Einer der führenden deutschen Kriminologen wirft der Polizei im Land vor, nicht konsequent genug gegen Messerkriminalität vorzugehen. Gerade bei Jugendlichen seien oft Waffen im Spiel, „die etwas hermachen“, mit denen Gewalttaten begangen würden, sagte Dirk Baier, früherer Vize-Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen und jetzt Professor für Kriminologie in Zürich, unserer Redaktion. Sogenannte Spring- oder Butterflymesser, deren Besitz und Handel das deutsche Waffenrecht auch für Volljährige verbietet, könnten mit ein paar Klicks über das Internet bestellt werden, so Baier. „Die Polizei ist da viel zu wenig im digitalen Raum unterwegs.“
Messerkriminalität: Experte fordert mehr Polizisten im digitalen Raum
Hintergrund seiner Kritik sind die bundesweit massiv gestiegenen Zahlen von Straftaten mit Messern. Allein in Bayern gab es von 2023 auf 2024 einen Anstieg um 110 Prozent auf 1813 Angriffe. Erst Ende Mai stach eine Frau am Hamburger Hauptbahnhof wahllos auf Menschen ein und verletzte dabei 18 Personen. In Düsseldorf steht derzeit ein Mann vor Gericht, weil er im August vergangenen Jahres drei Menschen mit einem Messer auf einem Stadtfest in Solingen getötet und weitere verletzt hat. In Aschaffenburg kamen bei einem Messerangriff im Januar zwei Menschen, darunter ein Zweijähriger, zu Tode. Anfang Juni kam es dann in München zu einem Vorfall auf der Theresienwiese, bei der die Polizei eine 30-jährige Frau erschoss, die ebenfalls Passanten mit einem Messer attackierte.
Das Thema steht auch beim Deutschen Präventionstag ab diesem Montag an der Augsburger Messe auf der Tagesordnung. Zu dem zweitägigen Fachkongress werden einige tausend Menschen aus Sicherheitsbehörden, der Justiz, aus der Wissenschaft sowie dem Bildungs- und Sozialwesen erwartet. Er ist nach Angaben der Organisatoren das weltweit größte Fachforum zur Gewalt- und Kriminalprävention. Am Dienstag ist der Kongress auch für Publikum geöffnet.
Bislang hat die Politik vor allem mit der Einführung von Messerverbotszonen auf die Entwicklung reagiert. „Gerade bei jungen Menschen beobachten wir eine bedenkliche Tendenz: Das Mitführen von Messern wird immer häufiger als „cool“ empfunden“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Hermann unserer Redaktion. „In hitzigen Momenten wird aus Dummheit dann bitterer Ernst. Genau für solche Szenarien sind Messerverbotszonen ein notwendiges und sinnvolles Instrument.“
Bayern setzt auf Verbotszonen gegen die Messerkriminalität
Dirk Baier ist indes nicht von der Wirksamkeit der Verbotszonen überzeugt. Zu schwierig sei es, dort vonseiten der Polizei konsequent und wirksam zu kontrollieren. „Wenn in der Jackentasche ein Messer liegt, sieht man es halt überhaupt nicht“, so der Experte. Im Internet hingegen gebe es diese Kontrollen fast gar nicht. „Es gibt sogar Kriminologen, die fordern, dass die Polizei im Internet genauso auf Streife geht wie auf der Straße.“ Wer wisse, wo, würde im Netz ganz einfach an jene verbotenen Messer kommen, sagte der Kriminologe. Tatsächlich genügt eine Google-Suche, um schnell auf eine entsprechende Seite zu gelangen.
Auf die Kritik des Experten sagte ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums, der Handel mit verbotenen Waffen werde konsequent verfolgt, wenn solch ein Fall bekannt würde. „Wir sehen da auch die Anbieter in der Pflicht. Die Gesetze müssen strikt eingehalten werden.“ An Schulen hingegen werde schon jetzt gezielt Präventionsarbeit geleistet, um Jugendlichen zu vermitteln, dass es „überhaupt nicht cool ist, ein Butterfly in der Hose zu haben“, so der Sprecher. Zum Einsatz kämen hier beispielsweise spezielle Verbindungsbeamte der Polizei.
Firmen, die illegale Waffen wie Messer mit Einhandbedienung jeglicher Bauart vertreiben gehört nach einer Verwarnung die Geschäftslizenz entzogen. Der Besitz und das allein das Mitführen derartiger Messer sollte bereits bei Ersttätern zu einer empfindlichen Geldstrafe führen.
Das werden wohl kaum "Firmen" im Sinne der GewO sein. Ich vermute da irgendwelche unangemeldeten Online-Shops oder Verkaufsportale (Kleinanzeigen und co.). Dennoch: Das Problem liegt ganz wo anders. Es gilt der Grundsatz "Nicht Waffen töten Menschen, sondern Menschen töten Menschen". Die Schweizer sind beispielsweise ein sehr bewaffnetes Land. Privatpersonen genießen viele Freiheiten und dürfen auch schwerere Schusswaffen zuhause haben. Dennoch gibt es dort nicht täglich Massenmorde. Es ist ein gesellschaftliches Problem und ein politisches Problem im Sinne einer funktionierenden Justiz mit Abschreckungswirkung. Das hier auf Totschlag teilweise nur Bewährungsstrafen oder Haftstrafen von wenigen Monaten verhangen werden (ich Erinnere an den getöteten Feuerwehrmann am Königsplatz) ist für mich der Inbegriff einer nicht funktionierenden Justiz.
Herr Hoeflein, Messer mit Einhandbedienung sind doch nicht per se illegal! Wollen Sie auch den Vertrieb von Küchenmessern unter Strafe stellen!?
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