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Foto: Peter Kneffel, dpa
Foto: Peter Kneffel, dpa

Ein Corona-Patient auf der Intensivstation im Frühling. In dieser ersten Welle haben die Kliniken viel über das Virus gelernt, sie konnten sich auf die zweite Welle, die mittlerweile angebrochen ist, vorbereiten.

Pandemie
19.10.2020

Kliniken im Corona-Herbst: Die Intensivbetten sind nicht das Problem

Von Stephanie Sartor

Plus Die Corona-Infektionszahlen steigen rasant an. Wie viele Menschen derzeit auf Intensivstationen liegen und wie viele freie Betten es in Bayern noch gibt.

Die Bilder, die in den Sommermonaten beinahe vergessen schienen, kehren nun wieder ins Gedächtnis der Menschen zurück: Bilder aus Italien oder Spanien, wo die Intensivstationen angesichts der schieren Masse an Corona-Patienten heillos überfordert waren. Dass derlei Zustände auch bald in Deutschland herrschen könnten, diese Angst haben jetzt viele Menschen – denn das Virus breitet sich rasant aus. Vor allem auch in Bayern. Wie gut ist der Freistaat auf die kommenden Wochen vorbereitet? Wie viele Intensivbetten gibt es? Müssen Operationen verschoben werden? Die wichtigsten Fragen und Antworten zur aktuellen Corona-Situation.

Wie stark steigen die Infektionszahlen in Bayern?

Bisher haben sich in Bayern 79.735 Menschen mit dem Coronavirus infiziert (Stand Montag). Das zeigen die Zahlen des Robert-Koch-Instituts. Innerhalb der letzten sieben Tage wurden im Freistaat 6220 neue Fälle registriert. In mehreren Städten und Landkreisen wurde bereits die kritische Marke von 50 neuen Erkrankungen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche überschritten, etwa in Augsburg oder im Ostallgäu.

Wie viele Covid-19-Patienten müssen derzeit auf einer Intensivstation behandelt werden?

Deutschlandweit werden derzeit 830 Covid-19-Fälle intensivmedizinisch behandelt, wie die Daten der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) zeigen. In Bayern sind es 93, davon werden 44 Menschen invasiv beatmet. Zum Vergleich: In Mecklenburg-Vorpommern werden nur fünf Patienten intensivmedizinisch behandelt, in Nordrhein-Westfalen sind es hingegen 239. Von mehr als 30.000 deutschen Intensivbetten sind laut DIVI derzeit etwa 9400 frei. Zudem gibt es weitere rund 12.000 Betten, die im Notfall aktiviert werden können.

In Bayern sind von etwa 4200 Intensivbetten knapp 1300 frei. „Das ist noch keine kritische Größe“, sagt Eduard Fuchshuber, Sprecher der Bayerischen Krankenhausgesellschaft. Die Hospitalisierung sei im Vergleich zur ersten Corona-Welle etwas gesunken, fährt er fort. Dem DIVI-Intensivregister zufolge gibt es in Bayern außerdem noch knapp 2000 Betten in der Notfallreserve, die innerhalb von sieben Tagen zusätzlich aufgestellt werden könnten.

Genügend Betten gibt es also, aber auch genügend Personal?

Die Personalnot sei in der Tat ein großes Problem, sagt Fuchshuber. In der ersten Corona-Welle hätten viele Kliniken damit angefangen, Personal weiterzubilden, damit auch normale Pflegekräfte auf Intensivstationen arbeiten können. „Dennoch fehlt noch immer überall Personal.“ Warum es ausgerechnet in der Intensivmedizin zu Engpässen kommt, erklärt Fuchshuber so: Man brauche dafür eine Zusatzqualifikation. Außerdem sei es eine Arbeit, für die nicht jeder geeignet sei, schließlich verlange einem die Pflege schwerstkranker Menschen enorm viel ab, körperlich, aber auch psychisch.

Werden derzeit schon Operationen verschoben, um Kapazitäten für Covid-19-Patienten freizuhalten?

Prof. Dr. Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, zufolge, haben alle größeren Krankenhäuser Pläne in der Tasche, im Notfall bestimmte Operationen zu verschieben. „Im Moment müssen wir das aber noch nicht“, sagt Janssens. Auch Prof. Dr. Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie an der München Klinik Schwabing, erklärt, dass so ein Vorgehen an seiner Klinik derzeit kein Thema sei. Es würden auch keine Therapien – etwa Chemotherapien – verschoben.

Haben sich die Behandlungsmöglichkeiten verbessert und können wir deswegen ein wenig beruhigter in den Herbst blicken?

Was die Behandlung mit dem Medikament Remdesivir angeht, gebe es eine gewisse Ernüchterung, sagt Mediziner Wendtner. Einer neuen Studie zufolge sei der Effekt wohl kleiner als man gedacht habe. Eine Reduktion der Sterblichkeit sei in dieser Untersuchung nicht zu beobachten, ebenso keine Verkürzung der Verweildauer im Krankenhaus, erklärt Wendter. „Wir setzen aber nach wie vor Remdesivir ein. Wir haben den Eindruck, dass es in Einzelfällen geholfen hat.“ Insgesamt habe man in den vergangenen neun Monaten viel gelernt, sagt Wendtner. Aber eine wirkliche „Bazooka“ gegen das Coronavirus, die habe man bisher noch nicht zur Verfügung.

Wie wird sich die Situation in den kommenden Wochen entwickeln?

„Wir sollten wachsam sein, aber nicht panisch“, sagt Wendtner. Es sei wichtig, weiterhin an die Bevölkerung zu appellieren, die einfachen Regeln, mit denen man die Ausbreitung des Virus bremsen könnte, zu befolgen. „Das Problem ist derzeit, dass eine gewisse Müdigkeit herrscht“, sagt Wendtner. Wie es nun im Herbst weitergeht, das liege am Verhalten jedes Einzelnen. „Es wäre schön, wenn wir diesen Stresstest für das Gesundheitssystem nicht provozieren würden.“

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