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Interview: Freie-Wähler-Politiker Mehring: „Unser größtes Potenzial sehe ich links der CSU“

Interview

Freie-Wähler-Politiker Mehring: „Unser größtes Potenzial sehe ich links der CSU“

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    Will den Freien Wählern einen liberaleren Kurs verordnen: Fabian Mehring.
    Will den Freien Wählern einen liberaleren Kurs verordnen: Fabian Mehring. Foto: Digitalministerium

    Herr Mehring, normalerweise unterstützen bayerische Politiker aus dem bürgerlichen Lager den CDU-Kandidaten Friedrich Merz. Sie aber nicht. Was haben Sie gegen den Mann?
    MEHRING: Tatsächlich unterstütze ich lieber die Kandidaten meiner eigenen Partei (lacht). Merz halte ich nicht gerade für einen sympathischen Menschenfänger. Für mich ist er ein typischer Konservativer der 1990er Jahre, der meine Generation nicht mehr erreicht. Seine Gesellschaftsidee ist genauso aus der Zeit gefallen wie sein Frauenbild. Wer zeitgleich mit der AfD abstimmt und mit den Grünen flirtet, hat zudem keinen klaren Kompass. Deshalb vertraue ich Merz nicht und bin überzeugt, dass er vor der Wahl rechts blinkt und nach der Wahl links abbiegen wird. Ich will keinen Kandidaten unterstützen, der im Wahlkampf mit der AfD paktiert und anschließend mit den Grünen koaliert.

    Mehring hält Merz für den falschen Kanzlerkandidaten

    Den Meinungsumfragen zufolge hat Merz sein Flirt mit der AfD nicht geschadet. Kann er nicht doch ein guter Kanzler werden?
    MEHRING: Ich finde es richtig, dass Merz überfällige Veränderungen in der Asylpolitik angehen will. Bei seiner missglückten PR-Aktion im Bundestag hat er aber Haltung vermissen lassen und gezeigt, dass ihm politisches Gespür und Regierungserfahrung fehlen. Es ist schon eine ordentliche Blamage, wenn ein potenzieller Kanzler nicht mal unter Inkaufnahme von AfD-Stimmen eine Mehrheit findet, weil seine eigenen Parteifreunde ihm die Gefolgschaft verweigern. Damit hat Merz sein erstes Misstrauensvotum im Bundestag schon vor Amtsantritt kassiert. Das war eine taktische Dummheit, die Zweifel aufwirft, ob er wirklich Kanzler kann. Regieren ist schwieriger als aus der Opposition zu kritisieren.

    Freie-Wähler-Politiker: Friedrich Merz hat sich blamiert

    Söder wäre die bessere Lösung gewesen?
    MEHRING: Selbstverständlich. Das scheitert aber schon zum zweiten Mal an der CDU, die sich als Anti-Bayern-Allianz versteht. In der Union gilt die Devise: Lieber mit Laschet verlieren oder unter Merz mit den Grünen paktieren als mit Söder zu triumphieren.

    Mehrings Kritik an Merz: Wer einen Privatjet hat, ist noch kein Wirtschaftsexperte

    Als Domäne von Merz gilt die Wirtschaft. Und da können wir in Deutschland ja neuen Schwung gebrauchen. Kann er dafür sorgen?
    MEHRING: Nur weil jemand einen Privatjet hat, ist er noch kein Wirtschaftsexperte. Bislang höre ich von Merz nur den Vorschlag, Deutschlands Wirtschaft müsse sich auf ihre Stärken der Vergangenheit rückbesinnen. Die Welt hat sich aber weiter gedreht. Ein Digitalkonzern wie Apple ist heute 60-mal so viel wert wie die gesamte Daimler AG. Die Rezepte der 1990er funktionieren nicht mehr. Um Deutschland aus der Krise zu führen, reicht es nicht, das Schrumpfen klassischer Wirtschaftszweige zu bremsen. Für neues Wachstum brauchen wir neue Ideen auf neuen Märkten.

    Wo würden Sie ansetzen?
    MEHRING: Riesige Chancen stecken in den digitalen Zukunftstechnologien. Auf den Märkten für KI und Co wird über den Wohlstand der Zukunft entschieden. Das sage ich nicht, weil ich als Digitalminister dafür verantwortlich bin, sondern weil Deutschlands Digitalwirtschaft seit 2020 um 20,7 Prozent gewachsen ist - während fast alle anderen Wirtschaftszweige stagnieren oder schrumpfen. Als Land ohne natürliche Ressourcen haben wir keine andere Chance, als auf Innovation zu setzen. Der Anbruch des KI-Zeitalters ist die große industrielle Revolution unserer Zeit und wir sollten alles daran setzen, sie an der Spitze mitzugestalten.

