Es ist ein Geschenk der Bundesregierung: Wer in diesem Jahr seinen 18. Geburtstag feiert, kann sich für den Kulturpass registrieren. Der Pass funktioniert per App, er beinhaltet ein geschenktes Guthaben von 200 Euro, das die 18-Jährigen für Kulturangebote ausgeben können. "Durch den Kulturpass fördern wir einen Umgang mit der Kultur, der in der Pandemie verloren gegangen ist: stöbern, Inspiration, gemeinsam Musik, Theater und Film erleben", so erklärt die Kulturstaatsbeaufragte Claudia Roth (Grüne) das Konzept. Seit Mitte Juni ist das Angebot nutzbar: "Der Kulturpass ist schon jetzt ein Erfolg", findet Roth. Aber lässt sich das in Zahlen übersetzen? Die aktuelle Kulturpass-Statistik: Gut 184.000 aktive Nutzer, 8400 Anbieter, bislang mehr als 385.000 Reservierungen von Kulturangeboten, ein Umsatz von 6,2 Millionen Euro. Ist das also eine Erfolgsgeschichte?
Bayerns Landesschülerrat äußert sich zum Kulturpass
Janina Meier vom Landesschülerrat in Bayern sieht da einen Mangel: "Wir haben uns umgehört: Viele 18-Jährige wissen nicht einmal, dass es dieses Angebot gibt. Das ist sehr schade." Geht es nach ihr, müsste man an Berufsschulen, Gymnasien, FOS und BOS noch stärker für das Angebot werben. "Die Infos zum Kulturpass wurden entweder nicht ordentlich von den Ministerien an die Schulen weitergegeben oder nicht ordentlich von den Schulen an Schüler und Schülerinnen." Aber: "An und für sich finden wir das Angebot sehr gut. Wer sich Kultur sonst nicht leisten kann, nicht leisten will, kann damit schon auf den Geschmack kommen."
Knapp 200.000 reservierte Bücher, fast drei Millionen Euro Umsatz, auf Platz eins in der Bilanz aller Sparten steht der Buchhandel. Nachgefragt beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels: Was liegt im Trend bei Kulturpassnutzern? "Es sind vor allem die Genres, die bei jungen Menschen beliebt sind, wie Young Adult, Romance, Fantasy, Comics und Manga, aber sicher auch andere Genres", erklärt Pressesprecher Thomas Koch. Viele Buchhandlungen berichten von neuer Kundschaft. Eine Studie des Kulturstaatsministeriums besagt: 33 Prozent der Kulturpass-Nutzer wollen ihr Budget für Angebote ausgeben, "die sie sich bisher nicht leisten konnten". 30 Prozent wollen neue Angebote ausprobieren, für die sie sonst kein Geld hätten ausgeben wollen. Das Ministerium schließt daraus, "dass der Kulturpass tatsächlich Hemmschwellen abbaut".
In der Kinobranche fällt die Kulturpass-Bilanz gemischt aus
Aber auch die Hemmschwelle vor den Theatern? Der Bereich "Konzert und Bühne" verbucht in der Statistik Platz drei, 50.000 Reservierungen, Zwei Millionen Euro Umsatz – wobei vor allem die Konzertbranche profitiert. Anruf in München, beim Residenztheater: "Zugegeben, der Kulturpass ist in unserem Theater nicht so gestartet wie erhofft. Bei uns war die Ticket-Nachfrage über den Kulturpass eher zurückhaltend", sagt die stellvertretende Intendantin Ingrid Trobitz. "Wir bieten aber sowieso sehr Rabatte und günstige Tickets für Schülerinnen, Schüler und Studierende an, da investieren manche das Geld eben lieber in den Buchhandel, in einen Manga-Comic oder einen Roman. Oder in ein Konzertticket, für das es keinen Rabatt gibt." Ein Urteil über den Kulturpass will sie noch nicht fällen, das sei noch zu früh. Aber die Grundidee, Kultur so zu fördern, die finde sie gut. "Auf jeden Fall macht eine Fortsetzung Sinn."
Trotz Platz zwei unter allen Sparten, trotz 130.000 Reservierungen – hört man sich in der Kino-Branche um, spürt man gemischte Gefühle. Christian Pfeil betreibt Arthouse-Kinos in München, weitere in Gera und Jena, ist Mitglied im Verband AG Kino. "Die Ergebnisse waren bei uns bisher noch relativ enttäuschend", sagt er. Pfeil sieht, dass vor allem die großen Multiplex-Kinos profitieren. Oder hängt der Erfolg auch von der Suchfunktion in der App ab? "Gibt man da Kino ein, kriegt man als Ergebnis erst einmal Bücher, Bücher, Bücher, auch Bücher über das Kino. Unser Filmangebot findet man nur schwer." Und trotzdem, Pfeil lobt das Projekt, er spricht sich dafür aus, den Kulturpass sogar auf eine größere Altersgruppe auszuweiten – junge Menschen von 16 bis 20. "Geben wir dem Projekt etwas Zeit."
Claudia Roth will das Projekt Kulturpass fortführen
Claudia Roth erklärt: "Diesen Erfolg wollen wir fortsetzen. Es wird aktuell hart daran gearbeitet, dass der Kulturpass auch in Zukunft sein Potenzial voll ausschöpfen und zu einem etablierten kulturpolitischen Instrument werden kann. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das gelingt."