Schwere Vorwürfe an die Bahn nach Zugunglück von Burgrain
Zwei Monate nach dem tödlichen Zugunglück von Burgrain kritisieren Politiker die Bahn. Die Strecke ist nach wie vor gesperrt, doch nun gibt es eine Perspektive.
Schon mehr als zwei Monate sind seit dem Zugunglück bei Burgrain im Kreis Garmisch-Partenkirchen vergangen – und noch steht weder die Ursache für den Unfall mit fünf Toten eindeutig fest, noch ist die Bahnstrecke wieder befahrbar.
Vor allem wegen Letzterem gibt es mittlerweile große Spannungen zwischen den Kommunalpolitikerinnen und -politikern im Werdenfelser Land und der Deutschen Bahn. Landrat Anton Speer wirft dem Unternehmen gegenüber unserer Redaktion schwere Versäumnisse vor.
"Den Verantwortlichen bei der DB Netz war schon lange bekannt, in welch desolatem Zustand sich das Werdenfels-Netz befindet", sagt der Politiker der Freien Wähler. "Es macht uns wütend und betroffen, dass erst ein Zugunglück geschehen musste, um den katastrophalen Zustand der Infrastruktur des Werdenfels-Netzes öffentlich sichtbar zu machen."
Bürgermeister schreiben nach Zugunglück bei Burgrain Brandbrief an die Bahn
Das Werdenfelser Land ist die Tourismusregion rund um Garmisch, jedes Jahr besuchen sie mehrere hunderttausend Urlaubsgäste, natürlich nutzen sie auch den Zug, wie viele Pendlerinnen und Pendler. Speer geht zwar davon aus, dass für andere Reisende aktuell wohl kein Risiko beim Zugfahren besteht, weil "jetzt natürlich alle umso genauer hinschauen". Aber das führe natürlich auch dazu, dass Streckenabschnitte komplett gesperrt sind und überhaupt kein Zug fahre. "Für Bürgerinnen und Bürger, die auf die Bahn angewiesen sind, ist das alles natürlich sehr ärgerlich."
Am Dienstag gab die Bahn bekannt, dass auf der Strecke zum Beginn des neuen Schuljahres Mitte September wieder Züge rollen sollen. Rund um die Unfallstelle müssen unter anderem rund 700 Meter Schiene erneuert werden. „Die Qualität im Werdenfels-Netz war zuletzt nicht akzeptabel und entspricht in keiner Weise unseren eigenen Ansprüchen“, räumte der Konzernbevollmächtigte der DB in Bayern, Klaus-Dieter Josel, ein. „Dafür entschuldigen wir uns bei den Fahrgästen.“ Die Bahn werde zusätzlich zu den Reparaturarbeiten ein umfangreiches Investitionsprogramm starten.
Die Neuigkeiten der Bahn sind möglicherweise eine Reaktion auf den wütenden Brandbrief, den Speer und die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Region jüngst an die Bahn adressierten. Darin bezeichnen sie den Schienenersatzverkehr, der nach dem Unglück eingerichtet wurde, als chaotisch und aufgrund vieler Leerfahrten der Taxis und Busse als "ökologischen Wahnsinn". Noch dazu sei die Kommunikation mit der Bahn "so gut wie nicht vorhanden".
Derzeit sind mehrere Strecken rund um Garmisch-Partenkirchen nicht für den Verkehr freigegeben, allen voran die Unglücksstrecke zwischen Garmisch und München. Dort war am 3. Juni um die Mittagszeit ein Regionalzug entgleist, vier Frauen und ein Teenager starben, mehr als 50 Passagiere wurden verletzt. Schnell vermuteten Experten Schäden an den Gleisen als mögliche Unfallursache. Das Unglück, bei dem mehrere Waggons eine steile Böschung hinabstürzten, geschah in einer langgezogenen Kurve - und Kurven stehen unter besonderer Belastung, weil die Fliehkräfte den Zug nach außen ziehen und die Reibung der Räder am Metall der Schienen verstärken.
Landrat im Kreis Garmisch-Partenkirchen: Bahn hat zu wenig für die Strecke getan
Die Bahn habe zu wenig für den Ausbau und die Modernisierung der Strecke getan, die für den Landkreis eine "Lebensader" sei, sagt Anton Speer. Man setze sich schon seit Jahren für einen teilweise zweigleisigen Ausbau der Werdenfelsbahn ein. Anstatt sich des Themas anzunehmen, "wurden von der DB AG vielmehr Grundstücke an der Bahnstrecke verkauft. Und auch sonst wurde an der Strecke mehr Flickschusterei betrieben als umfassend modernisiert."
Ob Abnutzung oder mangelnde Wartung der Gleise tatsächlich das Unglück verursachten, versuchen gerade mehrere Ermittlungsbehörden festzustellen, zuvorderst die Staatsanwaltschaft München II. Sie ermittelt inzwischen gegen vier Mitarbeiter der Deutschen Bahn wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Darunter sind zwei Fahrdienstleiter und früheren Angaben zufolge auch ein Streckenverantwortlicher.
Auch die Bundesstelle für die Untersuchung von Eisenbahnunfällen inspizierte die Schienen, unmittelbar nachdem die Regionalbahn entgleist war. Jetzt werten die Experten ihre Messungen aus. Sie können unter anderem zeigen, ob die Schienen an der Unglücksstelle leicht verschoben waren. Spätestens ein Jahr nach einem solch schweren Unfall muss die Fachstelle einen Zwischenbericht vorlegen.
Dass die Unfallstrecke nach über zwei Monaten immer noch gesperrt ist, irritiert Gleisexperten. Markus Hecht, Professor für das Fachgebiet Schienenfahrzeuge an der TU Berlin, sagte kürzlich: "Wenn diese Baustelle Priorität hätte, wäre das binnen weniger Wochen fertig."
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