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Strafen
15.06.2016

Vorsicht, Gaffer! Wie Schaulustige büßen sollen

Es gibt Dinge, die muss man nicht sehen: Einsatzkräfte bilden mithilfe von Decken einen Sichtschutz an einer Unfallstelle mit zwei Toten, um Schaulustige abzuhalten.
Foto: Simon Ertler, dpa

In Notfällen zählt für Verletzte jede Minute. Doch immer häufiger kommen Einsatzkräfte nicht schnell genug voran, weil sensationsgierige Passanten im Weg stehen.

Neulich ist der Polizei der Kragen geplatzt. Da war nicht mehr viel übrig vom sonst so förmlich-ruhigen Ton in offiziellen Verlautbarungen, vom korrekten Amtsdeutsch, dem Appell an die Vernunft. Die Beamten fielen gleich mit der Tür ins Haus. „Hey ihr Gaffer vom Hauptbahnhof“ begann ihr offener Brief, den sie im sozialen Netzwerk Facebook veröffentlichten. Dann ging es richtig los: „Ihr solltet Euch was schämen, dass mehrere hundert von Euch mit dem Smartphone in der Hand die Rettungsarbeiten massiv behindert haben“, stand da beispielsweise. Vom „Gipfel der Skrupellosigkeit“ war die Rede. Und: „Merkt Euch für die Zukunft…“ Aber hallo!

„Oh ja“, sagt Alois Rager, „den Text kenne ich.“ Schon allein, weil er privat auf Facebook unterwegs ist. Außerdem macht so ein ungewöhnliches Schreiben in Polizeikreisen schnell die Runde. Und was hält er nun davon? Der Leiter der Verkehrspolizeiinspektion in Augsburg sitzt an einem windigen Nachmittag am Besprechungstisch seines Büros vor einer Tasse Kaffee und einem Teller mit Keksen und denkt einen Moment nach. Dann sagt er: „Ich kann die Kollegen verstehen.“

Der Vorfall allein ist ja schon kaum zu fassen. Ein kleines Mädchen wird in Hagen im Ruhrgebiet von einem Auto angefahren und schwer verletzt. Unzählige Gaffer behindern die Rettungsarbeiten, filmen und fotografieren auf Teufel komm raus. Die Polizeibeamten haben alle Hände voll zu tun, die Menge auf Abstand zu halten. Verständlich, wenn auch ihre Geduld mal am Ende ist.

Rager ist vor allem ein Punkt wichtig: „Die Polizei muss in den sozialen Medien Präsenz zeigen, um nicht die Informationshoheit zu verlieren“, sagt er. Und: „Wenn es nötig ist, muss sie den Ton und die Sprache an das Publikum anpassen.“ Irgendwann läuft das Fass eben mal über.

Für viele, die in Unglücksfällen an den Einsatzort eilen, um Leben zu retten – Polizei, Feuerwehr, Rettungskräfte, Wasserwacht, Katastrophenschutz –, ist das Fass längst übergelaufen. „Bei einem Fünftel aller Rettungseinsätze wird die Hilfe durch Schaulustige behindert“, sagt Peter Sefrin, Sprecher der in Bayern tätigen Notärzte. Jedes sechste Unfallopfer gerate dadurch in zusätzliche Gefahr. Auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann spricht gegenüber unserer Zeitung von einem „großen Problem“. Gaffen sei gegenüber den Opfern „unverschämt und kann Retter bei ihrer Arbeit behindern oder sogar neue Unfallgefahren verursachen“.

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Forderung nach hohen Geldstrafen: 2000 bis 3000 Euro?

Die Kollegen von Alfons Weinzierl, dem Vorsitzenden des Bayerischen Feuerwehrverbandes, hatten gerade erst in den Hochwassergebieten Niederbayerns unliebsame Begegnungen mit Schaulustigen. Katastrophen-Touristen. Weinzierl hat genug von ihnen. Jetzt fordert er hohe Geldstrafen für solche Leute – „2000 bis 3000 Euro“.

