Windräder sollen auf Knopfdruck gesprengt werden
Im Grenzgebiet von Ober- und Ostallgäu sollen erstmals in Süddeutschland zwei Windräder auf Knopfdruck umknicken wie Strohhalme. Auf was dabei alles geachtet werden muss.
Es ist nur eine Sache von Sekunden. Zwei kurze Signaltöne als letzte Warnung, dann wird Olaf Hoyer auf den unscheinbaren Knopf in seinem kleinen roten Kasten drücken. Ein gewaltiger Knall wird folgen. Und ein paar Atemzüge später geht der erste der beiden 140-Meter-Riesen in die Knie. Wenige Minuten später knickt auch das zweite Windrad um wie ein Strohhalm, dann eingehüllt in eine dichte Staubwolke.
So sieht er aus, der Plan von Olaf Hoyer. Minutiös hat der 58-jährige Sprengmeister aus Buchenberg (Oberallgäu), der seit über 30 Jahren im Geschäft ist, das Ende der Stromspargel vorbereitet. Hat das Material analysiert und die Fallrichtung berechnet. Und er hat 900 daumendicke Sprenglöcher in die Betonfüße der beiden Türme gebohrt. In diese wird er 40 Kilo gelatineartigen Sprengstoff verteilen, um die Giganten auf dem Haarberg bei Kraftisried (Ostallgäu) in zwei Trümmerhaufen zu verwandeln. Die ersten 40 Meter der Türme bestehen aus Beton, gefolgt von fast 60 Metern Stahlrohr. Auf der Nabe in 99 Metern Höhe sitzen die drei Rotorblätter aus einer Glasfaser-Kunststoff-Mischung, jeder 38,5 Meter lang. Gewaltige Maße und gewaltiges Gewicht: 500 Tonnen wiegt der Turm, 89 Tonnen schwer sind Gondel und Rotoren.
Wird die erste Sprengung dieser Art in Süddeutschland klappen? Hoyer rückt seinen weißen Schutzhelm zurecht und nickt. Er sagt aber auch: „Das Ganze ist eine Herausforderung. Bei einer Sprengung gibt es immer Unwägbarkeiten.“ Hoyer orientiert sich bei dem Projekt am Abbruch großer Industriekamine. Die werden oft „gefaltet“, also in Segmenten gesprengt. Das ist hier nicht nötig, denn es gibt ausreichend Platz. Hoyer wird mit seinem Drahtauslöser wie ein Holzfäller einen Keil in den Turm sprengen, den Rest erledigt das Gewicht des Windrades. Es gibt aber auch offene Fragen: Wohin genau werden die Rotorblätter fallen? Und wie groß ist der Druck, den die Sprengung im Inneren der Turmröhre auslöst?
Windräder erst zehn Jahre alt
Zur Sicherheit werden die Feuerwehren aus Kraftisried und Wildpoldsried (Oberallgäu) eine 300 Meter messende Schutzzone rund um die Anlagen ziehen, die niemand betreten darf. Auch das Vieh auf den angrenzenden Weiden muss weichen. Wann die Windräder in die Luft fliegen, will der Eigentümer der Anlagen, das Allgäuer Überlandwerk (AÜW) Kempten, nicht laut sagen. „Wir möchten einen Auflauf Schaulustiger vermeiden“, erklärt dessen Sprecher Stefan Nitschke.
Doch warum werden die beiden Windräder gesprengt – und das bereits nach zehn Jahren, obwohl solche Anlagen eine Laufzeit von 20 Jahren haben? „Die Herstellerfirma gibt es nicht mehr und es wird für uns immer schwieriger, den Betrieb aufrechtzuerhalten“, erläutert AÜW-Mitarbeiter Thorsten Häusler. Hinzu komme, dass die zwei geplanten Nachfolge-Anlagen effizienter arbeiten. Sie messen bis zur Rotorspitze 206 statt 138 Meter und werden zusammen 13 Millionen Kilowattstunden pro Jahr liefern – Strom für 3000 Haushalte und damit mehr als viermal so viel wie ihre Vorgänger.
„Die Anlagen mit einem Schwerlastkran abzubauen, ist mühsamer und teurer als die Sprengung“, sagt AÜW-Mitarbeiter Häusler. Zumal Komponenten wie Rotoren oder Generator nicht wiederverwertbar seien. „Was brauchbar ist, haben wir ausgebaut.“ Auch 630 Liter Getriebeöl und 30 Liter Kühlflüssigkeit wurden abgelassen. Richtig ausgeweidet werden die Windräder erst am Boden. Das Oberstdorfer Bauunternehmen Geiger, das die Anlagen aufgestellt und später ans AÜW verkauft hat, wird die Trümmer sortieren und entsorgen. Kosten für Sprengung und Restarbeiten: etwa 150000 Euro.
Nachfolgeanlagen ein paar hundert Meter weiter
Ein paar hundert Meter weiter entstehen die jeweils 100 Tonnen schweren Fundamente für die beiden Nachfolge-Anlagen. 10,5 Millionen Euro kostet deren Errichtung insgesamt – finanziert von über 200 Bürgern, den Stromversorgern AÜW und AKW sowie dem Abfallzweckverband ZAK und der Dorfentwicklungs GmbH Wildpoldsried. Insgesamt elf Windräder werden sich Ende 2015 an der Grenze zwischen Ober- und Ostallgäu drehen.
„Wir würden gerne noch mehr aufstellen“, sagt Thorsten Häusler. Doch das scheitert am Veto des Luftfahrtbundesamtes. Denn nahe des extrem windreichen Höhenzuges steht das Drehfunkfeuer Kempten – und das duldet keine weitere Konkurrenz durch die rot blinkenden Stromspargel.
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