Charlotte endlich ihre Abschlussarbeit abgeben. Die Studentin studiert soziale Arbeit im Bachelor an der Katholischen Stiftungshochschule in München. Inzwischen sei sie in Behandlung und es gehe ihr wieder besser. „Ich kämpfe mich jetzt langsam zurück“, sagt sie. Mit den Lockerungen und der Aussicht auf mehr Präsenzveranstaltungen kehrt wieder Normalität in ihr Studentenleben ein. „Ich merke, dass mir der Austausch mit den anderen Studierenden guttut.“
Weniger junge Menschen beginnen in Bayern ein Studium
Rund 40.9000 junge Frauen und Männer sind aktuell an den Hochschulen des Freistaats eingeschrieben. Laut dem bayerischen Wissenschaftsministerium ist die Zahl in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Im Wintersemester 2016/17 waren 378.320 Studentinnen und Studenten immatrikuliert. Im Wintersemester 2017/18 lag die Zahl bereits bei 388.893, und im Wintersemester 2018/19 stieg sie auf 392.297. Im ersten Corona-Jahr 2020 knackte die Zahl der Studierenden sogar die 400.000-Marke.
Ein tieferer Blick in die Statistik zeigt eine zweite interessante Entwicklung. Die Zahl der jungen Menschen, die ein Studium beginnen, ist in Bayern zuletzt gesunken – von 75.854 im Studienjahr 2019 auf 73.951 (2020). Nun zum Wintersemester 2021/22 haben knapp 65.000 Frauen und Männer begonnen. Wie passt das mit der steigenden Zahl der Gesamtstudierenden in den vergangenen Jahren zusammen?
Für die Sprecherin der Landes-ASten-Konferenz Bayern, Johanna Weidlich, sind diese Zahlen keine Überraschung. Die Online-Lehre habe viele Abiturienten und Abiturientinnen im vergangenen Jahr davon abgehalten, ein Studium zu beginnen, sagt Weidlich. Dass die Zahl der Studierenden trotzdem gestiegen ist, erklärt sich Weidlich so: „Die Studierenden brauchen wegen Corona länger für das Studium.“
Weniger ausländische Studierende während der Corona-Pandemie
Besonders stark war der Rückgang von ausländischen Studierenden und Austauschstudenten während der Corona-Semester. Der Grund dafür seien die Einschränkungen des Reiseverkehrs während der Pandemie, betont das Wissenschaftsministerium.
Trotz Pandemie hat Noah Doman aus den USA im Corona-Jahr 2020 ein Auslandssemester begonnen –und inzwischen wieder abgebrochen. Eigentlich wollte er in Passau den Master „Computational Mathematics“ studieren. „Die Corona-Pandemie ist für mich wie ein Wendepunkt. Statt weiter zu studieren, will ich jetzt anfangen zu arbeiten“, sagt der junge Mann. Vor allem die Einsamkeit und die Online-Lehre waren die Gründe für seinen Studienabbruch im Frühjahr 2021.
Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) ist davon überzeugt, dass das jetzige Wintersemester ohne große coronabedingte Einschränkungen starten kann – auch wenn sehr große Vorlesungen oft weiter digital angeboten würden. Die Regel werde aber die Präsenz sein, gerade bei kleineren Veranstaltungen.
Die meisten Studierenden Bayern sind geimpft
Rund 80 Prozent der Studierenden seien bereits geimpft, hinzu kämen etwa zehn Prozent Genesene, sagte Sibler am Montag. Stichproben sollen sicherstellen, dass alle die 3G-Regel einhalten, also entweder geimpft, genesen oder negativ getestet sind. Hier werde man engmaschig kontrollieren, kündigte der Minister an. Bislang habe es aber keine Probleme geben. So hätten an der Technischen Hochschule in Deggendorf von bis zu 4000 Leuten auf dem Campus nur sieben keinen Nachweis vorlegen können. Kostenlos sind Tests für Studenten nur noch bis zum 30. November. Wo Abstände nicht eingehalten werden können, gilt zudem eine Maskenpflicht. Dies werde im Laufe des Semesters überprüft, sagte Sibler.
Bis sich alle Erfahrungen der Studierenden während der Pandemie in der Statistik niederschlagen, wird es wohl noch dauern. Charlotte, die Studentin aus München, engagiert sich in ihrer Freizeit auch noch in der Hochschulgemeinde und hilft bei der Organisation der Veranstaltungen zum Semesteranfang. Nach dem Bachelor weiterstudieren will sie aber auf keinen Fall, auch nicht in der Präsenzlehre: „Ich bin damit fertig.“ (mit dpa)
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