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Hitler als Ehrenbürger: Welche Städte das zurückgenommen haben und welche nicht

Ob man Hitler die Ehrenbürgerwürde nun entziehen soll oder nicht, ist in vielen Gemeinden umstritten.
Foto: dpa/Lindenmaier
Geschichte

Ehrenbürger Adolf Hitler: Eine symbolische Würdigung löst Diskussionen aus

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    „Stadtrat Bad Honnef widerruft Ehrenbürgerwürde für Adolf Hitler“, lautet eine Schlagzeile des Kölner Stadt-Anzeigers. Erschienen ist sie nicht etwa in den Jahren unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs, sondern im Oktober 2024. Schülerinnen und Schüler eines örtlichen Gymnasiums hatten Unterschriften gesammelt und den Stadtrat aufgefordert, die 1933 verliehene Auszeichnung zurückzuziehen. Was nach einer reichlich späten Distanzierung klingt, ist tatsächlich ein umstrittenes Thema in vielen Kommunen. Auch in Bayern haben einige Städte und Gemeinden die Ehrenbürgerwürde erst spät oder gar nicht widerrufen.

    Der Grund: Juristisch ist das überhaupt nicht nötig. Denn das Ehrenbürgerrecht erlischt mit dem Tod. Damit ist Hitler rechtlich gesehen seit seinem Suizid am 30. April 1945 in keiner deutschen Gemeinde mehr Ehrenbürger. Trotzdem gibt es immer wieder Berichte über Städte und Gemeinden, die dem Diktator die Ehrenbürgerwürde posthum aberkennen – als zusätzliche Distanzierung von der Verleihung während der Nazizeit. In Kommunen, wo das nicht geschah, sorgt das Thema häufig für Diskussionen im Stadtrat oder in der Bevölkerung.

    Aber warum diese Auseinandersetzung, wenn die Ehrenbürgerwürde rechtlich ohnehin erloschen ist? „Das ist eben keine rein juristische Diskussion. Das Thema hat eine zweite, eine symbolische Dimension“, sagt Martina Steber, Professorin für Neueste Geschichte an der Universität Augsburg und stellvertretende Direktorin am Institut für Zeitgeschichte in München. „An wen eine Stadt oder Gemeinde die Ehrenbürgerwürde verleiht, ist immer auch Ausdruck der Werte, die die jeweilige Kommune vertritt.“ Die wiederum seien eingebettet in den historischen Kontext und können sich ändern. „Wenn heute also Städte und Gemeinden Hitler die Ehrenbürgerwürde entziehen, ist das ein rein symbolischer Akt“, sagt Steber. „Damit wollen sie aussagen: Unsere Werte haben sich geändert, wir distanzieren uns von Diktatur und Nationalsozialismus.“ Der Entzug sei – wie auch die Verleihung der Ehrenbürgerwürde – vor allem eins: Symbolpolitik.

    Ein weiterer Grund, der in der Debatte oft angeführt wird: Viele Städte und Gemeinden identifizieren sich durchaus auch mit verstorbenen Ehrenbürgern – im Fall von Bad Honnef beispielsweise mit Konrad Adenauer. Man wolle Adenauer und Hitler aber wohl kaum in einem Atemzug nennen, argumentierten die Schülerinnen und Schüler in Bad Honnef. Auch deshalb müsse die Stadt in einem symbolischen Akt Hitler die Ehrenbürgerwürde entziehen.

    Welche Städte die Ehrenbürgerwürde symbolisch zurückgenommen haben – und welche nicht

    Gerade in den ersten Jahren nach Kriegsende haben viele Städte und Gemeinden Hitlers Ehrenbürgerwürde per Stadtratsbeschluss widerrufen. So war es zum Beispiel in Augsburg (Beschluss im August 1946), in München (auch 1946) oder in Würzburg (1945). Andere entschlossen sich erst später zu diesem Schritt. Häufig war dem Entschluss eine längere Diskussion vorausgegangen, ähnlich wie in Bad Honnef. Ingolstadt beispielsweise entzog Hitler die Ehrenbürgerwürde durch Stadtratsbeschluss im Jahr 2022, Ichenhausen (Landkreis Günzburg) widerrief sie 2019, Lindau im Jahr 2005.

