Da, hören Sie? Philipp Herrmann bleibt abrupt stehen, seine Finger greifen flugs zum Fernglas. Ja, tatsächlich, ein klares zilp zalp zalp zilp zalp zilp ertönt. Ein Zilpzalp, dieser zierliche, graubraune Vogel, der so schön seinen eigenen Namen trällert, er ist auch hier in unmittelbarer Nähe stark befahrener Straßen am Augsburger Kongress am Park deutlich zu vernehmen. Auch einen Buchfink erkennt Herrmann sofort. Hören Sie, fragt er wieder und strahlt? „Bitte bitte bitte bring mir ein würzig´ Bier“ spricht er den Gesang dieses kleinen Prachtkerls mit. Es ist einer der verschiedenen kurzen Merksätze, die dabei helfen, aus dem prächtigen Konzert, das gerade jetzt im Frühling in der Natur täglich aufgeführt wird, die Solisten besser herauszufiltern.
Bis zu 250 Aufnahmen erhält er an schönen Tagen – und längst nicht nur aus Bayern
Denn wissen wollen viele Menschen, wer denn da gerade zwitschert, ruft oder krächzt, wenn man das Fenster öffnet, im Garten sitzt oder einen Spaziergang macht. Philipp Herrmann bietet dafür nicht nur vogelkundliche Führungen an, er hat dafür eine eigene Vogelstimmenhotline: Seit 2016 bietet er, der sich als Vogelphilipp längst einen Namen gemacht hat, immer im April einen Whatsappkanal an. Dort kann man seine selbst gemachte Handyaufnahme der unbekannten Vogelstimme versenden und der Vogelphilipp antwortet. „Da kommen an schönen Tagen zu Spitzenzeiten schon mal 200 bis 250 Aufnahmen“, erzählt er. Und das nicht nur aus Bayern. So mancher habe ihm schon aus dem Urlaub in Japan, Kanada oder Kolumbien Aufnahmen geschickt. Doch sein Schwerpunkt sei klar: „Die Vögel Europas“, so heißt auch sein ziemlich abgenutztes Buch, das er stets bei sich trägt und in dem er unter anderem eingetragen hat, wann und wo er die eine oder andere Art zum ersten Mal gesichtet hat. Herrmann, der mit seiner Frau und den beiden Töchtern in Landshut lebt, hat aber auch selbst ein Buch geschrieben. Es heißt, wie könnte es anders sein, „Vögel bestimmen mit den Ohren“.

Wer mit dem 42-jährigen Biologen einen Spaziergang macht, dem wird schnell klar: Hier ist jemand mit dem Kopf – oder besser gesagt mit seinen Ohren – ununterbrochen bei den Vogelstimmen um ihn herum: Kleiber, Blaumeise, Kohlmeise, Amsel, Fink – und da, man hört sie nicht nur, sie haben sich auch gut sichtbar auf der Wiese niedergelassen, zwei Wacholderdrosseln. Herrmann singt die einzelnen markanten Gesänge nach, pfeift, ruft, erklärt, sucht die gefiederten Freunde mit seinem Fernglas und freut sich jedes Mal, wenn er den Sänger auf dem Baum oder im Strauch gefunden hat. Keine Frage, hier ist jemand mit Herzblut unterwegs. Und das von Kindesbeinen an. Aufgewachsen in einem kleinen Dorf im südlichen Landkreis Landshut/Dietelskirchen schleicht er schon mit zehn, elf Jahren im von der Mutter genähten Indianerhemd, an den Füßen Mokassins möglichst lautlos durchs Gebüsch, um den faszinierenden Gesängen und den ausführenden Sängern so nah wie möglich zu sein. Er baut Nistkästen und beobachtet in jeder freien Minute, was sich in der Welt der Vögel tut. Am Abend, zum Einschlafen, hört er Vogelstimmen-CDs – der Weg zum Studium des Naturschutzes und der Landschaftsplanung, er war vorgezeichnet.
Unerlässlich ist ein Fernglas: Wer die Prachtkerle auch sieht, prägt sich die Stimme besser ein
Was also rät er Menschen, die auch endlich wissen wollen, wer um sie herum so wohltuend trällert? Vor allem sollte man Schritt für Schritt vorgehen, sagt Herrmann. Erst eine Vogelstimme, dann zwei...und bis man sich verguckt, hat man schon „Die wilden 13“ zusammen, eine Auswahl der bei seiner Hotline am häufigsten gefragten Arten. Wichtig sei vor allem ein Fernglas. Denn wer den Sänger sieht, präge sich seine Stimme besser ein – zumal beispielsweise so ein kleiner, schmetternder Zaunkönig mit beim Singen hoch gestellten und vor Anstrengung wackelnden Schwanz auch ein hinreißender Anblick ist.

