Boateng-Prozess: Gericht drückt aufs Tempo
Der Prozess gegen Fußball-Weltmeister Jérôme Boateng entwickelt sich zu einer sehr zähen Angelegenheit. Das Gericht will urteilen, doch die Verteidigung bremst. Temporeich geht es vor dem Gericht zu.
Der Prozess gegen Fußball-Weltmeister Jérôme Boateng hat sich am Mittwoch zu einer zähen Angelegenheit entwickelt. Während das Gericht aufs Tempo drückte und den Wunsch äußerte, das Verfahren an diesem dritten Prozesstag zu beenden, stellte die Verteidigung einen Antrag nach dem anderen. Ob noch am Mittwoch ein Urteil zu erwarten war, war am Nachmittag noch offen.
Schließlich lehnte Boateng den Richter in seinem Körperverletzungs-Prozess ab. Seine Verteidiger stellten einen Befangenheitsantrag gegen Richter Andreas Forstner. Der gebe "zu erkennen, dass sich zulässiges Verteidigungsverhalten strafschärfend auswirken kann und wird", sagte Boatengs Anwalt Norman Nathan Gelbert. Der Angeklagte müsse darum davon ausgehen, dass "das Urteil schon feststeht".
Forstner hatte die Verteidiger zuvor aufgerufen, das Verfahren nicht mit zahlreichen Beweisanträgen künstlich in die Länge zu ziehen, und gesagt, Prozessverhalten könne sich auf die Strafzumessung im Urteil auswirken. Das Gericht lehnte den Befangenheitsantrag ab. "Der Antrag dient lediglich der Verfahrensverschleppung", sagte Forstner. "Verfahrensfremde Zwecke" seien damit beabsichtigt. "Rügen Sie das in der Revision und gut ist", sagte Forstner, als die Verteidigung weiter über den Antrag diskutieren wollte.
Forstner hatte zuvor betont, er wolle das Verfahren, für das ursprünglich zwei Verhandlungstage angesetzt waren zu Ende bringen.
Der 34 Jahre alte Boateng ist angeklagt, weil er 2018 seine damalige Partnerin in einem Karibik-Urlaub beleidigt, geschlagen und verletzt haben soll. Das Amtsgericht München hatte ihn im vergangenen Jahr zu einer Geldstrafe von 1,8 Millionen Euro verurteilt. Weil alle Prozessbeteiligten Rechtsmittel gegen dieses Urteil einlegten, startete im Oktober der Berufungsprozess.
Temporeicher ging es dagegen vor dem Gerichtsgebäude zu: Während der Prozess gegen den Weltmeister von 2014 lief, wurde der Wagen durchsucht, mit dem Boateng zum Gericht gefahren war.
Die Durchsuchung war Teil einer größer angelegten Razzia der Staatsanwaltschaft München I. Sie untersuchte mehrere Objekte der Sicherheitsfirma, die Boateng zu seinem Schutz bei Gericht engagiert hatte. Neben dem Kleintransporter durchsuchten die Ermittler weitere Objekte in Hamburg, Niedersachsen und Brandenburg, wie die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Anne Leiding, mitteilte. Welche Gegenstände dabei konkret sichergestellt wurden, sagte sie nicht.
Die Ermittlungen richten sich nicht gegen Boateng, betonte sie, sondern gegen vier Mitarbeiter des von ihm beauftragten Security-Dienstes.
Der Chef dieser Sicherheitsfirma wurde nach Angaben Leidings befragt. Die Firma sei von nun an auch nicht mehr für den Schutz von Boateng vor Gericht zuständig, das sei nun Sache der Justizwachtmeister.
Hintergrund der Ermittlungen ist ein Zwischenfall mit dem Sicherheitsdienst am zweiten Prozesstag vor knapp zwei Wochen. Eine Zeugin hatte in dem Verfahren angegeben, sie sei beim Hineingehen ins Gerichtsgebäude gefilmt worden und fühle sich bedroht. Justizbeamte stellten daraufhin die Personalien der Personen fest, die mutmaßlich an dem Vorfall beteiligt waren.
Die Frau, die vor Gericht angab, gesehen zu haben, wie Boateng seine frühere Freundin in einem Karibik-Urlaub attackiert, geschlagen und übel beleidigt habe, war im Zeugenstand in Tränen ausgebrochen. "Da hat man einfach Angst", sagte sie, "dass man bedroht wird oder seine Familie bedroht wird."
Die Anwälte des Fußballprofis betonten nach der Feststellung der Personalien damals, dass der Sicherheitsdienst, der Boateng zum Prozessauftakt am Vortag auch schon betreut habe, lediglich "das Umfeld eruiert" habe, um "die Sicherheitslage Boatengs" bewerten zu können. Es habe sich um eine reine "Objektabklärung" gehandelt, und die Zeugin sei nicht gezielt und auch nur von hinten gefilmt worden.
Die Staatsanwaltschaft leitete ein Verfahren wegen des Verdachts der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen ein. Daran seien auch der Zoll und die Gewerbeaufsicht beteiligt und dieses sei völlig unabhängig von dem Körperverletzungsverfahren gegen Boateng, sagte Leiding. Allerdings betonte sie auch, dass kein Zeuge Angst haben dürfe, vor Gericht auszusagen.
(dpa)
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