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JVA-Skandal: Spezialzellen in Gefängnissen kommen nach Skandal von Gablingen auf den Prüfstand

JVA-Skandal

Spezialzellen in Gefängnissen kommen nach Skandal von Gablingen auf den Prüfstand

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    Der Skandal um die JVA Gablingen bei Augsburg hat Konsequenzen. Bayerns Justizminister hat einen Maßnahmenkatalog vorgestellt.
    Der Skandal um die JVA Gablingen bei Augsburg hat Konsequenzen. Bayerns Justizminister hat einen Maßnahmenkatalog vorgestellt. Foto: Sven Simon

    Erst durch den Missbrauchsskandal in der JVA Augsburg-Gablingen hat die breite Öffentlichkeit überhaupt von den Spezialzellen erfahren. „Besonders gesicherte Hafträume“ (bgH) heißen sie in der Sprache der Justiz. Räume ohne Mobiliar, für den Toilettengang nur ein Loch im Boden, kein Kontakt zur Außenwelt. Sie sind als letzte Lösung kurzfristig für Gefangene gedacht, von denen Suizidgefahr oder Gewalt gegen andere ausgeht. In Gablingen sollen Häftlinge darin allerdings über Wochen untergebracht gewesen sein, oft nackt und ohne Matratze. JVA-Mitarbeitende sollen die Insassen mitunter geschlagen haben. Die Staatsanwaltschaft Augsburg ermittelt insgesamt gegen 17 Bedienstete wegen verschiedener Vorwürfe. Jetzt soll eine unabhängige Kommission auf Initiative des Justizministeriums klären, was genau in den fünf Kellerzellen geschah – und wie es generell mit den umstrittenen bgH in Bayern weitergehen soll.

    „Neben der lückenlosen Aufklärung der Vorwürfe geht es auch um die Konsequenzen daraus, wie zum Beispiel bessere Kontrollen und Standards“, sagte Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) am Donnerstag. Dabei müsse beantwortet werden, „wie eine bessere Balance zwischen Schutzmaßnahmen und Grundrechten gefunden werden kann“. Außerdem soll die Kommission „Vorschläge zur Verbesserung und zum Ausbau der psychiatrischen Versorgung der Gefangenen entwickeln“, auch dazu, wie Haftanstalten und Bezirkskrankenhäuser besser zusammenarbeiten können. Der einstige Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, Peter Küspert, leitet das Gremium, in dem unter anderem Justizbeamte, Anwälte, Justizvollzugsbedienstete und Psychiater sitzen. Bis spätestens Ende 2025 sollen die Vorschläge vorliegen.

    Grüne fordern nach JVA-Skandal Gablingen breiteres Konzept

    Für Toni Schuberl, den rechtspolitischen Sprecher der Grünen im Landtag, ist die Kommission eine gute Sache. Er setzt große Hoffnungen in die Tatsache, dass sie unabhängig arbeiten soll. „Unser Eindruck ist bislang, dass es der Regierung vor allem darum geht, dass in Sachen Gablingen in der Öffentlichkeit endlich Ruhe herrscht.“ Acht Anträge hatten er und seine Fraktion am Donnerstag im Verfassungsausschuss zum Fall Gablingen eingereicht. Sie fordern etwa, dass ein Gefangener Beschwerde gegen seine Unterbringung im bgH einlegen und seinen Anwalt informieren kann, dass der Toilettengang in der Spezialzelle nur verpixelt an die Aufsicht übertragen wird und Häftlinge während und nach der Unterbringung im bgH psychiatrisch betreut werden. „Wer tagelang unter solchen Bedingungen lebt, ist spätestens dann narrisch, wenn er wieder rauskommt“, sagt Schuberl. „Entscheidend ist auch, dass man sich das Gesamtkonzept im Justizvollzug anschaut. Wenn die Kommission jetzt neue Standards für die bgH definiert, bleiben Missstände bei allen anderen Unterbringungen trotzdem bestehen.“ Jeder dieser acht Grünen-Anträge wurde von CSU und Freien Wählern abgelehnt, nur die SPD stimmte mit den Grünen dafür. „Die Aufgabenstellung der Kommission deckt nahezu alle Fragen ab, die die Anträge der Fraktion Bündnis 90/die Grünen aufwerfen“, sagte anschließend Alexander Hold (Freie Wähler), als Vertreter der Regierungsfraktion unserer Redaktion. Bei deren Besetzung seien zudem die Vorschläge der einzelnen Fraktionen berücksichtigt worden. „Soweit die Kommission Vorschläge erarbeiten soll, tun wir gut daran, diese dann auch tatsächlich abzuwarten.“