    Andere entschlossen sich nie zu diesem Schritt. In Schwaben beispielsweise die Städte Donauwörth und Nördlingen, der Markt Babenhausen (Landkreis Unterallgäu) oder der Neusäßer Stadtteil Ottmarshausen. In Unterfranken zählen dazu die Gemeinden Sommerach oder Untersambach. Auch Mittelstädte wie Passau oder Fürstenfeldbruck haben die Entscheidung nie förmlich revidiert. „Da die Ehrenbürgerwürde automatisch mit dem Tod erlischt, war diese damals nicht Gegenstand der Diskussion im Stadtrat“, schreibt etwa die Stadt Donauwörth auf Anfrage. Ähnlich begründen das auch die anderen Städte und Gemeinden.

    Dass die Diskussion jetzt aufflammt, hängt auch mit einem erstarkenden Rechtsextremismus zusammen

    „Ganz unabhängig davon, ob man Hitler die Ehrenbürgerwürde nun symbolisch entzieht oder nicht: Interessant ist dabei auch der Zeitpunkt der Debatte“, sagt Martina Steber. „Der Entzug der Ehrenbürgerwürde ist eine Art demokratischer Selbstvergewisserung: ein Akt, um auszudrücken, dass man sich von Rechtsextremismus und Diktatur distanziert.“ Deshalb haben viele Städte und Gemeinden diesen Schritt in den ersten Jahren nach Kriegsende unternommen. Eine zweite, deutlich kleinere Welle, folgte in den 70er Jahren – auch ausgelöst durch die 68er-Bewegung und ihrer Forderung nach einer intensiveren Aufarbeitung der Nazizeit. „In den vergangenen 15 Jahren flammte die Diskussion dann wieder verstärkt auf“, sagt Steber. „Wohl auch als Reaktion und Abgrenzungsversuch auf einen erstarkenden Rechtsextremismus in der Gesellschaft.“

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    6 Kommentare
    Franz Xanter

    Hier kann man doch sehr schön den vorauseilenden allumfassenden "Gehorsam" eines Teils der Deutschen erkennen. Obwohl faktisch und juristisch erledigt, da die Ehrenbürgerschaft nicht mehr existent, wird zusätzlich eine Maßnahme umgesetzt, welche völlig sinn- und zwecklos ist. Ehrenbürgerschaft war für Lebzeiten gegeben; mit dem Tode erlischt sie automatisch. Wie kann eine Maßnahme umgesetzt werden, wenn sie bereits nicht mehr existent ist? Völliger Blödsinn! Was nicht mehr vorhanden/zutreffend ist, kann ich im Nachhinein nicht mehr andersweitig festlegen, da es keine Bindung zum Sachverhalt mehr gibt!

    Hans Meixner

    Eine fadenscheinige Diskussion. Die Ehrenbürgerschaft ist mit dem Tod erloschen. Posthum. bzw. rückwirkend vor dem Tod zu "erlöschen", wäre eigentlich nur den damaligen "Ernennern" von Vorteil gewesen.

    Robert Miehle-Huang

    Dass die explizite Aberkennung der Ehrenbürgerwürde gegenüber des stillen Erlöschens ein wichtiger symbolischer Akt ist, verstehen die Herren Xanter und Meixner wohl nicht.

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    Franz Xanter

    Scheinbar sind symbolische Akte wichtiger als das reale Leben. Na, dann kann es ja nur noch bergab gehen.

    Hans Meixner

    Wa soll daran symbolisch sein, sich von etwas zu distanzieren, das gar nicht mehr existent ist und an dem man nicht als Akteur beteiligt war. Das ist Wichtigtuerei der jetzigen Akteure, aus welchen Gründen immer.

    Regine Bayer

    Herr Xanter, Herr Meixner, leider ist mit Hitler nicht das Nazi-Gedankengut, äh, -müll gestorben. Deswegen ist es sehr wohl wichtig, sich durch einen symbolischen Akt von diesem Abfall zu distanzieren, indem man sich von der Person distanziert. Auch wenn es Leute wie Sie gerne haben würden, sollte man das Mitläufertum der Menschen von damals, das sich in der Verleihung der Ehrenbürgerschaft widerspiegelt, nicht totschweigen. Schließlich ist es ja schon wieder soweit...

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