Wer ist der "Reichsbürger" aus Mittelfranken?
Die Bewegung der "Reichsbürger" gewinnt immer mehr Mitglieder. Die Schüsse auf Polizisten in Franken zeigen, wie gefährlich es wird, wenn Ideologie und Waffen zusammentreffen.
Der Brief hätte eine Warnung sein können. Er liest sich wie das Schreiben eines Wirrkopfes. Und er liest sich so, wie sich viele Schreiben von „Reichsbürgern“ lesen. Im August schreibt Wolfgang P., 49, an den Rother Landrat Herbert Eckstein. Der Mann aus Georgensgmünd südlich von Nürnberg leugnet, die „Person“ zu sein, mit der die Behörden dringend sprechen wollen. Der Jäger hat 31 Waffen in seinem Haus, verweist im Sommer jedoch mehrmals Polizei und Waffen-Kontrolleure von seinem Grundstück. Vielmehr sei er der „autorisierte Repräsentant Ihres Handelsnamens“, heißt es in dem Schreiben – allgemeine Geschäftsbedingungen schickt der Verfasser gleich mit. Purer Blödsinn oder Ausdruck einer sich anbahnenden Aggressivität?
„Solche Leute tut man oft als „Spinner“ ab, sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Doch einige dieser „Reichsbürger“ seien brandgefährlich – wie sich am Mittwoch auf dramatische Weise zeigt. Am frühen Morgen eröffnet Wolfgang P. bei einer Durchsuchungsaktion in seinem Haus das Feuer auf die Polizei. Er verletzt den 32-jährigen Beamten eines Spezialeinsatzkommandos mit einem Schuss lebensbedrohlich.
"Reichsbürger" wartete mit Schutzweste und Pistole auf Polizei
Mit Schutzweste und Pistole in der Hand hat er auf die Einsatzkräfte gewartet. Er war gewarnt, weil die Polizei bewusst das Blaulicht eingeschaltet hatte. P. sollte nicht glauben, dass ein Einbrecher frühmorgens in sein Haus eindringt, sagt Mittelfrankens Polizeipräsident Johann Rast. Er könnte ja sonst auf den vermeintlichen Einbrecher schießen...
Doch Wolfgang P. schießt, obwohl er weiß, dass es Polizisten sind. Oder vielleicht schießt er gerade deswegen. Denn seit Monaten bekennt sich der Mann immer offensiver zur Bewegung der „Reichsbürger“, die den Staat und seine Institutionen ablehnen. P. ist arbeitslos, er hat früher eine Kampfsportschule betrieben. Vor einem Dreivierteljahr schaltete er eine Zeitungsannonce, in der er die Verfassung des Grundgesetzes ablehnte. Seinen Ausweis gab er selbst bei der Gemeinde ab. Er wollte diesem Staat nicht mehr angehören.
Und so nehmen die Dinge ihren Lauf. P. zahlt keine Kfz-Steuern mehr. Ende Mai 2016 wollen Polizisten das Geld eintreiben, aber sie werden von einer Frau des Hauses verwiesen. Das Landratsamt wird informiert. Wolfgang P. ist Jäger und Sportschütze, auf seiner Waffenbesitzkarte sind laut Landrat Eckstein mehr als 30 Waffen eingetragen.
Als P. im Juli dann seinen Wohnsitz abmeldet, aber weiterhin in seinem Haus wohnen bleibt, bekommt die Behörde Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und leitet entsprechende Schritte ein. Doch Wolfgang P. verweigert weiterhin die Kontrollen seines Waffenarsenals.
Das Landratsamt entzieht ihm den Waffenschein. Mitte September stellt das Verwaltungsgericht Ansbach einen Durchsuchungsbeschluss aus. Der mündet in der dramatischen Razzia vom Mittwochmorgen.
"Reichsbürger" greifen immer wieder Polizisten an
Und es ist nicht das erste Mal, dass „Reichsbürger“ Vollzugsbeamte attackieren. Ende August schoss ein ehemaliger „Mister Germany“ in Sachsen-Anhalt auch auf Polizisten und verletzte zwei Beamte. Ebenfalls im August schleifte ein 60-Jähriger in Baden-Württemberg mit seinem Auto einen Polizisten mit – der Mann akzeptierte eine Verkehrskontrolle nicht.
So ist es nachvollziehbar, dass Innenminister Herrmann ankündigt, alle bekannten „Reichsbürger“ in Bayern genau zu überprüfen – vor allem hinsichtlich ihres Waffenbesitzes. Während die Bayern-SPD kritisiert, die Staatsregierung habe große Defizite bei der Einschätzung des Gefährdungspotenzials.
Die Gefährlichkeit des Wolfgang P. wurde richtig eingeschätzt, sonst wären nicht Spezialkräfte angefordert worden. Dennoch wurden Polizisten verletzt. Dabei hatte der 49-jährige „Reichsbürger“ in seinem Brief an den Landrat noch geschrieben: „All mein Tun geschieht immer in friedlicher und liebevoller Absicht.“ Die Angelegenheit solle geregelt werden, „ohne dass ein Mensch zu Schaden kommt“. (mit dpa, afp)
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