Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Bayerns Gymnasien ohne Abitur: Die Stimmung ohne Abschlussjahrgang

Abitur

Kein Abistreich und Prüfungsstress: Bayerns Gymnasien atmen durch

    • |
    • |
    • |
    Kein Prüfling weit und breit: Das gilt heuer für die meisten bayerischen Gymnasien.
    Kein Prüfling weit und breit: Das gilt heuer für die meisten bayerischen Gymnasien. Foto: Robert Michael, dpa

    Viele sagen ja, die Abizeit sei eine der schönsten im Leben. Der lästige Schulalltag hat ein Ende, die Hürde des Abiturs ist geschafft und die Pflichten des Studierenden- oder Arbeitsalltags liegen noch in weiter Ferne. Die jungen Erwachsenen zelebrieren ihre Freiheit und verabschieden sich in aller Öffentlichkeit – und nicht immer ganz nüchtern – von ihrer Kindheit. Doch in diesem Jahr bleiben die Festivitäten an den meisten Gymnasien aus. Wegen der Rückkehr vom achtjährigen zum neunjährigen Gymnasium gibt es vielerorts keinen Abschlussjahrgang. Eine Ausnahme mit historischem Charakter. Wie ist die Atmosphäre an einem Gymnasium ohne Absolventen und Abschiedsstimmung?

    Für den Deutschkurs der 12. Jahrgangsstufe des Schmuttertal-Gymnasiums in Diedorf (Kreis Augsburg) steht gerade „Der zerbrochene Krug“ auf dem Stundenplan, ein Theaterstück von Heinrich von Kleist. Sie sind die Ältesten an ihrer Schule, doch an die Abschlussprüfung denken sie noch lange nicht. Abi ist erst nächstes Jahr. „Es ist nicht dramatisch, aber ich finde es zum Beispiel schade, dass es keinen Abistreich gibt“, sagt eine 18-jährige Schülerin. Die meisten der 16 Jugendlichen stimmen ihr zu, der Streich sei „immer lustig“. Zudem sei der Austausch mit der nächsthöheren Jahrgangsstufe ein Jahr früher weggefallen. Gerade beim Planen von Veranstaltungen mache das einen Unterschied.

    Mehr Aufmerksamkeit und mehr Geld: Einmalige Vorteile für den G9-Jahrgang

    Insgesamt fallen die Stimmen zum ausbleibenden Abschluss von Schülerseite allerdings positiv aus. Die Aufmerksamkeit liege nun ein Jahr länger bei der ersten G9-Jahrgangsstufe, das bringe auch finanzielle Vorteile: „Wenn wir jetzt schon Abi machen würden, hätten wir zum Beispiel nicht genug Geld für den Abiball“, sagt eine Zwölftklässlerin. Jetzt bleibe mehr Zeit, die Abikasse zu füllen. Zudem konnten sie in der elften Stufe Abifahrten unternehmen.

    Einen weiteren positiven Punkt spricht Deutschlehrer und Oberstufenkoordinator Michael Hartmann an: „Ihr seid freier und könnt als Abistreich mal was ganz Neues machen.“ Die Schülerinnen und Schüler des Deutschkurses nicken zustimmend. Der direkte Vergleich mit dem vorigen Jahrgang falle weg, so stünden sie weniger unter dem Einfluss der vergangenen Jahrgänge.

    Erster G9-Jahrgang: Schüler fühlen sich wie „Versuchskaninchen“

    Der Jahrgang der jetzigen 12. Stufe ist der erste, der nach dem neuen Konzept des G9 lernt. Der Lehrplan wurde teilweise geändert, sodass das neunjährige Abitur andere Inhalte behandelt und prüft. Viele Schülerinnen und Schüler fühlten sich deshalb als „Versuchskaninchen“: Einige Lerninhalte seien noch nicht ganz ausgereift. Eine Schülerin spricht den Unterschied zum Schulstoff der vorherigen Jahrgänge an. „Sonst konnte man die Klausuren des vergangenen Jahrgangs zum Lernen benutzen. Das fällt bei uns weg“, sagt die Zwölftklässlerin. Ein 18-Jähriger sieht darin jedoch auch eine Chance: „Man kann mal was Neues ausprobieren und hat einen neuen Input, auch wenn es dann vielleicht wieder gestrichen wird.“

    Ein größerer Unterschied ist das fehlende Abitur für das Lehrerkollegium. Ein Jahr ohne Abiturstress sei für Lehrerinnen und Lehrer in der Oberstufe eine Pause zum Durchatmen, denn die Abiturprüfungen erforderten viel Arbeit: „Das ist für uns jetzt ein Break, wo man sich selbst hinterfragen und vielleicht auch Dinge verändern kann“, sagt Hartmann. Mit dem zusätzlichen Freiraum könne er mit den Kollegen überlegen, wie sie die Oberstufe neu aufstellen und beispielsweise neue Veranstaltungen planen. Trotzdem habe er das Gefühl, dass in diesem Jahr etwas fehle. „Es ist toll, wenn man einen Jahrgang zum Abitur geführt hat und denen dann das Abschlusszeugnis in die Hand drücken kann“ sagt der Oberstufenkoordinator. Das fehlt ihm.

    Besonderer Abiturjahrgang: Nur 5.500 anstatt 34.000 Abiturienten

    Rund 100 bayerische Gymnasien starten am 29. April allerdings trotz Umstellung mit den Abiturprüfungen. Anstatt 34.000 wie im vergangenen Jahr schließen aber lediglich 5.500 Schülerinnen und Schüler die Oberstufe ab. Das sind beispielsweise Sitzenbleiber, Schüler, die nach dem Realschulabschluss in die Oberstufe gewechselt sind und Überflieger, die ihr Abitur in verkürzter Zeit abschließen.

    Das Ignaz-Kögler-Gymnasium (IKG) in Landsberg am Lech ist eine der Schulen, die dem sogenannten Auffangnetz angehören. 29 Absolventinnen und Absolventen werden in den kommenden Wochen ihre Abiturprüfungen ablegen. Oberstufenkoordinatorin Corinna Hackenberg spricht von einem besonderen Jahrgang: „Wir können als Schule sagen, wir hatten den aller-allerletzten G8-Jahrgang. Und durch die beschauliche Größe kenne ich die Schülerinnen und Schüler deutlich besser.“ Zu dem Auffangjahrgang gehören nicht nur Schülerinnen und Schüler aus Landsberg, einer komme beispielsweise jeden Tag aus dem 40 Kilometer entfernten Weilheim.

    Die 18-jährige Franzi Dellinger ist Teil dieses Abschlussjahrgangs. Sie hat sich nach dem Realschulabschluss fürs Gymnasium entschieden, in dem kleinen Jahrgang sieht sie Vor- und Nachteile. „Wir kennen uns viel besser, die Klassengemeinschaft ist stärker ausgeprägt“, sagt Dellinger. Allerdings gebe es eine kleinere Auswahl an Kursen. Zudem sei es schwierig, Veranstaltungen wie die Abifahrt oder den Abiball zu organisieren, weil sich weniger Schüler zuständig fühlten. Der 18-Jährigen sind solche Dinge aber wichtig, sie will die besondere Phase voll und ganz ausnutzen. Denn vielleicht ist es die schönste Zeit ihres Lebens.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden