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Erfahrungen mit Polyamorie: „Nachbarn wollten meinen Mann warnen“

Liebe

„Die Nachbarn wollten meinen Mann warnen“: Zwei Frauen erzählen, wie es ist, polyamor zu leben

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    Viele Menschen suchen nach Alternativen zur klassischen monogamen Beziehung – und werden zum Beispiel in der Polyamorie fündig. Dieses Bild ist KI-generiert.
    Viele Menschen suchen nach Alternativen zur klassischen monogamen Beziehung – und werden zum Beispiel in der Polyamorie fündig. Dieses Bild ist KI-generiert. Foto: stock.adobe.com (Symbolbild, KI-generiert)

    Eine Partnerschaft fürs ganze Leben – mit einem einzigen Menschen? Was als Modell ohnehin bei vielen scheitert, streben gerade jüngere Menschen immer öfter gar nicht mehr an. Wie Umfragen zeigen, steigt die Zahl derer, die sich Alternativen zur klassischen monogamen Beziehung vorstellen können. Schätzungen, wie viele Menschen in Deutschland Liebesbeziehungen mit mehreren Partnerinnen oder Partnern gleichzeitig führen, sind schwierig. Tania (Name geändert) und Melanie leben polyamor – die eine schon seit mehr als 20 Jahren, die andere erst ganz frisch. Hier erzählen sie ihre Geschichten:

    Tania, 48, lebt in der Oberpfalz. Mit ihrem Mann ist sie seit 28 Jahren zusammen, bald feiern sie silberne Hochzeit. Seit 22 Jahren lebt Tania polyamor, ihr Mann hingegen monogam.

    Ich kann gar nicht anders leben, ich bin überzeugt: Das ist meine Identität. Sonst würde ich eingehen wie eine welke Blume. Abgezeichnet hat es sich schon in meiner Jugend. Ich war in mehrere Jungs gleichzeitig verliebt – und während ich noch in einen sehr verliebt war, habe ich gemerkt, ich verliebe mich in einen anderen und hab dann Schluss gemacht, weil ich das moralisch verwerflich fand. Schon hatte ich meinen Ruf weg und mein Leidensdruck wurde immer größer, weil ich nicht wusste, warum das bei mir nicht funktioniert, wie bei anderen. Ich war einfach „falsch“, weil Polyamorie in Niederbayern, wo ich aufgewachsen bin, kein Thema war. Erst, als ich in einen linken Verband eingetreten bin, habe ich andere Beziehungen und Beziehungsformen gesehen – da lebten Männer mit Männern und Frauen mit Frauen.

    Tania, 48: „Kürzlich war mein Mann eine Woche in Berlin, da muss ich nicht alleine hier herumsitzen“

    Neben meinem Mann habe ich aktuell einen weiteren festen Partner, eine Art Freundschaft Plus. Zu Beginn der Beziehung mit meinem Mann wusste ich nicht, was ich will. Was ich aber wusste: Das ist der Mann meines Lebens. Ich bin wieder in eine monogame Beziehung gerutscht. Nach drei Jahren haben wir geheiratet, aber dann verliebte ich mich wieder in andere. Lange habe ich Gefühle unterdrückt. Als ich meinem Mann schließlich fast fremdgegangen wäre und schon buchstäblich auf der Bettkante saß, war mir klar: Ich muss mit ihm sprechen.

    Er war nicht völlig abgeneigt, also haben wir eine klassische offene Beziehung mit schriftlichem Vertrag vereinbart – im Nachhinein natürlich völlig lächerlich. Jede Grenze, die darin stand – zum Beispiel „Du darfst nicht küssen“ –, hat sich schon bald in Luft aufgelöst. Zu Beginn traf er sich auch mit anderen Frauen, das hat ihn aber schnell gestresst. Die größte Kunst in diesen Konstellationen ist das Zeitmanagement. Also Kalender gut pflegen und weit vorausplanen. Entweder wohnt der Mensch sehr nah, dann führe ich eine normale Beziehung, in der man nicht zusammenwohnt, aber sich zu festgelegten Zeiten trifft. Oder es sind Fernbeziehungen. Dann gilt es zu klären: Wann sieht man sich das nächste Mal? Ansonsten immer ehrlich zueinander sein. Wenn ich feststelle, es sind Gefühle im Spiel, will mein Mann involviert werden und wissen, was das für ein Typ ist. Manche Männer waren mit meinem Mann auch gut befreundet – so wie der aktuelle. Sie kannten sich davor schon gut. Von meiner Seite aus dürfen sich die Kerle gerne kennenlernen. Ich lebe den Gedanken einer Beziehungsanarchie: Wie will ich wissen, was sich entwickelt, wenn ich eine Person kennenlerne? Deshalb will ich auch keine Einschränkungen.

    Wenn ich einen neuen Mann kennenlerne, ist es auch zu Hause spannender.