    Die Konkurrenz ist enorm. Die USA wollen bis zu einer halben Billion Dollar in KI investieren, in Frankreich steckt Katar immerhin ein Zehntel dieser Summe in ein KI-Rechenzentrum. Wie sollen wir da mithalten?
    MEHRING: Wenn unsere zukünftige Wirtschaftskraft nicht zwischen Asien und den USA zerrieben werden soll, braucht Deutschland eine Strategie für KI. Konkret heißt das: weniger Regulatorik, mehr Wachstumskapital, ein KI-Strompreis für Rechenzentren, staatliche Aufträge für heimische Start-ups und eine durchgängige Produktionskette für Chips. Dazu brauchen wir eine neue Macher-Mentalität im einstigen Wirtschaftswunderland. Mit weniger Bürokratiefrust und mehr Innovationslust. Aus schwurbelnden Wutbürgern müssen wieder zukunftsoptimistische Mutbürger werden.

    So soll Bayern mit KI in die Zukunft starten

    Die Ideen, die Sie gerade skizziert haben, scheinen wenig zu den Freien Wählern zu passen, so wie sie sich bisher präsentieren. Muss sich auch ihre Partei ändern?
    MEHRING: Alle konservativen Parteien müssen sich weiterentwickeln. Es genügt nicht, über vergessene Tugenden zu schwadronieren – das bürgerliche Lager muss alte Stärken modern interpretieren. Konservative Politik braucht ein Update und muss in den Augen der Leute wieder cool werden, wenn sie nicht auf Dauer zwischen linken Ideologen und rechten Spinnern eingezwickt sein will.

    Wie passt Hubert Aiwanger zu den Zukunftsplänen der Freien Wähler?

    Ihr Parteichef Hubert Aiwanger hat bislang eine andere Freie-Wähler-Politik verkörpert: rechts von der CSU, sehr auf die ländlichen Räume und Kleinstädte fokussiert. Wie passt er als Galionsfigur zu der inhaltlichen Neuorientierung, die Sie vorschlagen?
    MEHRING: Wir sollten das Eine tun und das Andere nicht lassen. Hubert ist und bleibt unser Aushängeschild. Weil er wie kein Zweiter für den ländlichen Raum steht, haben wir einen unveräußerlichen Markenkern. Um uns mittelfristig als zweite Volkspartei in Bayern zu etablieren, müssen wir uns darüber hinaus zusätzliche Wählerschichten erschließen. Das klappt, wenn wir progressiv sind und es uns gelingt, so etwas wie die modernen Konservativen neben einer verstaubten Merz-Union zu werden. Das größte Wachstumspotenzial für uns sehe ich dabei rechts der Mitte und links der CSU - quasi als bayerische CDU mit einem starken liberalen Flügel.

    Zur Person

    Fabian Mehring wird heute (14. Februar) 36. Er ist bayerischer Digitalminister und Bezirksvorsitzender der Freien Wähler in Schwaben.

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    1 Kommentar
    Paul Graf

    Ich würde es ihm wünschen, die Freien Wähler so zukunftsfähig auszurichten. Während viele Politiker noch mit Floskeln über AI sprechen, da sie die Revolution, die gerade passiert, nicht fassen können, zeigt sich hier ein echtes Verständnis für die Mechanismen hinter dem wirtschaftlichen Erfolg digitaler Innovationen. Die marktbeherrschenden Tech-Giganten wissen, dass es nicht nur um neue Technologien geht, sondern darum, sie über Ökosysteme in den Markt zu bringen. Diese Entwicklungen bestimmen die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit – und sie beginnen nicht erst in Unternehmen und Unis , sondern in Schulen und außerschulischen Bildungseinrichtungen wie Fab Labs. Solange Informatik-Schulaufgaben auf Papier geschrieben werden und Kinder Lateinvokabeln auswendig lernen, statt Freiräume für kreatives Denken und digitale Kompetenzen zu bekommen, wird es schwer, im globalen Wettbewerb mitzuhalten. Die Digitalindustrie lebt nicht von Tradition, sondern von kontinuierlicher Innovation.

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