Wissen sollte man auch: Nicht jeder Vogel singt überall gleich. „Es gibt auch Dialekte“, weiß Herrmann. Die Melodiesätze variieren bei manchen Arten leicht von Region zu Region. „Zum Start eignen sich daher eher der Zilpzalp, der Hausrotschwanz und die Amsel.“ Beginnen sollte man auch nicht gerade mit den Arten, die als wandelbare Sänger glänzen: So mache eine Kohlmeise schon mal eine Blaumeise nach und die Mönchsgrasmücke ist für ihr so genanntes Spotten, also das Nachahmen anderer Gesänge, geradezu bekannt. „In unserem Garten habe ich ein Mönchsgrasmücke-Männchen beobachtet, das sich an manchen Tagen in die Morgensonne setzte und die Gesänge von Dorngrasmücke, Gartenrotschwanz bis hin zur Singdrossel in den eigenen Gesang einbaute.“ Kann es also sein, dass Vögel auch mal nur aus Lust und Laune singen? Herrmann lächelt. „Also alles weiß man noch nicht über den Vogelgesang. Allerdings kann man davon ausgehen, dass die meisten Gesänge eine Funktion haben, sei es beispielsweise, dass ein Weibchen damit umgarnt werden soll, sei es, dass Rivalen vom Revier abgehalten werden sollen.“
Es wird nicht nur gesungen, es wird auch gelacht, getrommelt und gerufen
Doch es wird nicht nur gesungen. „Der Grünspecht beispielsweise gibt ein freches Lachen Gü gü gü gü oder Klü klü klü klü von sich.“ Der Buntspecht trommelt und der Uhu ruft sein tiefes UHUUUU. Daneben gibt es Warnrufe: Einer der bekanntesten, der gerade im Frühjahr zu hören ist, ist das hohe „Ziiiiiiiieeee“ der Amsel, wenn Gefahr aus der Luft droht, etwa durch Greifvögel. Dagegen stößt sie ein manchmal sehr lang tönendes „Tick tick tick tick“ aus, wenn vom Boden Gefahr ausgeht, etwa von einer Katze. Und die Warnrufe gelten nicht nur der eigenen Art, manche funktionieren sogar artübergreifend: So verstünden das hohe „Ziiiiiiiieeee“ der Amsel auch Meisen und Rotkehlchen und sind gewarnt.

Ein Rotkehlchen lässt sich nun auch noch blicken: Viele erkennen es an seiner rot-orangenen Kehle, doch es hat auch einen wunderbar leicht melancholisch anmutenden Gesang. Wer die Stimmen all der Sänger und Sängerinnen der Lüfte lernen will, er muss eigentlich nur eins machen, sagt Herrmann: So oft wie möglich in die Natur gehen, beobachten und lauschen.

Frag den Vogelphilipp: Im April bietet Philipp Herrmann wieder seine kostenlose Vogelstimmenhotline: Dafür die Telefonnummer 0151/29068600 zu den Kontakten hinzufügen, den Vogelgesang mit Whatsapp aufnehmen und versenden. Bald kommt dann eine Antwort.
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