    Eisenreich betonte am Donnerstag, was die Staatsregierung selbst schon auf den Weg gebracht habe – unter anderem eine abteilungsübergreifende „Task Force“, zuständig für die interne Aufarbeitung im Ministerium, ein besseres Beschwerdemanagement oder ein neues Referat, das unangekündigte Besuche bei den Justizvollzugsanstalten durchführt.

    Ex-JVA-Leiter Galli befürwortet mehr psychologische Betreuung für Häftlinge

    Nico Werning, Vorsitzender der Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger, findet Eisenreichs Maßnahmenpaket zu „nebulös“ und „unkonkret“. „Einen echten Gewinn für Gefangene kann ich nicht erkennen“, stellt der Rechtsanwalt aus München fest. Ihm sei etwa nicht klar, wie die Einhaltung der neuen Standards für die Ausstattung der Hafträume überprüft werde. Vorgaben, wie eine Matratze oder eine Papierunterhose, hatte es bereits gegeben. In der JVA Gablingen sollen sie aber nicht umgesetzt worden sein. Bayerns Strafverteidiger hatten kurz nach Bekanntwerden des Skandals in einem Schreiben an Eisenreich konkrete Konsequenzen gefordert. Diese seien nicht berücksichtigt worden. „Mir fehlt etwa der zentrale Punkt, Gefängnisbedienstete künftig besser auszubilden.“

    Einer, der den Strafvollzug ohnehin als reformbedürftig betrachtet, ist der einstige JVA-Leiter und Augsburger Rechtsanwalt Thomas Galli. Manche der verkündeten Maßnahmen erachtet er als sinnvoll. Etwa, dass die psychiatrische Versorgung von Gefangenen ausgebaut werden soll. „Andererseits muss man aber sagen, dass das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte schon vor Jahren entschieden haben, dass etwa eine nackte Unterbringung nur in seltensten Ausnahmefällen gerechtfertigt sein könnte.“ Dass die offenbar in Gablingen gelebte Praxis daher nicht rechtmäßig war, hätte auch dem Justizministerium, in dem es vor Juristen wimmele, klar sein müssen. „Dafür braucht es keine Kommission oder Ähnliches.“ Auch das Beschwerdewesen ist Gallis Meinung nach ausreichend gestaltet. „Hier neue Stellen oder Abteilungen zu schaffen, bläht nur den bürokratischen Apparat auf Kosten der Steuerzahler weiter auf.“

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    2 Kommentare
    Valentin Singler

    Das Foto im Artikel zeigt nicht die RÄUME der JVA Gablingen. Das Bild zeigt die ehemalige JVA im HOCHFELD im ersten Stock. Gute Nacht!

    Franz Xanter

    "„Dafür braucht es keine Kommission oder Ähnliches.“ Auch das Beschwerdewesen ist Gallis Meinung nach ausreichend gestaltet. „Hier neue Stellen oder Abteilungen zu schaffen, bläht nur den bürokratischen Apparat auf Kosten der Steuerzahler weiter auf.“ " Dem muss voll zugestimmt werden. Wenn die Verantwortlichen ihre Aufgaben erledigt hätten, hätten wir jetzt nicht dieses Problem. Hier müssen die Konsequenzen greifen! Alles andere ist doch nur Verschleierungstaktik und unnötiges politisches Getöse.

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