"Duft des Allgäus": Stinkt die Gülle wirklich immer schlimmer?
Allgäuer Anwohner ärgert sich über vermeintlich zunehmenden Gestank. Was Experten dazu sagen und wieso die Gülle in der Energiekrise in den Fokus rückt.
Die einen sprechen augenzwinkernd vom „Duft des Allgäus“. Anderen stinkt es gewaltig: Gülle, auch Bschütte genannt, sorgt immer wieder für Diskussionen. So wandte sich beispielsweise ein Anwohner mit empfindlicher Nase an unsere Redaktion und klagte über angeblichen sommerlichen Dauer-Mief in seiner Heimatgemeinde. Sein gefühlter Eindruck: „Es wird immer häufiger bschüttet und die Gülle stinkt immer mehr.“ Um Ärger im Ort zu vermeiden, will er Name und Herkunft nicht bei uns lesen. Doch was ist dran an solchen Spekulationen?
„Rein gar nichts“: Diese klare Aussage kommt von Rainer Hoffmann, Bereichsleiter beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Kempten. Nach der EU-Düngevorschrift, die 1996 in Kraft trat, dürfen Bauern pro Jahr und Hektar maximal 170 Kilo Stickstoff aus organischem Dünger ausbringen. Mit anderen Worten: Die Obergrenze ist seit Jahren unverändert. In der Regel würden Bauern zwei bis vier Mal pro Jahr Gülle ausfahren. Geändert hat sich laut Hoffmann indes die „allgemeine Empfindlichkeit“ bei diesem Thema: „Die Sensibilität ist gestiegen.“
Bauernverband: "Je wärmer es ist, desto stärker riecht man die Gülle"
Diesen Sommer dürften dabei auch Hitze und Trockenheit eine Rolle spielen. „Je wärmer es ist, desto stärker riecht man die Gülle“, sagt Helmut Mader, Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbandes im Unterallgäu. Hitze beflügelt die Abbautätigkeit von Mikroorganismen und es werden mehr Gase gebildet. Falsch sei aber die These, dass die Gülle grundsätzlich stärker stinkt: „Die Tiere fressen und verdauen gleich wie vor 20 Jahren.“ Auch die verstärkte Verbreitung von Rassen wie Fleckvieh (rotbraun-weiß gescheckt) oder Holsteinern (schwarz-weiß) bei gleichzeitigem Rückgang des Braunviehs bringe geruchstechnisch keine Veränderung: „Rind bleibt Rind“, sagt Mader.
Nicht selten riecht die Bschütte sogar weniger intensiv als in früheren Zeiten, sagen Experten aus der Landwirtschaft. Nämlich dann, wenn Bauern die Brühe vor dem Ausbringen in einer Biogasanlage aufbereiten. Dabei werden laut Bundesamt für Umwelt Treibhausgas-Emissionen reduziert. Zugleich kann mit dem Biogas in einem Blockheizkraftwerk Strom und Wärme erzeugt werden.
Treibstoff LNG kann aus Gülle gewonnen werden
Neben diesem bekannten Modell könnte sich in Zukunft ein weiteres etablieren. Von dieser Vision spricht Elmar Karg, neuer Vorsitzender des Milchwirtschaftlichen Vereins in Kempten. Mittels modernster Technik könne schon heute in einer Biogasanlage der Treibstoff LNG gewonnen werden. Das Biogas werde dabei aufbereitet und zu Bio-LNG verflüssigt, das fast ausschließlich aus Methan besteht. „Ich gehe davon aus, dass im Allgäu bald erste Anlagen entstehen werden. Die Betreiber holen dann Gülle bei den Landwirten ab, produzieren und verkaufen LNG-Treibstoff und bringen die veredelte Gülle später wieder zurück zum Bauern.“ Bio-LNG könnte als Kraftsstoffalternative beispielsweise im Bus- und Bahnverkehr im Allgäu zum Einsatz kommen. „Das ist ein hoch spannendes Feld, das durch die Energiekrise zusätzlich an Bedeutung gewinnt“, sagt Elmar Karg.
Doch zurück zur Gülle, wie sie die meisten Allgäuer kennen: als stark riechende braune Brühe auf den Wiesen. Den Bauern sei bewusst, dass sich Anwohner dadurch gestört fühlen, sagt Karg. „Sie fahren meist nur morgens und abends aus, damit die Gülle nicht zu sehr ausgast, und verzichten aufs Bschütten am Wochenende.“ Ärger lasse sich oftmals im Vorfeld durch ein Gespräch ausräumen. Zum Beispiel, wenn ein Fest oder eine Familienfeier ansteht. „Wenn ich davon erfahre, bschütte ich an dem Tag natürlich nicht. Das ist doch Ehrensache“, sagt Karg.
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