Zukünftig könnten Drohnen Kitze vor dem Mähtod retten
Der ersten Mahd fallen jährlich Tausende Rehe, Hasen und Vögel zum Opfer. Jäger appellieren an die Verantwortung der Bauern. Hilfe könnte aus der Luft kommen.
Eigentlich war es wie jedes Jahr. Landwirt Christoph Steppich wollte an der Wiese, die am nächsten Tag gemäht werden sollte, einen sogenannten Kitzretter aufstellen. Das Gerät, das er im Revier Wörleschwang (Kreis Augsburg) jährlich von Jagdpächter Stefan Dommer bekommt, sendet akustische und optische Signale.
Mit den Ton- und Lichteffekten sollen Wildtiere vergrämt werden. Wie etwa weibliche Rehe, die ihren Nachwuchs in Wiesen zum Schutz vor Füchsen oder Greifvögeln ablegen. Wird die Geiß durch die Signale stark beunruhigt, bringt sie ihr Kitz in der Regel in Sicherheit.
Als Steppich in diesen Tagen das Gerät platzieren wollte, sah er ein weibliches Reh aus der Wiese springen. Für ihn Grund genug, die Fläche gemeinsam mit seiner Familie abzusuchen. Und tatsächlich fanden sie ein Kitz, das sich in sein Versteck drückte.
Jagdpächter Dommer wurde informiert und die Wiese ein zweites Mal durchstreift. Mit Erfolg. Die „Lebensretter“ entdeckten ein zweites Kitz, das ebenfalls in einem nahen Waldgehölz in Sicherheit gebracht wurde.
90.000 Kitze werden jedes Jahr durch Mähwerke verstümmelt
Es ist ein Beispiel, wie Kitze vor dem grausamen Mähtod bewahrt werden können. Denn die erste Mahd wird jedes Jahr zur Todesfalle für viele Jungtiere. Wenn die Bauern im Mai mit der Futterernte beginnen, fallen den Maschinen bundesweit Hunderttausende von Rehkitzen, kleinen Hasen und Bodenbrütern zum Opfer.
Allein rund 90.000 Kitze werden laut Bayerischem Jagdverband (BJV) jährlich bei der ersten Grünlandmahd durch Kreiselmähwerke grausam verstümmelt oder getötet. Fakt ist: Der Nachwuchs läuft auch bei großer Gefahr nicht weg, sondern duckt sich instinktiv in sein Versteck.
Der BJV appelliert seit langem an das Verantwortungsbewusstsein der Landwirte. „Effektive Wildrettung beginnt bereits vor der Mahd“, sagt Verbandspräsident Jürgen Vocke. „Nur wenn die Bauern die Mähtermine für Silage und Grünroggen rechtzeitig abstimmen, hat der Jagdpächter die Möglichkeit, Wildscheuchen aufzustellen und die Wiesen und Felder nach Jungwild abzusuchen.“
Dies sei auch im Interesse der Landwirte selbst, betont Markus Peters, Pressesprecher des Bayerischen Bauernverbandes. „Nicht nur die psychische Belastung ist groß, wenn ein Kitz beim Mähen verletzt oder getötet wird.“ Es bestehe darüber hinaus die Gefahr, dass Futter verunreinigt wird und damit Krankheiten in den Stall getragen werden.
Den Bauern drohen empfindliche Strafen beim Tod eines Kitzes
Mit eigenen Informationsbroschüren versucht der Bauernverband jedes Jahr, die Landwirte für das Thema zu sensibilisieren. Denn den Bauern selbst drohen empfindliche Strafen. Sie verstoßen gegen das Tierschutzgesetz, wenn sie ein Kitz bei der Mahd verstümmeln oder töten, ohne die Wiese vorher abgesucht zu haben.
Der Bauernverband ist auch offen für modernste Techniken, wie etwa den Einsatz von Drohnen, Infrarotgeräten oder Wärmebildkameras, sagt Peters. Wichtig sei zudem eine richtige Mähstrategie. So sollten die Wiesen von innen nach außen gemäht werden, um Rehen, Hasen oder Fasanen die Chance zur Flucht zu geben. Peters: „Wir müssen uns jedoch von dem Gedanken verabschieden, dass trotz all der Maßnahmen jedes Kitz gerettet werden kann.“
Doch Cornelia Günther will, dass zumindest mehr Tiere gerettet werden. Erst am Donnerstag war sie mit ihrem Mann und einem Biobauern unterwegs, um eine Wiese in Reinhartshausen (Kreis Augsburg) abzusuchen. Zusammen mit dem Jagdpächter hat sie dafür eine Drohne gekauft, die mit einer Wärmebildkamera arbeitet.
Nach dem Flug erhält man automatisch die genauen Koordinaten von der Stelle, an der ein Rehkitz oder ein kleiner Hase liegen könnte. Die Tierärztin hat sich dazu entschlossen, nachdem sie ein Kitz, dem alle vier Läufe abgetrennt wurden, einschläfern musste. „Es war grausam“, sagt sie. Nun plant sie den Verein „Kitzrettung Augsburg“ zu gründen, der über Spenden finanziert werden soll. Denn für die Landwirte soll der Einsatz der Drohne kostenlos bleiben.
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