Alois Rager hat Momente wie diese selbst schon erlebt. Er stammt aus Deggendorf, das vor drei Jahren überflutet wurde. Hat Leute gesehen, die durch gesperrte Gebiete wateten und sich selbst in Gefahr brachten, nur um möglichst nah möglichst dramatische Szenen für Facebook, Twitter und Co. einfangen zu können. „Da fehlen dir die Worte“, sagt Rager.

Doch warum kommt jetzt der große Aufschrei? Werden die Menschen tatsächlich immer dreister, rücksichts-, ja pietätloser? Oder erleben wir einfach eine neue Form von Neugier, die – provokant formuliert – doch möglicherweise nur zutiefst menschlich ist?

„Ja“, sagt Rager, „wenn ich auf der Autobahn unterwegs bin und sehe auf der Gegenfahrbahn Blaulicht, dann ist es menschlich, sich zu fragen, was dort los ist.“ Natürlich schaue man auch hin. Das Gaffen beginnt für ihn da, wo man – am Ende noch auf der linken Spur – auf die Bremse tritt, das Geschehen per Smartphone filmt und dabei selbst einen Unfall riskiert. „Das beobachten wir immer häufiger“, sagt Josef Sitterer, den Rager an diesem Tag mit an den Tisch geholt hat. Sitterer leitet die Autobahnpolizeistation im benachbarten Gersthofen. Kennt das, wenn auf der A8 plötzlich aus purer Schaulust lange Staus entstehen wie nach der Unfallserie am vergangenen Sonntag bei Sulzemoos. Wenn Autofahrer zwar eine Rettungsgasse bilden, kaum dass das erste Einsatzfahrzug durch ist, die Gasse aber wieder schließen, weil sie sich so einen besseren Blick auf den Unfallort erhoffen.

Sein Kollege Rager hat für sich eine Steigerungsform des Gaffers definiert. Er nennt es „Gaffer de luxe“, wenn jemand extra zu einem Unglücksort fährt, um seine Neugier zu befriedigen – „obwohl man dort definitiv nichts verloren hat“. So sehr der Polizeibeamte die Möglichkeiten von Smartphone und sozialen Medien schätzt und beruflich zu nutzen weiß – Fakt ist eben auch: „Seit dieser technischen Revolution hat das Gaffen eine neue Qualität bekommen.“

Es ist nicht so, dass auf dem Schreibtisch der beiden Beamten jeden Tag solche Fälle landen. Aber es reicht schon, sich die Fülle an Geschichten zu vergegenwärtigen, die in jüngster Zeit Schlagzeilen machten. September 2014: Eine Frau bricht auf dem Augsburger Rathausplatz zusammen und muss wiederbelebt werden. Einige Dutzend Gaffer belagern den Einsatzort, viele von ihnen mit dem Smartphone in der Hand. Sanitäter und Notarzt können nicht in Ruhe arbeiten. Die Polizei muss einschreiten.

Mai 2015: Die Schäden, die ein Tornado vor den Toren Augsburgs hinterlassen hat, ziehen Horden von Schaulustigen an. Die betroffenen Hausbesitzer sind entsetzt.

Juli 2015: Die Wasserwacht klagt über die zunehmende Zahl von Gaffern bei Badeunfällen. „Wir erleben es leider immer wieder, dass sich eine ganze Traube an Menschen bildet, die einfach nur schauen wollen oder sogar mit dem Handy filmen“, sagt der Augsburger Vorsitzende Günter Eisenrith.

Oder noch drastischere Fälle: In Ingelheim in Rheinland-Pfalz hält ein Familienvater seine dreijährige Tochter direkt über ein Unfallopfer, damit diese einen besseren Blick auf den Verletzten hat. In Mainz liegt eine Frau am Boden, nachdem ihr eine Straßenbahn ein Bein abgetrennt hat. Schaulustige zücken ihre Smartphones und halten ungeniert drauf. Oder eben der Fall in Hagen, der sich kürzlich in ähnlicher Form wiederholt hat. Diesmal ist sogar ein Polizeihund nötig, um 150 aufdringliche Menschen zu bändigen.

