
Tierfutter als Lebensmittel deklariert?
Memmingen/Deggendorf/Illertissen (bju) - Schlachtreste, die nicht für den menschlichen Verzehr geeignet waren, sind nach einem Bericht der Illustrierten Stern möglicherweise jahrelang in die Lebensmittelproduktion geschleust worden. Die Staatsanwaltschaft Memmingen ermittelt gegen einen Firmenchef aus dem niederbayerischen Deggendorf. Die Firma, hundertprozentige Tochter eines Unternehmens aus Illertissen (Kreis Neu-Ulm), soll Geflügelgerippe und Schweineschwarten, die nur für Tierfutter geeignet waren, umdeklariert und an die Nahrungsmittelindustrie verkauft haben. Gegenüber unserer Zeitung bestritt der Chef der Muttergesellschaft die Vorwürfe.
Im Verdacht stehen laut der Illustrierten eine Firma aus dem niederbayerischen Deggendorf und der Mutterbetrieb in Illertissen. Der Chef der Deggendorfer Firma, ein 39-jähriger aus dem Raum Günzburg, soll hunderte von Tonnen Geflügelgerippe und Schweineschwarten, die nach EU-Recht als "Material der Kategorie 3, nicht für den menschlichen Verzehr geeignet" ausgewiesen waren, umdeklariert und an die Lebensmittelindustrie verschoben haben. In welchen Produkten das fragliche Material letztlich in den Handel kam, ist derzeit noch unklar.
Die Staatsanwaltschaft Memmingen bestätigte gegenüber unserer Zeitung, dass "gegen eine Person aus dem Bezirk, die keine Angaben macht" ermittelt werde. Nach Erkenntnissen der Zollfahndung Lindau habe sich der Verdacht ergeben, dass Schlachtmaterial nicht korrekt verwendet worden sei. Bei mehreren Durchsuchungen seien große Mengen an Akten sichergestellt worden, deren Auswertung wohl noch mehrere Wochen lang dauern werde. Die Ermittlungen, so bestätigte der Memminger Oberstaatsanwalt Johann Kreuzpointner, erstrecken sich auch auf Österreich. Weitere Details wollte er aus "ermittlungstaktischen Gründen" nicht preisgeben.
In Deutschland, Österreich und der Schweiz soll die Deggendorfer Firma laut genussuntaugliche Schlachtreste eingesammelt, zu Lebensmitteln umdeklariert und auch mit Hilfe der Illertisser Muttergesellschaft an die Lebensmittelindustrie in ganz Europa geliefert haben.
Aus hochwertigen Geflügelkarkassen (Gerippen) wird so genanntes Separatorenfleisch gepresst, dass etwa in Formfleisch-Schnitzeln, Wurst oder der Füllung von Teigwaren verwendet wird. Schweineschwarten werden zu Gelatine verarbeitet, die etwa in Gummibärchen, Tortenguss, Wurstwaren oder Joghurt enthalten ist. Bei den fraglichen Karkassen und Schwarten soll es sich jedoch um Material gehandelt haben, das allenfalls für Tierfutter geeignet gewesen sei. Für Lebensmittel habe die Deggendorfer Firma auch keine Zulassung besessen.
Im Gespräch mit unserer Zeitung sagte der Geschäftsführer der Illertisser Mutterfirma, dass es sich bei der Angelegenheit um ein "zolltechnisches Problem" handle. Von der Deggendorfer Firma seien sechs Lastwagen voll Schweineschwarten aus der Schweiz importiert worden, die als "nur für den technischen Gebrauch" deklariert gewesen seien. Es habe sich aber in Wirklichkeit um lebensmitteltaugliche Schwarten gehandelt, die folglich an zwei Gelatine-Hersteller in Frankreich und Italien verkauft worden seien. Bei den Geflügelgerippen habe es sich um "einwandfreies Material aus Deutschland" gehandelt. Der Illertisser Geschäftsführer sagte, dass die Firma in Deggendorf zwar keine Lebensmittel verarbeiten, wohl aber damit handeln dürfe.
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