Vor Gericht sind alle Möglichkeiten ausgeschöpft, doch die Immenstädterin Claudia Bernert kämpft weiter für ihren schwerstbehinderten Sohn Daniel. Mit einem Hungerstreik vor der Zentrale der Allianz-Versicherung in München will sie auf das Schicksal ihres Kindes aufmerksam machen. „Mein halbes Leben habe ich für meinen Sohn gekämpft und ich gebe nicht auf – bis wir Gerechtigkeit bekommen“, sagt Bernert.
Claudia Bernert will sich mit ihrem Hungerstreit Gehör verschaffen
Über 22 Jahre dauerte das Zivilverfahren, in dem sich Claudia Bernert nervlich, finanziell und gesundheitlich aufrieb. Eine Frau gegen eine Versicherung, so sieht sie das. Nach etlichen Etappensiegen besiegelte der Bundesgerichtshof im Mai ihre endgültige Niederlage. Den Glauben an Gerechtigkeit, das Vertrauen in das Rechtssystem hat sie verloren. Ihren jahrzehntelangen Kampf gegen die Versicherung und für eine Entschädigung nennt Bernert „menschenverachtend, unwürdig und erniedrigend“. Mit ihrem Hungerstreik will sie sich Gehör verschaffen. „Niemand hindert die Allianz mit ihren hohen ethischen Maßstäben, sich über ein Gerichtsurteil hinwegzusetzen und uns aus freien Stücken zu entschädigen.“
Vom 7. Juli an will Bernert jeden Tag ab 10 Uhr vor dem Allianzgebäude in Schwabing stehen und ab dem Zeitpunkt nichts mehr essen. Mit ihrer Aktion will Bernert erreichen, dass Sohn Daniel von der Allianz „eine angemessene finanzielle Unterstützung“ erhält, damit die teure 24-Stunden-Pflege und der finanzielle Mehraufwand bezahlt werden kann. Der heute 29-Jährige erlitt bei seiner Geburt im Oktober 1984 schwerste Schäden. „Daniel kann nicht richtig laufen, ist geistig stark eingeschränkt und sein Leben lang auf Betreuung und Hilfe angewiesen“, sagt seine Mutter. Die Familie macht Behandlungsfehler von Arzt und Hebamme für die Geburtsschäden verantwortlich – beide sind bei der Allianz versichert. Laut Bernert beweist ein Gutachten, dass Sauerstoffmangel Auslöser für die Behinderungen war.
Arzt und Hebamme waren wohl nur für 20 Prozent des Geburtsschadens verantwortlich
1992 reichte die Familie Schadenersatzklage ein. Alle Gerichte entschieden zunächst zugunsten der Bernerts, das Landgericht Kempten sprach Daniel Bernert 2011 Schmerzensgeld und Schadenersatz in Millionenhöhe zu. Im Berufungsverfahren entschied das Oberlandesgericht München im März 2013 jedoch auf Grundlage eines umstrittenen Gutachtens, dass Arzt und Hebamme lediglich für 20 Prozent des schweren Geburtsschadens verantwortlich seien und die Versicherungen deshalb auch nicht voll haften müssten. Daniel Bernerts Behinderungen seien vor allem auf eine Gehirnblutung vor der Geburt zurückzuführen, hieß es in der Urteilsbegründung. Einen Revisionsantrag wies der Bundesgerichtshof (BGH) im Mai dieses Jahres zurück.
Die Familie erhielt eine Entschädigung und eine lebenslange monatliche Rente. Laut Bernert jedoch viel zu wenig für eine dauerhafte Betreuung ihres Sohnes. Auch ein Vergleichsangebot hatte Bernert zuvor abgelehnt, weil die Summe „höchstens zehn Jahre für Daniels 24-Stunden-Pflege gereicht hätte“.
Die Versicherung will sich von der Protestaktion nicht unter Druck setzen lassen. Der Vorstandsvorsitzende der Allianz, Alexander Vollert, bekräftigt, dass es für das Unternehmen keinen Handlungsspielraum gebe. „Über das BGH-Urteil kann sich die Allianz nicht hinwegsetzen.“ Das Schicksal Daniel Bernerts gehe ihm nahe, lässt Vollert in Presseerklärung mitteilen. Umso bedauerlicher sei es, so Vollert, dass Familie Bernert auf mehrfach ausgesprochene Vergleichsangebote nicht eingegangen sei. Die Allianz habe 1,8 Millionen Euro angeboten.
Ihre Aktion will Bernert solange durchziehen, bis die Allianz nachgibt. „Wenn mich genügend Menschen vor Ort unterstützen, schaffe ich das auch.“ "Kommentar