Nach mehreren Anschlägen, Angriffen und Anschlagsversuchen in Deutschland in den vergangenen Monaten schätzen die Sicherheitsbehörden die Gefährdungslage so hoch ein wie seit Langem nicht. „Die Innere Sicherheit und damit unser friedliches Zusammenleben in unserem Land werden in einem bisher nicht bekannten Ausmaß auf den Prüfstand gestellt“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei der Vorstellung des neuen Verfassungsschutzberichts. Die Gefährdungslage habe sich - und zwar in allen Extremismusbereichen - erneut spürbar verschärft.
Was Deutschland dienstältesten Innenminister dabei besonders umtreibt: Die Parolen von Extremisten jeglicher Couleur verfangen immer mehr bei jungen Menschen, als Werkzeug dienen hier oft die sozialen Medien. „Extremistische Akteure nutzen sie, um ihre Ideologien und Narrative zu verbreiten.“ Das wirke wie ein Brandbeschleuniger bei der Verbreitung von Demokratiefeindlichkeit und Hass auf den Staat oder bei der Selbstradikalisierung von potenziellen Gewalttätern, so der Minister.
Die Folgen der Anschläge von Aschaffenburg und München
Der renommierte Terrorismus-Forscher Peter Neumann warnt in Anlehnung an das beliebte soziale Netzwerk schon länger vor „TikTok-Dschihadisten“. Eine ähnliche Entwicklung gebe es bei Rechtsextremisten: immer jüngere Verdächtige, die sich im Internet radikalisieren.
Das zeigt laut Herrmann auch die derzeitige Anschlagswelle, die Europa heimsucht: „Die Mehrzahl der Anschläge wurde von Einzeltätern ohne jegliche Anbindung an islamistische Netzwerke begangen.“ Deren Radikalisierung sei anscheinend oftmals im Zeitraffer via Internet erfolgt. Taten richteten sich gegen Zufallsopfer, mit Messern oder mit Kraftfahrzeugen - so wie in Aschaffenburg und München.
Sicherheitsbehörden warnen vor Terrorgefahr in Bayern
Gleichzeitig halten inländische Extremisten die Sicherheitsbehörden auf Trab. 2740 Menschen werden in Bayern der rechtsextremistischen Szene zugerechnet - im Jahr 2023 waren es 2725. Dagegen ging die Gesamtzahl rechtsextremistischer Straftaten von 476 auf 407 im Jahr 2024 zurück. Die Wahlerfolge rechter Parteien haben laut Verfassungsschutz auch Linksextremisten zunehmend auf den Plan gerufen. Die Szene negiere nicht nur das staatliche Gewaltmonopol, sondern spreche politischen Gegnern das Recht auf körperliche Unversehrtheit ab, kritisierte Herrmann. Insgesamt 3100 Personen wurden zuletzt der linksextremistischen Szene zugerechnet, etwas weniger als im Jahr 2023 mit 3260. Die Zahl linksextremistischer Straftaten insgesamt sank von 378 auf 272. (mit dpa)
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