Zwischen Tradition und Tierschutz: Leiden Pferde bei der Leonhardifahrt?
Mit der Leonhardifahrt findet in Bad Tölz am 6. November die größte Pferdewallfahrt statt. Für die Tiere kann das aber stressig sein, weshalb der Umzug umstritten ist.
Pünktlich um neun Uhr, wenn alle Kirchenglocken läuten, wird sich wieder am 6. November in Bad Tölz eine der größten Leonhardifahrten in Bayern in Bewegung setzen: 500 Pferde werden 75 geschmückte Festwagen zu Ehren des heiligen Leonhards hoch zur Leonhardikapelle auf dem Kalvarienberg ziehen, wo Reiter und Tier gesegnet werden. Ein altes Brauchtum, der seit vielen Jahren unverändert ist. Ein Grund, warum die Tölzer Pferdewallfahrt im November 2016 auch zum immateriellen Unesco-Weltkulturerbe ernannt wurde. "Das ist Tölzer Lebensgefühl", sagt Josef Janker, der Bürgermeister von Bad Tölz. Ein Lebensgefühl, dass nicht jeder teilen kann. "Viele Pferde erleiden dadurch nämlich starken Stress", sagt Dr. Robert Fitz von der Tierklinik Gessertshausen. Der Tierarzt behandelt in erster Linie Pferde und weiß, wie sensibel die Vierbeiner sind.
Blasmusik, feiernde Besuchermassen, Kopfsteinpflaster und schwere Wagen: "Selbst für trainierte Pferde ist diese Veranstaltung unberechenbar", sagt Fitz. Denn auf den vielen Leonhardiritten, die rund um den 6. November in ganz Bayern stattfinden, können viele unvorhergesehene Sachen passieren, die den Tieren Angst machen. "Auslöser kann bereits eine Papiertüte auf dem Boden sein", sagt Fitz. Die Reaktion sei in einem solchen Fall oftmals nur die Flucht.
Doch wie können solche Situationen vermieden werden? "Man kann den Pferden natürlich ein Beruhigungsmittel geben, aber das ist nicht Sinn und Zweck der Sache", sagt Fitz. Ansonsten helfe nur regelmäßiges Training. "Dem Pferd immer wieder zeigen, dass eine Papiertüte harmlos ist", sagt Fitz. Aber selbst an Tieren, die regelmäßig an Turnieren teilnehmen und Veranstaltungen gewohnt seien, gingen solche Erlebnisse nicht spurlos vorüber. "30 bis 40 Prozent der Pferde, die scheinbar ruhig mit solchen Situationen umgehen, bekommen davon Magengeschwüre", sagt der Arzt. Diese seien ein Ausdruck von zu viel Stress.
Ein gewisses Risiko bringen derartige Veranstaltungen immer mit sich - für Mensch und Tier. "Ich lehne die Leonhardiritte nicht grundsätzlich ab, doch die Pferde dafür müssen sorgfältig ausgesucht werden", sagt Fitz. Heutzutage würden immer sensiblere Pferde gezüchtet, für die die Reize noch schlimmer sind. "Sie können so eine Veranstaltung gesundheitlich nicht bewältigen."
Zwei schlimme Unfälle bei Leonhardifahrt 2018 in Bad Tölz
Eine Tatsache, die vielen Besuchern im vergangenen Jahr in Bad Tölz schmerzlich bewusst wurde. Ein Pferd stolperte auf den Pflastersteinen - der Reiter fiel mit dem Kopf voraus auf den Boden und zog sich Verletzungen zu. Ein anderes Pferd, das ein Gespann zog, brach zusammen und starb. Der Schock vieler Beteiligter war groß. Was folgte war eine Diskussion über die Fortsetzung der Wallfahrt. Kritiker forderten, diese abzuschaffen, da die Tiere einem zu großen Stress ausgesetzt sind. Die Tierschutzorganisation PETA ging noch einen Schritt weiter und verlangte die Abschaffung von Pferdekutschen. Robert Fitz sieht kein Problem darin, dass Pferde die Festwagen ziehen. "Die Arbeit, Zäumung und das Geschirr sind artgerecht", sagt er. "Das Problem ist eher das Nervenkostüm, das angegriffen wird."
Dieser Kritik setzt die Stadt Bad Tölz strenge Sicherheitsvorkehrungen entgegen. "Wir haben einen Veterinär vor Ort, der die Tiere genau beobachtet", sagt Birte Otterbach, Pressesprecherin der Stadt Bad Tölz. Falls es Anzeichen gibt, dass es einem Pferd nicht gut geht, wird dieses sofort aus dem Verkehr gezogen. Doch das sei in den vergangenen Jahren kein einziges Mal vorgekommen. "Denn unsere Rosser trainieren ihre Pferde bewusst auf die Leonhardifahrt hin", sagt Otterbach. Rosser sind Reiter, die ihre Pferde wie einen Sportler an die Leistung heranführen. Die Vierbeiner, die bei der Leonhardifahrt Wagen ziehen, würden keineswegs das ganze Jahr auf der Weide stehen. Die Pferde würden auch sonst das ganze Jahr über in der Forstwirtschaft zum Einsatz kommen. "Sie sind es gewohnt, Wagen zu ziehen und halten den Lärm aus", sagt Otterbach. Zudem gebe es in der Stadt zahlreiche Versorgungsstellen für die Pferde.
Die Leonhardifahrt ist für die Menschen in Bad Tölz so wichtig wie Weihnachten
Für Bad Tölz bedeutet die Leonhardifahrt vieles - vor allem ist es aber ein Treffpunkt, bei dem alle Tölzer zusammenkommen. "Bei uns hat die Veranstaltung den gleichen Stellenwert wie Weihnachten", sagt Otterbach. Familienmitglieder aus dem Ausland kommen nach Hause, um mit ihren Liebsten die Leonhardifahrt zu feiern. "Wir haben die größte und auch die treueste Leonhardifahrt", sagt Otterbach. Denn die Fuhrwerke, die an diesem Tag durch die Stadt rollen, sind alle im Originalzustand und dürfen auch nicht verändert werden. "So haben die Wagen immer noch Eisenreifen. Sie werden Instand gehalten anstatt ausgetauscht", sagt Otterbach. Auch die Fuhrleute, Mitfahrer, Bürgermeister und Stadträte kommen in Originaltrachten - mit Gehrock und Zylinder. "Frauen werden, so will es die Tradition, auf den Wagen sitzend gefahren", lässt die Stadt verlauten. "Als Reiter, Fuhrleute und Brettlhupfer sind nur Männer zugelassen".
Leonhardiritte in der Region: am 9. November in Fischbachau-Hundham (Landkreis Miesbach), am 10.November in Utting am Ammersee, Ichenhausen und Illerbeuren bei Kronburg und am 11. November in Garmisch-Partenkirchen,
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Dann müßte auch der Oktoberfestumzug eingestellt werden, da sind noch mehr Menschen und Lärm. Aber ans Oktoberfest geht man natürlich nicht ran, da ist zuviel Geld im Spiel!