Nach den Anschlägen von Magdeburg, Aschaffenburg und München werden auch die Sicherheitsvorkehrungen für die Faschingsumzüge bundesweit verschärft. Für die Veranstalter werden die immer strengeren Auflagen und die damit verbundenen Kostensteigerungen allerdings zunehmend zum Problem. Klaus-Ludwig Fess, Präsident des Bundes Deutscher Karneval (BDK), kritisiert: „Das schnürt vielen ehrenamtlichen Vereinen den Atem ab.“
Bundesweit wurden etwa ein Dutzend Faschingsumzüge abgesagt. In München und Aschaffenburg reagierte man damit auf die jüngsten Anschläge. In Erfurt und Marburg sagten die Organisatoren die traditionellen Umzüge ab, die geforderten Absperrungen seien nicht finanzierbar. In Heidenheim machte der Veranstalter aufgrund zu hoher Sicherheitsauflagen einen Rückzieher. Auch in Kempten wird es den für diesen Sonntag geplanten Gaudiwurm nicht geben. Die Faschingsgilde Rottach 97 hätte nach Vorgabe der Stadt sämtliche Zufahrtswege mit Betonquadern oder schweren Fahrzeugen absperren müssen. Organisatorisch und finanziell sei dies nicht leistbar, argumentierte der Verein und sprach von 50.000 Euro Kosten.
Sicherheit an Fasching: „Der Staat muss die Zusatzkosten übernehmen“
Narren-Chef Fess wehrt sich dagegen, dass Vereine die Kosten für strengere Sicherheitsmaßnahmen bei Umzügen tragen sollen. „Terrorabwehr ist die ureigenste Aufgabe des Staates. Er muss die Zusatzkosten übernehmen.“ Zudem beklagt er eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zulasten der Ehrenamtlichen, die den Fasching und damit das Brauchtum pflegen. „Es kann nicht sein, dass Karnevalsvereine für die Kosten aufkommen müssen, während fast alle Fußball-Bundesligisten nichts zahlen.“
Tatsächlich scheint vielen Deutschen nicht nach Feiern zumute zu sein. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov befürwortet die Hälfte der Befragten die Absage von Karnevalsumzügen. Ein Viertel der Faschingsbegeisterten will in diesem Jahr aus Angst vor Anschlägen oder Angriffen auf den Straßenkarneval verzichten. 17 Prozent gaben an, aus diesem Grund keine Umzüge zu besuchen. Narren-Chef Fess sieht dadurch das Kulturgut Fasching in Gefahr. „Dann haben es diese Verrückten doch geschafft, wenn sich Menschen derart verunsichern lassen. Heute ist es der Karneval, morgen ein Stadtfest.“

In Nürnberg sagte die Stadt am Mittwoch den Kinderfaschingszug ab. Zahlreiche Einrichtungen hätten die Teilnahme zurückgezogen. Zuvor waren Aufrufe zu Anschlägen auf Karnevalsveranstaltungen, unter anderem in Nürnberg, bekannt geworden. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) betont unterdessen: „Wir haben keinerlei konkrete Hinweise auf eventuelle Anschlagspläne.“ Bei Faschingsumzügen würden Sicherheitskonzepte nochmals gründlich überprüft und, falls erforderlich, angepasst. Die Polizei werde verstärkt Präsenz zeigen. Auch im Polizeipräsidium Schwaben Nord in Augsburg heißt es, man habe die Lage hinsichtlich der Faschingsveranstaltungen „genau im Blick“.
Im Kempten betonte die Faschingsgilde Rottach 97 nach der Absage: „Der Terrorismus hat damit in Deutschland sein Ziel erreicht, die nichtkommerzielle Organisation von Veranstaltungen, welche tausenden Menschen Freude bereitet, unmöglich zu machen.“ Terrorexperte Peter Neumann appelliert dagegen, sich die Lust am Fasching nicht nehmen zu lassen. Zum einen sei trotz der jüngsten Häufung das Risiko, von einem Anschlag betroffen zu sein, verschwindend gering. Zum anderen warnt er vor Überreaktionen. „Natürlich muss man vernünftig auf Bedrohungen reagieren und bestehende Sicherheitslücken zu schließen. Aber es wäre falsch, wenn wir uns öffentliches Leben komplett absagen.“

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