    Tania

    Mein Mann und ich haben zwei Kinder. Sie waren noch klein, als wir begonnen haben, so zu leben. Deshalb kannten sie es nicht anders. Erst als sie viel älter waren, haben sie mal gefragt: „Er ist schon mehr als ein Kumpel, oder?“ Und damit war das Thema auch erledigt. Aber ein solches Konstrukt kann sehr groß werden, wenn auf der Seite des Partners noch eine oder mehrere Partnerinnen dranhängen. In meinem Alter hängen auch Familien mit dran. Unser Sohn hat das Radfahren zum Beispiel vom damaligen Partner gelernt. Ich habe wiederum den Kindern dieses Partners Gute-Nacht-Geschichten vorgelesen, während er mit seiner Frau in der Küche stand und Essen vorbereitete. Manchmal gibt es skurrile Szenen: Nachbarn wollten regelmäßig meinen Mann warnen, dass ich Männerbesuch hatte. Man braucht eine gewisse Gelassenheit. Kürzlich war mein Mann für eine Woche in Berlin, da muss ich nicht alleine hier herumsitzen.

    Zum Thema Sexualität: Früher stand Sexualität mehr im Vordergrund – da war auch mal ein One-Night-Stand dabei. Auf Dauer hätte mich das aber nicht zufrieden gemacht. Mit meiner aktuellen Freundschaft Plus gehe ich gerne mal in die Kneipe und dann gehen wir auch miteinander heim, aber dann sehen wir uns auch mal zwei Wochen nicht. Zu Hause ist es ähnlich: Sex spielt manchmal eine große Rolle, manchmal nicht. Wenn ich einen neuen Mann kennenlerne, ist es auch zu Hause spannender. Wenn man auf Wolke sieben schwebt, überträgt sich das. Meine Freundschaft Plus ist Ende 50 und Single. In der Vergangenheit gab es Männer, die deutlich jünger, aber auch älter waren.

    Melanie, 31: „Als ich mich in meine Freundin verliebte, empfand ich zunächst auch Scham“

    Melanie, 31, lebt in Niederösterreich. Mit ihrem Mann ist sie seit neun Jahren zusammen, seit fünf Jahren verheiratet. Neben ihrem Partner hat Melanie eine feste Freundin.

    Ich lebe noch nicht lange polyamor. Seit November bin ich mit meiner Freundin in einer Beziehung, mit meinem Mann bin ich seit fünf Jahren verheiratet. Als ich mich in meine Freundin verliebte, empfand ich zunächst auch Scham. Ich dachte mir: „Jetzt bin ich in jemand anderes verliebt, wie kann das passieren?“ Gleichzeitig wollte ich meine bestehende Beziehung nicht aufgeben. Also haben wir Milliarden von Gesprächen geführt.

    Das erste Mal angesprochen hat das Thema mein Mann. Er hat gefragt, ob da mehr ist zwischen meiner Freundin, mit der ich zu dem Zeitpunkt ein paar Monate befreundet war, und mir. Ich habe mit beiden unabhängig voneinander viel gesprochen und irgendwann gemerkt: Die Gefühle gehen nicht mehr weg. Mein Mann sprach auch an, dass er sich mehr Freiheiten in sexueller Hinsicht wünscht. Früher wäre das für mich nie gegangen, aber mittlerweile habe ich damit kein Problem mehr. Der Entschluss stand: Wir machen das jetzt.

    Ich dachte mir: ‚Jetzt bin ich in jemand anderes verliebt, wie kann das passieren?‘

    Melanie

    Unser Umfeld hat sehr wertschätzend reagiert. Manche teilen ihre eigenen Ängste und fragen: „Was ist, wenn es nicht funktioniert?“ Aber insgesamt hätte ich mir die Reaktionen schlimmer vorgestellt, zumal meine Freundin mit 20 noch recht jung ist. Von meiner Mama kommt höchstens mal ein Spruch in die Richtung: „Aber du weißt schon noch, wer dein Mann ist?“

    Polyamore Beziehung: „Zwei Nächte pro Woche verbringe ich mit meiner Freundin“

    Ansonsten sind die größten Herausforderungen ganz klar die Kommunikation. Den Worten des Partners zu vertrauen, dass die Situation wirklich okay für ihn ist – das war eine Challenge. In unserer Konstellation gibt es die feste Regel: Zwei Nächte pro Woche verbringe ich mit meiner Freundin. Sie ist aber auch öfter mal bei uns. Mein Mann und ich haben ein relativ großes Haus. Da gibt es Überlegungen, wie wir den Platz auch im Hinblick auf meine Freundin nutzen können. Aber erst einmal Schritt für Schritt. Mein Mann und meine Freundin kennen sich, wir waren auch schon gemeinsam spazieren.

    Ob die Liebe zu meiner Freundin rein personenabhängig entstanden ist oder auch mit dem Geschlecht zu tun hat – darauf habe ich bislang nicht die Antwort. Eigentlich geht es um die Person, völlig wurscht, welches Geschlecht sie hat. Auch das Alter spielt beim Thema Liebe keine Rolle.

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