Dramatisch wird es vor allem in solchen Situationen – wenn Einsatzkräfte durch Gaffer behindert, am Ende gar angepöbelt werden. Mehrere solcher Fälle haben Leute wie Notärzte-Sprecher Sefrin und Feuerwehr-Verbandschef Weinzierl zu einer Art Hilferuf veranlasst – auf den nun die Politik zu reagieren scheint. Vergangene Woche hat der Innenausschuss des Bayerischen Landtags die Staatsregierung aufgefordert, zu prüfen, ob künftig nicht nur Polizei und Feuerwehr, sondern auch Notärzte einen Platzverweis gegen Gaffer aussprechen dürfen.

Noch weiter geht ein Gesetzentwurf, den die Länder Niedersachsen und Berlin auf den Weg gebracht haben und den der Bundesrat am Freitag abgesegnet hat. Demnach soll folgender Satz neu ins Strafgesetzbuch aufgenommen werden: „Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder eines Rettungsdienstes behindert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“ Dabei umfasst „behindern“ alles, was Einsätze zumindest erschwert, also auch ein bloßes Sitzen- oder Stehenbleiben, das Retter an ihrer Arbeit hindert. Außerdem soll dies nicht nur für Unfälle gelten, sondern auch, um Beispiele zu nennen, beim Herzinfarkt in der Fußgängerzone oder im Hochwassergebiet.

Schärfere Sanktionen soll es nach dem Willen des Bundesrats auch für sensationsgieriges Fotografieren und Filmen geben. Grund ist eine Gesetzeslücke, was die Persönlichkeitsrechte von Getöteten bei Unglücken betrifft. Wer von einer gestorbenen Person eine Aufnahme macht und verbreitet, welche „diese zur Schau stellt“, dem könnten bis zu zwei Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe drohen. Bayern unterstützt die Einführung einer solchen „Gafferstrafbarkeit“, wie Innenminister Herrmann es nennt. „Wir hoffen hier auf eine gewisse Abschreckungswirkung.“

Sind schärfere Strafen die richtige Antwort?

Das sehen die beiden Augsburger Polizeibeamten genauso. „Es wäre durchaus sinnvoll“, sagt Rager. Allerdings liegt bislang nur das Votum der Länderkammer vor. Nun muss der Bundestag entscheiden, ob er die Vorlage annimmt.

Sind schärfere Strafen die richtige Antwort? Man darf ja eines nicht unter den Tisch kehren: Nicht jeder, der an einem Unglücksort steht, ist per se ein Gaffer. „Der eine oder andere kann auch Zeuge sein“, räumt Polizist Josef Sitterer ein. Wo ist jemand wirklich im Weg, behindert Rettungskräfte, wo steht einer nur geschockt daneben? Droht, zugespitzt formuliert, mit verschärften Gesetzen eine Kriminalisierung von Unschuldigen?

„Das glaube ich nicht“, sagt Verkehrspsychologe Jürgen Brenner-Hartmann vom TÜV Süd. Die Gesetzesverschärfung ziele ja auf die bewusste Behinderung von Einsatzkräften und auf die aktive Belästigung des Opfers ab, wirklich Unbeteiligte müssten sicherlich nichts befürchten. Und welche Wirkung schreibt er einer gesetzlichen Neuregelung zu? In der Telefonleitung herrscht kurzes Schweigen, dann sagt Brenner-Hartmann: „Ich erwarte mir keinen großen Effekt. Vielleicht gelingt es, beim einen oder anderen die Schwelle zu senken, ab der die Rationalität einsetzt“ – das Bewusstsein, dass das eigene Verhalten juristische Konsequenzen haben kann. Dies funktioniere aber nur langfristig über Aufklärung. Die Entscheidung zu gaffen sei ja eine spontane Aktion. „Das Bewusstsein, dass man in diesem Moment ein Voyeurist des Leids anderer ist, kommt erst hinterher.“

Das dicke Ende für einen selbst aber eben auch. Das zeigt ein Fall im Sommer vergangenen Jahres aus dem Raum Illertissen. Ein damals 62-jähriger Mann fährt mitten in der Nacht mit seinem Auto zum Gaffen an einen Unfallort an einem Kreisverkehr. Dort ist ein Betrunkener mit dem Wagen gegen ein Schild geprallt. Als die Polizisten den Fall abgewickelt haben, wenden sie sich ihrem stillen Beobachter zu – und stellen fest, dass auch er betrunken ist. Der Mann muss seinen Führerschein abgeben.

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